Rezension über:

Jutta Berger / Christian Schmidtmann (Hgg.): Referendariat Geschichte. Kompaktwissen für Berufseinstieg und Examensvorbereitung, Berlin: Cornelsen 2014, 112 S., zahlr. Grafiken und Abb., ISBN 978-3-5891-6398-4, EUR 14,95
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Rezension von:
Olaf Hartung
Historisches Institut, Justus-Liebig-Universität, Gießen
Redaktionelle Betreuung:
Christian Kuchler
Empfohlene Zitierweise:
Olaf Hartung: Rezension von: Jutta Berger / Christian Schmidtmann (Hgg.): Referendariat Geschichte. Kompaktwissen für Berufseinstieg und Examensvorbereitung, Berlin: Cornelsen 2014, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 1 [15.01.2016], URL: https://www.sehepunkte.de
/2016/01/27190.html


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Jutta Berger / Christian Schmidtmann (Hgg.): Referendariat Geschichte

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Das gut hundert Seiten umfassende Buch zählt weniger zur Gattung der Fachbücher als zu einer von erfahrenen Praktiker/innen verfassten Ratgeberliteratur, die in diesem Fall Tipps, Rezepte, Ratschläge und mitunter auch 'Tricks' zur Bewältigung der Anforderungen im Referendariat geben möchte. Damit bedienen die Autorin und der Autor ein Bedürfnis vieler Referendare bzw. Lehrer/innen im Vorbereitungsdienst, zugleich haben sie aber auch mit manchen für diese Gattung typischen Problemen zu kämpfen. So stellt sich u.a. die Frage nach der Reichweite bzw. Verallgemeinerbarkeit des vorgestellten Wissens über die Anforderungen im Referendariat gerade in Anbetracht unseres föderal differenzierten Bildungssystems. Da die Ausbildererfahrungen der Autor/innen vor allem auf deren Tätigkeit am Studienseminar in Hamm beruhen, mögen die vorgestellten Informationen mehr auf nordrhein-westfälische denn auf hessische, bayerische oder sächsische Verhältnisse zutreffen, wie etwa die Bezugnahme auf das in die Kernlehrpläne Nordrhein-Westfalens eingeflossene fachdidaktische Kompetenzmodell der FUER-Gruppe. Die Ausrichtung der Ausbildungstätigkeit der Autor/innen auf die Schulformen Gymnasium und Gesamtschule schafft zudem eine Perspektive, die die besonderen Bedingungen an Haupt- oder Grundschulen weniger genau in den Blick nimmt. Gleichwohl finden die Leser/innen genügend sachdienliche Hinweise auf einem mittleren Abstraktionsniveau, das eine gewinnbringende Übertragung der für viele Referendare durchaus hilfreichen Informationen auf die Verhältnisse in den verschiedenen Bundesländern und Schulformen zulässt. Dies gilt vor allem für die praktisch orientierten Abschnitte zur Unterrichtsplanung und zu den Unterrichtsmethoden und -medien bei der Gestaltung von Lernprozessen.

Der Versuch, ein sicherlich von vielen Lehramtsanwärter/innen gewünschtes Gefühl vermeintlicher Sicherheit durch klare Anweisungen zu erzeugen (z.B. durch die jedem Kapitel angefügten "Dos and dont's-Kästen"), birgt einige Gefahren nicht nur wegen der Vielfalt im Bildungssystem, sondern auch wegen des kaum einzulösenden Anspruchs auf abschließende Wahrheitsaussagen in pädagogisch-didaktischen Zusammenhängen. Der Ratschlag etwa, man solle zur fachlichen Vorbereitung nicht wahllos Material sammeln, mag aufgrund seiner Allgemeinheit prinzipiell zutreffen. Die Aussagen jedoch, dass es beim Unterrichten nicht um die "Vermittlung von Forschungsständen", sondern um "ausgewählte Sach- und Fachkompetenz" gehe (22), oder beim Tafelbild "so wenig Text und so viele Symbole wie möglich" verwendet werden sollen (62), lassen sich im Hinblick auf einen Geschichtsleistungskurs und/oder einer sprachlich-narrativen Orientierung zumindest nicht mehr ganz so uneingeschränkt verallgemeinern. Dies wird auch im Band selbst in dem Abschnitt deutlich, in dem die Autoren zwar spielerische, aber dennoch rein textuelle Erschließungsmethoden für Textquellen am Beispiel der Sozialistengesetzgebung vorstellen, wie "Fülle die Lücke", "Kuckucksei" finden, "Schnitzeljagd" oder "Schusseliger Editor" (68 f.). Der Hinweis auf spielerische Methoden bei der Quellenarbeit ist im Hinblick auf die Motivierung der Schüler/innen sicherlich gut gemeint, dass dabei jedoch das grundlegende fachliche Erkenntnisverfahren der Historischen Methode mit den Schritten Heuristik, Kritik und Interpretation keine Erwähnung findet, mag überraschen.

Ein weiteres Problem nicht nur dieses Ratgebers im Hinblick auf den Anspruch, klare Anweisungen zu geben, ist die eigene Zeitlichkeit. Dies gilt in Zeiten rollender Reformen im Bildungsbereich ganz besonders. Man merkt dem Band an, dass die Autor/innen die meisten Erfahrungen in einer Zeit gesammelt haben, in der die Lernzielorientierung und Verwendung inputorientierter Lehrpläne leitende Prinzipien waren. Allenthalben trifft man im Buch auf Begriffe wie Lernziele und Lehrpläne. Dass man damit in terminologischen Widerspruch zu den Ansprüchen der ebenfalls im Werk propagierten Kompetenzorientierung im Geschichtsunterricht gerät, wird von den Autoren nicht thematisiert. Das in fast allen Bundesländern bildungspolitisch vorgegebene Kompetenzparadigma wirkt nachträglich eingefügt, da es sich vornehmlich auf das Kapitel zur "Leistungsüberprüfung und -bewertung" und das Arbeiten mit Schülerbeobachtungsbögen und Kompetenzrastern zur Diagnose und Bewertung von Kompetenzentwicklung beschränkt. Ohne kompetenztheoretische Schärfe und saubere Verwendung der Begriffe besteht jedoch die Gefahr, dass die Referendare die Grundlagen der aktuellen Reformansätze kaum durchdringen und diese als eine vor allem deklamatorische Pflichtübung in ihren Unterrichtsentwürfen abhandeln. Dass weitere aktuelle Reformbestrebungen das Referendariat zudem durch die Verlagerung von Praxisanteilen in sogenannte Praxissemester während der universitären Lehrerbildungsphase in seiner Grundstruktur in Frage stellen, dürfte ebenfalls die Relevanz der im Band präsentierten Informationen gefährden. Hier hätte sich der Rezensent zumindest eine Stellungnahme der Autor/innen zu den Vor- bzw. Nachteilen der unterschiedlichen Konzepte für die Praxisanteile in der Lehrerbildung gewünscht.

Das Werk "Referendariat Geschichte" wagt den Versuch, wesentliche Informationen zum Referendariat im Fach in einer für die Lehramtsanwärter/innen handhabbaren Form zu konkretisieren. Dass dies eine anzuerkennende, zugleich aber schwierige Aufgabe darstellt, hat strukturelle Gründe, die man den Autoren nicht anlasten kann. Wünschenswert ist auf jeden Fall eine prinzipiell kritische Distanz zu solcher Art aufbereiteten Informationen sowohl auf Seiten der Verfasser/innen als auch auf Seiten der Leserschaft, indem die Begrenztheit des 'rezeptologischen' Wissens im Blick behalten wird. In ihrem Vorwort verweisen die Autor/innen auf die Probleme, die mit der "Perspektivität aller Zusammenfassungen" verbunden sind. Meines Erachtens besteht die Hauptschwierigkeit jedoch weniger in der Notwendigkeit zur Reduktion fachdidaktischer Diskussionsstände, als vielmehr in der Versuchung zur Übernahme vermeintlich fertigen Rezeptwissens. Unter der Bedingung einer reflexiv-kritischen Distanz können jedoch viele der im Band vorgestellten praxisorientierten Konkretisierungen geschichtsdidaktischen Wissens durchaus eine positive Wirkung entfalten und den Lehramtsanwärter/innen bei der Lösung vieler im Referendariat auftretender Probleme eine wertvolle Hilfe sein.

Olaf Hartung