Roman Zaoral (ed.): Money and Finance in Central Europe during the Later Middle Ages (= Palgrave Studies in the History of Finance), Basingstoke: Palgrave Macmillan 2016, XVIII + 269 S., ISBN 978-1-137-46022-6, EUR 112,34
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Was an den Universitäten des Mittelalters für griechische Texte galt, gilt heute leider auch für die Arbeiten mittel- und osteuropäischer Historiker: Sie werden oft genug nicht gelesen. Und dies ist bedauerlich nicht nur für die Forscher, deren Studien internationale Aufmerksamkeit und Rezeption versagt bleibt. In Zeiten einer zunehmend internationalen, ja globalen Orientierung der Geschichtswissenschaft bedeutet dieses geradezu institutionelle Scheitern an einer Sprachgrenze auch den Verlust von Erkenntnis- und Vergleichsmöglichkeiten. Dies muss in besonderer Weise für den im vorliegenden Band behandelten geografischen Raum gelten, der mit Böhmen, Polen und Ungarn Gegenden abdeckt, die im Mittelalter ganz selbstverständlich zu den Wirkungs- und Handlungszonen europäischer Politik gehörten: War der König von Böhmen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts Mitglied im exklusiven Kreis der Kurfürsten, rückte mit Kaiser Karl IV. und seinem Ausbau der böhmischen Hauptstadt Prag das Zentrum des Römischen Reiches an die Moldau.
Umso erfreulicher ist es, dass Roman Zaoral nun die Ergebnisse einer im Jahr 2013 an der Universität Prag abgehaltenen Tagung über "Financial Aspects of Medieval Economy" (xi) in englischer Sprache zugänglich macht, um den Austausch zwischen den Wissenschaftskulturen zu erleichtern, wo nicht erst anzuregen. Entsprechend erfüllt der Band die Funktionen eines Handbuchs sowie einer Einführung in ökonomiegeschichtliche Fragestellungen und Probleme der Forschung im vornehmlich ungarischen, böhmischen und polnischen Raum. Das sehr knappe Vorwort (xi-xiv) führt in die Zielsetzung und die thematische Ausrichtung des Bandes ein, welcher anhand von vier verschiedenen Bereichen auf der Basis vornehmlich von "primary sources" (xi) einen Einblick in die Felder wirtschaftsgeschichtlich orientierter Forschung geben will. Dieses Ziel wird von der redaktionellen Entscheidung gefördert, jeden Beitrag mit einem eigenen Literaturverzeichnis auszustatten, welches die schnelle Information und weitere Lektüre erleichtert.
Der erste, durch den Herausgeber beigesteuerte Beitrag liefert eine kurze Einführung in die Geschichte der wirtschaftsgeschichtlichen Forschungen im zentraleuropäischen Raum. Sein besonderes Augenmerk gilt dabei den politischen Ereignissen in der Region, welche auch die Wirtschafts- und Finanzgeschichte nicht unbeeinflusst ließ.
Der sich anschließende erste Teil widmet sich dann dem Themenkomplex "Money and Mining" und traktiert Fragen imperialer Geldpolitik sowie der städtischen Rechnungsführung im ungarischen Goldabbaugebiet. Der Beitrag von Hendrik Mäkeler führt leider sehr oberflächlich und ohne eine tiefere Auseinandersetzung mit den im Vorwort versprochenen Primärquellen in die kaiserliche Geldpolitik im Spätmittelalter ein, wobei er das 14. Jahrhundert als Zeit des Wandels und der Beschleunigung charakterisieren kann. Auch wenn Karl IV. sich bemühte, durch die Einführung einer Goldwährung die lokalen und regionalen Währungssysteme im Sinne imperialer Zentralisierung zu ersetzen, erwiesen sich die kaiserlichen Möglichkeiten in der Praxis als begrenzt. Auch Michael North befasst sich mit der kaiserlichen Geldpolitik und Währungsreformen, legt seinen Fokus allerdings auf Norddeutschland im 15. Jahrhundert. North sieht in den oft verworrenen und langwierigen Verhandlungen zwischen den imperialen Institutionen und den Reichsständen über Münzen und Wechselkurse eine erfolgreiche Strategie zur wirtschaftlichen Reformierung und zur geldpolitischen Stabilität im Reich. Martin Štefánik gibt mit seiner eingehenden Untersuchung des Rechnungsbuches der ungarischen Gold- und Handelsstadt Kremnica einen aufschlussreichen Einblick in die wirtschaftliche Situation der 1328 von König Robert von Anjou gegründeten Stadt, welche durch den Goldabbau, aber auch durch ihre wirtschaftliche Prosperität bald überregionale Bedeutung erlangte.
Der zweite Teil des Buches wendet sich der Finanzierung mittelalterlicher Herrscherhöfe zu. Zeitlich am frühsten ist die Untersuchung von Zdeněk Žalud angesiedelt, der sich dem Hof Johanns des Blinden, seinen Finanzquellen und den dort tätigen Finanziers zuwendet. Besonders durch die exemplarische prosopografische Analyse der Beziehungsnetze von vier für das königliche Finanzwesen zentralen Personen kann der Autor die überregionalen Kreditstrategien des königlichen Haushalts sichtbar machen. Die nächsten beiden Studien von Stanislav Bárta und János Incze setzen sich mit der unterschiedlichen und wechselnden Finanz- und Verpfändungspolitik König Sigismunds in Böhmen und Ungarn auseinander, wobei bei Incze besonders die intensive Auseinandersetzung mit den Quellen hervorzuheben ist. Daniela Dvořáková gibt mit ihrer Arbeit über den wirtschaftlichen Hintergrund der Königin Barbara von Cilli einen Einblick nicht nur in die effiziente Finanzpolitik dieser Herrscherin, sondern liefert en passant auch eine erhellende Studie zu weiblicher Teilhabe an der Herrschaft im Mittelalter. Petr Kozák schließlich gibt einen farbenfrohen Einblick in die umfangreich überlieferten Rechnungen des Hofes des ungarischen Fürsten Sigismund Jagiello, die er aufgrund ihrer zahlreichen kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Informationen der modernen Hofforschung besonders ans Herz legt.
Der anschließende dritte Teil setzt sich mit städtischer Rechnungs- und Buchführung in ausgewählten Städten in Böhmen, Polen und Ungarn auseinander, wobei immer wieder die Frage nach der Einführung der doppelten Buchführung in Zentraleuropa gestellt wird. Pavla Slavéčková und Zdenék Puchinger untersuchen in ihrem Beitrag unter anderem die Rezeption der Summa arithmetica des Luca Pacioli in Böhmen und Mähren, welche aber keinen Einfluss auf die städtische Rechnungsführung gewinnen konnte. Grzegorz Myśliwski spürt den Rechnungsbüchern städtischer Kaufleute in der wichtigen Handelsstadt Breslau nach und kann zumindest Hinweise darauf finden, dass in einigen Fällen Kenntnisse über das modernere System der Buchführung schon im 15. Jahrhundert vorhanden waren. Beata Możejko widmet sich dem Rechnungsbuch der Stadt Gdánsk, welches im Jahr 1468 im Zusammenhang mit den Rentenzahlungen an König Kasimir IV. begonnen worden ist. Dieses Buch, das bereits das System der doppelten Buchführung anwendet, gewährt aufschlussreich Einblick in die finanzielle Interaktion zwischen König und Stadt in Polen. Balázd Nagy schließlich widmet seine Studie dem Register der tricesima genannten Steuer auf Handelsgüter, welche in Bratislava (Pressburg) durch die städtischen Organe erhoben wurde.
Der letzte, vierte Teil befasst sich im weitesten Sinne mit den finanziellen Bedürfnissen und Strategien der Kirche in Zentraleuropa. Der etwas allgemein gehaltene Beitrag von Antonín Kalous untersucht die Finanzierung päpstlicher Legaten und Nuntien im späteren Mittelalter, welche seit dem 14. Jahrhundert zunehmend durch kuriale Zahlungen alimentiert wurden. Marek Suchý geht in seiner interessanten und vielschichtigen Studie der aufwendigen und undurchsichtigen Finanzierung des Veitsdoms in Prag nach, während Martina Maříková sich den Finanzen des Prager Domkapitels vornehmlich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zuwendet.
Der hier besprochene Sammelband bietet einen vielfältigen Einblick in die Welt der Finanzen im Spätmittelalter in Zentraleuropa. Seine Lektüre sei nicht nur den Wirtschaftshistorikern ans Herz gelegt. Zwar kann nicht jeder Beitrag die in der Einleitung geweckten Erwartungen einlösen, manche Beiträge sind vielleicht auch etwas knapp geraten, doch ist das Buch eine gute und lesenswerte Grundlage für weiterführende Studien. Und es ruft eindrucksvoll in Erinnerung, dass dieser geografische Raum integraler und unverzichtbarer Teil Europas und der europäischen Geschichte ist. In diesem Sinne sei zu mehr Interaktion mit der Forschungslandschaft nicht nur in Tschechien, Polen und Ungarn aufgerufen!
Kerstin Hitzbleck