Rose Walker: Art in Spain and Portugal from the Romans to the Early Middle Ages. Routes and Myths (= Late Antique and Early Medieval Iberia), Amsterdam: Amsterdam University Press 2016, 408 S., 8 Kt., 154 Abb., ISBN 978-90-8964-860-0, EUR 199,00
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In den letzten zwanzig Jahren sind im spanisch- und portugiesischsprachigen Raum zahlreiche Veröffentlichungen zur Kulturgeschichte auf der Iberischen Halbinsel erschienen. Zumeist wurden hier jedoch regionale Erscheinungen untersucht. Die sie vereinenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Zusammenhänge wurden oft nur am Rande behandelt. Auf Grundlage dieser Studien und bereichert durch ihre eigenen Forschungsergebnisse erarbeitet Rose Walker in "Art in Spain and Portugal from the Romans to the Early Middle Ages" ein breit angelegtes Überblickswerk. Dass die Publikation auf Englisch erschienen ist, öffnet die Thematik einer breiteren Leserschaft als dies der Großteil der vorhandenen spanischsprachigen Literatur bislang leisten konnte. Der Kunsthistorikerin geht es vor allem um den kulturellen Austausch vor dem Hintergrund der überregionalen wirtschaftlichen und politischen Verbindungen der unterschiedlichen Regionen der Iberischen Halbinsel.
Die Studie gliedert sich in acht Kapitel. Diese werden jeweils von einer straffen Zusammenfassung des historisch-politischen Kontextes eingeleitet, der die Basis für die Beschreibung der Bau- und Kunsttätigkeit vorgibt. Hierauf folgt eine eingehende Betrachtung der unterschiedlichen Landstriche und Königreiche. Die Kapitel schließen jeweils mit einer kurzen Synthese der Ergebnisse. Die umfangreiche Bibliografie bietet einen Überblick über aktuelle Forschung mit einem klaren Fokus auf der spanischsprachigen Literatur. Der von Walker untersuchte Zeitraum erstreckt sich von der Eroberung und Erschließung der Iberischen Halbinsel durch die Römer in vorchristlicher Zeit bis zur Frühromanik um 1100. Die 150 Schwarzweiß- und Farbabbildungen sowie die jedem Kapitel vorangestellten geografischen Karten bieten ein umfangreiches Bildmaterial; über die Abbildungen hinausgehend erwähnte Werke lassen sich problemlos online ermitteln.
Im ersten Kapitel gliedert Walker die Provinz Hispanien anhand der großen römischen Verkehrsadern. Die Ressourcen des Landes, an welchen die Römer interessiert waren und die den Status der verschiedenen Regionen für die Eroberer bestimmten, waren dabei zugleich Ausgangspunkt kultureller Bewegungen. Zeitlich orientiert sich dieser Abschnitt an den römischen Kaiserdynastien bis zur Zeit um 300 n.Chr., mit dem Schwerpunkt auf dem 2. und 3. Jahrhundert n.Chr. Im Zentrum von Walkers Betrachtungen stehen Bauwerke, Mosaike und insbesondere Sarkophage.
Das zweite Kapitel spannt den Bogen vom frühen 4. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts und rückt das frühe Christentum in den Mittelpunkt. Walker analysiert hier die engen politischen und kulturellen Kontakte, welche die iberische Elite zum römischen Großreich pflegte. Obwohl die Bevölkerung sich noch dem antiken Ideal der Paideia verpflichtet sah, nahm das Christentum einen immer wichtigeren Platz im Leben ein. Dies zeigt sich vor allem in den Darstellungen christlicher Szenen auf Sarkophagen. Anhand von Mosaiken wird die Entwicklung von den prächtigen Errungenschaften der Spätantike bis zu ihrem Untergang und dem fast völligen Verlust der Beherrschung dieser Kunst nachvollzogen.
Mit dem Einfall der Westgoten auf der Iberischen Halbinsel teilte sich die Bevölkerung in zwei Gruppen: die Hispano-Römer, eine heterogene Gemeinschaft mit gemeinsamer Kultur, und die aus Gallien einwandernden Westgoten. Anhand von Arbeiten aus Metall erarbeitet Walker neue künstlerische Einflüsse. Hier bleibt die Forschung jedoch sehr spekulativ, was der Beweglichkeit der Objekte geschuldet ist. Konkreter erweist sich die Analyse der Bauwerke und Skulpturen, auch wenn der Befund westgotischer Architektur wenig umfangreich ist. Die Autorin stellt vor allem einen Aus- und Umbau vorhandener Gebäude fest.
Mit dem Niedergang der westgotischen Hoheit gewannen arabische Machthaber an Einfluss. Das Kapitel zum 8. und 9. Jahrhundert wird eingeleitet mit Ausführungen zur ersten Bauphase der Großen Moschee von Cordoba und der Verwendung antiker, römischer Spolien und der Staffelung von Rund- über Hufeisenbögen. Die Autorin legt in diesem Kapitel den Fokus auf die Ergebnisse ihrer eigenen Forschung über das Königreich Asturien und arbeitet die Bedeutung der Regentschaft Ramiros I. für die Baukunst heraus, während die bisherige Forschung lediglich die Herrschaft Alfonsos II. als bedeutsam eingestuft hatte.
Der Untergang des Karolingischen Reiches im 10. Jahrhundert lässt die Christen der Iberischen Halbinsel stärker in Austausch mit Al-Andalus treten. Die maurische Kultur des Kalifats befand sich auf dem Höhepunkt, während der Norden eine Blüte in der Buchmalerei hervorbrachte. Wie Walker feststellt, griff man im Norden für die Errichtung neuer Bauwerke auf Steinmetze aus Al-Andalus zurück, was den mozarabischen Baustil erklärt. Die noch erhaltenen Beispiele figurativer Dekoration in Kirchenräumen lassen den Einfluss der Buchmalerei erkennen.
Das 6. und 7. Kapitel schildert den Fall des Kalifats (um 1000 bis um 1070) und die Zersplitterung des Südens der Halbinsel, Ereignisse, die sich auch auf die Kunst und Architektur auswirkten. Als neue Medien werden die außergewöhnlich qualitätvolle iberische Elfenbeinschnitzkunst eingeführt, Metallarbeiten zeugen durch eine ottonische und salische Formensprache von den Einflüssen durch Silberschmiede aus Deutschland. In die Zeit um 1020 fällt die Entstehung eines eigenen Stils in Katalonien, der durch Tributzahlungen (parias) der Taifa-Königreiche an die christlichen Königreiche des Nordens der Halbinsel gefördert wurde. Rose Walker bringt in diesen Kapiteln plausibel einen Austausch mit Gegenden nördlich der Pyrenäen ins Gespräch.
Die Studie schließt mit der Einführung der römischen Liturgie auf der Halbinsel und dem Tod Alfonso VI. Der Bau von Santiago de Compostela nimmt einen zentralen Stellenwert in diesem Kapitel ein. Walker argumentiert zugunsten von Steinmetzen aus Al-Andalus anstelle von Handwerkern jenseits der Pyrenäen, schlägt aber auch eine Brücke nach Sainte Foy, Conques. Dabei betont sie den enormen Einfluss auf die frühromanische Kunst durch die Wiederentdeckung antiker römischer Sarkophage, die die Steinmetze zu eigenen Interpretationen anregten.
Die Autorin spannt einen weiten zeitlichen Bogen unter Analyse der bedeutendsten erhaltenen Bauwerke und Kunstgegenstände. Ihre ambitionierte Arbeit bietet ein wichtiges Fundament zum Verständnis der vorromanischen Kultur auf der Iberischen Halbinsel und liefert einen guten Überblick über den Stand der bisherigen, vorrangig spanischsprachigen Forschung. Dabei arbeitet sie schlüssig ihre eigenen Forschungsergebnisse ein. Das Buch vermittelt durch die Betrachtung unterschiedlichster künstlerischer Ausdrucksformen von der Architektur und Bauplastik über Textilien und Elfenbeinschnitzerei bis hin zur Goldschmiedekunst einen sehr lebendigen Eindruck der Kultur der Iberischen Halbinsel für das erste Jahrtausend nach Christus.
Kristina Krüger