Rezension über:

Françoise Hildesheimer / Monique Morgat-Bonnet: Le Parlement de Paris. Histoire d'un grand corps de l'État monarchique. XIIIe-XVIIIe siècle (= Histoire et archives; 16), Paris: Editions Honoré Champion 2018, 846 S., 4 Farb-, 16 s/w-Abb., ISBN 978-2-7453-4812-8, EUR 45,00
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Rezension von:
Alain Lemaitre
Université de Haute-Alsace, Mulhouse
Redaktionelle Betreuung:
Bettina Braun
Empfohlene Zitierweise:
Alain Lemaitre: Rezension von: Françoise Hildesheimer / Monique Morgat-Bonnet: Le Parlement de Paris. Histoire d'un grand corps de l'État monarchique. XIIIe-XVIIIe siècle, Paris: Editions Honoré Champion 2018, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 10 [15.10.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/10/32267.html


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Françoise Hildesheimer / Monique Morgat-Bonnet: Le Parlement de Paris

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Die Geschichte der französischen Parlamente unter dem Ancien Régime erfährt seit ungefähr zwanzig Jahren eine Wiederbelebung, vor allem durch den Impuls von französischen und englischen Historikern. Das Interesse der Forschung an diesen Institutionen besteht darin, den absoluten Charakter der französischen Monarchie differenzierter einschätzen zu können und die absolute Ideologie als System der Rechtmäßigkeit eines Königs von der Regierungspraxis, die dem Staat zuzuordnen ist, zu unterscheiden.

Monique Morgat-Bonnet hat sich bereits 2007 mit diesem Arbeitsgebiet befasst, als sie das Exil des Pariser Parlaments in Zusammenarbeit mit Isabelle Storez-Brancourt untersuchte. Nun widmet sie sich, dieses Mal mit Françoise Hildesheimer, einem sehr anspruchsvollen Forschungsgebiet: Die ganze Geschichte des Parlaments von Paris soll erforscht werden, vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution.

Man muss daran erinnern, dass der Begriff Parlament damals den obersten Gerichtshof des Königreichs bezeichnete und nicht eine gesetzgebende Versammlung. Diese Funktion ist entscheidend, denn diese Institution ist das Instrument der königlichen Souveränität und repräsentiert den König, der vor allem die oberste Autorität der Gerechtigkeit ist (roi de justice). Aber die Kompetenzen des Parlaments beziehen sich nicht nur auf den gerichtlichen Bereich, sondern auch auf den politischen- und den Verwaltungsbereich. Das Parlament, das aus der Curia regis stammt, bleibt par excellence seit seiner Kreation bis zu seiner Auflösung der Königliche Rat (conseil du roi) trotz des steten Beistands, den der Monarch durch den Regierungsrat (conseil de gouvernement) hatte.

Die beiden Autorinnen gliedern ihr Werk in fünf Teile, die sich an den großen Phasen der chronologischen Evolution des Pariser Parlaments (parlement de Paris) orientieren. Als Erstes beschäftigen sie sich zu Recht mit dem Ursprung des Parlaments in der Zeit des Hohen Mittelalters. Obwohl es dazu nur eine geringe und zudem noch lückenhafte Dokumentation gibt, zeigen sie in diesem einführenden Teil sehr gut, wie sich die königliche Justiz substituierend an die Stelle der Rache setzen möchte: die Curia regis wird schon zu einem Gerichtshof.

Der zweite Teil ist der Entstehung des Parlaments in Paris gewidmet. Dieser Gründungsprozess erzeugt eine riesige Masse an Archivmaterial, aus dem man das französische Recht entwickeln wird. Die Monarchie besiegt den Feudalismus. Der Souverän, der das Pariser Parlament 1303 entstehen lässt, regiert allein in seinem Reich und will das königliche Recht überall in Frankreich gelten lassen. Das neue Parlament benützt den Begriff "supériorité" im Sinne von "souveraineté" um seine Entscheidungen zu begründen. Es kontrolliert das gesamte Justizsystem der "seigneurs" und der Städte. Seine Räte legen die Grundprinzipien des königlichen Rechts fest, die zur Grundlage des öffentlichen Rechts in Frankreich werden.

Der dritte Teil der Untersuchung ist sehr wichtig und gelungen, denn hier wird die tiefgehende Veränderung des Parlaments am Ende des Mittelalters und in der frühen Neuzeit gezeigt. In dieser Zeit wird das königliche Gesetz zum bevorzugten Instrument des Regierens. Der König war und bleibt der Richter, von nun an wird er also vor allem ein Gesetzgeber. Das Gesetz wird zum charakteristischen Kennzeichen der Oberhoheit (souveraineté). Die Registrierung der Gesetze wird für das Pariser Parlament eine Kernfrage. Von da an wird das Parlament das Gesetz auch kontrollieren wollen.

Die Verteidigung des Katholizismus wird im Königreich zu einem wichtigen Ziel in der Zeit der Reformation. Das Pariser Parlament entwickelt sich zu einer wichtigen Instanz für die Repression des Protestantismus. Der König regiert in dieser Zeit mit seinem eigenen Rat und will das Parlament in seiner gerichtlichen Rolle beibehalten. Aber die "financiers" gewinnen mehr und mehr an Einfluss im Staat: Die Monarchie hat nicht mehr genug finanzielle Einkünfte, und wegen der hohen Kosten der Kriege werden die Ämter, darunter auch die der Richter des Pariser Parlaments, zur Ware und zum Familienbesitz. Das ist "la vénalité et l'hérédité des offices". Die Finanzwelt dringt mehr und mehr in den öffentlichen Dienst ein, dessen Ämter Privateigentum werden. Die Richter haben ein starkes Selbstbewusstsein, eine große Staatskörperschaft zu sein, und wachen über ihre Autonomie, ihren Vorteil und ihre Privilegien. Von nun an wird die Registrierung von Finanz-Edikten zum ständigen Konfliktpunkt zwischen dem König und dem Parlament. Einerseits hat der König nicht mehr genug Geld und muss die Steuern erhöhen und vervielfältigen, das wiederum missfällt dem Volk und den Privilegierten. Andererseits lehnen sich die Richter auf gegen diesen Übergang vom Königtum zum Finanzstaat. Die Fronde bewirkt die Niederlage des Parlaments.

Im 18. Jahrhundert wird das Parlament sich an diesen Konflikt erinnern. Es besteht auf seinem Willen, am politischen Geschehen teilzuhaben, mit der Registrierung der Edikte und seinem "Remonstrationsrecht". Die großen Ereignisse des 18. Jahrhunderts geben ihm Gelegenheit dazu: die Einführung von neuen Steuern, der Jansenismus, die Ausweisung der Jesuiten, die Reformen von Turgot, die die Privilegien beschneiden. Diesen Konflikt zwischen dem König und dem Parlament betiteln die Autorinnen im 4. Teil ihres Buches als "Dialogue de sourds". Sie versuchen diesen Konflikt auf nur hundert Seiten zu analysieren, obwohl die historische Forschung über diese Periode sehr umfangreich und innovativ ist. Die beiden Untertitel "L'apprenti-sorcier" und "Un grand corps malad" sind fragwürdig. Dieser Teil ist zu kurz und konfus: Der Streit zwischen dem König und dem Parlament um die Kontrolle der Gesetze und Steuern, das heißt das Prinzip der Gewaltenteilung, ist jedoch fundamental wichtig.

Im 5. Teil geht es um das Funktionieren und die Kompetenz des "parlement de Paris" in seiner Gesamtentwicklung "pour le droit et par le droit". Es war wichtig, eine Synthese über dieses Thema zu erarbeiten. Die beiden Historikerinnen haben auf mehr als 800 Seiten umfangreiche Fakten und Analysen geliefert. In Hinsicht auf ihr Thema, die Rolle des Parlaments in Beziehung auf das Recht und die Rechtsprechung, hat diese Forschung vor allem in Hinsicht auf das Mittelalter und den Anfang der frühen Neuzeit ihr Ziel erreicht.

Alain Lemaitre