Geschenktipps (nicht nur) zu Weihnachten

Alfons Kenkmann, Leipzig


Brigitte Glaser: Bühlerhöhe. Berlin: Ullstein Verlag 2017, 448 S., ISBN 978-3-548-28982-3, EUR 11,00.
Der Roman von Brigitte Glaser beamt uns in den Sommer des Jahres 1952 in den Schwarzwald. Es ist die Regierungszeit Konrad Adenauers zur Zeit der großen Debatte um Wiedergutmachungszahlungen an den Staat Israel, die den deutschen Bundeskanzler zum Anschlagsziel machten. Der Ort der Handlung ist das Nobelhotel Bühler Höhe, das traditionelle Urlaubsdomizil Konrad Adenauers. Hier werden alle Hauptakteure zusammengeführt, die mit Ausnahme Adenauers in ihren spezifischen biografischen Facetten auskonturiert werden: alte Nazis, die wieder Geschäfte machen, Mossad-Angehörige, ein ehemalige Vergewaltiger und französischer Besatzungssoldat, das durch die Vergewaltigung traumatisierte Schwarzwaldmädel, ein Attentäter, der das "Blutgeld" aus Westdeutschland ablehnt ... . Glaser gelingt es auf spannende und gewinnende Art und Weise, nicht nur die unterschiedlich profilierten Protagonisten an einem kleinen Schwarzwaldflecken zusammenzuführen, sondern uns in die Zeit der frühen Bundesrepublik mitzunehmen.

Arno Borst: Meine Geschichte. Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Gustav Seibt, Lengwil: Libelle Verlag 2009, 128 S., ISBN 978-3-905707-26-7, EUR 16,90.
Die von der Tochter Borsts nach dessen Tod auf dem Computer des Vaters entdeckten autobiographischen Skizzen sind zu unser aller Glück mit dieser Veröffentlichung dem Vergessen entrissen. Wir erfahren viel über die frühen Verdienste des Verstorbenen für die Regionalgeschichte ("Mönche am Bodensee, 1978) an "Klein-Havard", der Forschungsuniversität Konstanz, durch seine Schilderung der widersprüchlichen Rezeption seines Werkes in der Öffentlichkeit als auch unter den Zunftkollegen. Die Strahlkraft seiner Vorlesungen war derart groß, dass Gasthörer aus der bürgerlichen Gesellschaft am Bodensee das Auditorium genauso füllten wie die nachwachsende Studentengeneration. Manchem Bologna-Jünger von heute hätte die Lektüre dieses schmalen Bändchens sicherlich die Augen geöffnet, kritisierte Arno Borst doch schon zu Beginn der 1980er Jahre - 25 Jahre vor Bologna - die verschulten Lehrpläne und Prüfungsordnungen, die den Studierenden keinen Platz mehr für die Teilnahme an Forschungen erlaubte. Dabei war die damalige Reform nichts im Vergleich zum alltäglichen Irrsinn universitären Alltags unter dem heutigen Bologna-Diktat. Borsts posthum veröffentlichte autobiographische Fragmente geben einen gewinnenden Blick in den Alltag eines universitären Historikers, der seinen eigenen Weg fern der Bielefelder Schule gegangen ist.

Colson Whitehead: Underground Railroad. Roman. Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl, München: Carl Hanser Verlag 2017, 352 S., ISBN 978-3-446-25655-2, EUR 24,00.
Colson Whitehead: Die Nickel Boys. Roman. Aus dem Englischen von Henning Ahrens, München: Carl Hanser Verlag 2019, 224 S., ISBN 978-3-446-26276-8, EUR 23,00.

Anhand seiner Hauptfigur Cora entfaltet Colson Whitehead die Geschichte der Sklaverei. Cora hat Jahrzehnte der Flucht vor sich und erfährt dabei immer neue Formen und Facetten der Unterdrückung und rassistischer Gewalt. Die Bandbreite ist riesig: Von der Erniedrigung als Komparse im Kontext der Authentifizierung eines Museums zur amerikanischen Geschichte bis zur drohenden Zwangssterilisation als Folge rassistisch motivierter Bevölkerungspolitik. Ein großer Wurf, der dem Leser auf fiktionale Weise nahe bringt, was es bedeutet(e), in den USA schwarz zu sein.

Christina von Hodenberg: Das andere Achtundsechzig. Gesellschaftsgeschichte einer Revolte, München: C.H.Beck 2018, 250 S., 20 s/w-Abb., ISBN 978-3-406-71971-4, EUR 24,95.
Was haben wir uns nicht alles an Selbsterhöhungs- und -anfettungsgeschichten der APO-Aktivisten aus Frankfurt und Berlin anhören müssen. Wer einen anderen Blick auf 1968 gewinnen möchte, der kommt an der fulminanten Studie Christina von Hodenbergs nicht vorbei. Sie öffnet den Blick durch die Analyse vor allem bisher unausgewerteter Befragungen im Rahmen der "Bonner Längsschnittstudie des Alters 1964-1985" für eine neue und erfrischende Perspektive auf 1968 fern des rückblickenden Selbstlobs der Protagonisten aus den Metropolen an Main und Spree. Anders als diese nimmt sie die gesamte Gesellschaft um 1968 in den Blick. Besonders dankbar für eine jede Leserin / einen jeden Leser ist der von der Autorin erhobene Befund, der anders als es Götz Aly in seiner Rede von der Generation "emotional frierender Kinder" evoziert, eher ein ausgezeichnetes und entspanntes Verhältnis zwischen Kindern und Eltern in der Zeit ausmacht. Für wahr eine imposante Ergänzung zum bisherigen storytelling der 68er.