Rezension über:

Christoph Augustynowicz / Johannes Frimmel (Hgg.): Der Buchdrucker Maria Theresias. Johann Thomas Trattner (1719-1798) und sein Medienimperium (= Buchforschung. Beiträge zum Buchwesen in Österreich; Bd. 10), Wiesbaden: Harrassowitz 2019, 173 S., 21 s/w-Abb., ISBN 978-3-447-11235-2, EUR 54,00
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Rezension von:
Esther-Beate Körber
Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften, Freie Universität Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Bettina Braun
Empfohlene Zitierweise:
Esther-Beate Körber: Rezension von: Christoph Augustynowicz / Johannes Frimmel (Hgg.): Der Buchdrucker Maria Theresias. Johann Thomas Trattner (1719-1798) und sein Medienimperium, Wiesbaden: Harrassowitz 2019, in: sehepunkte 20 (2020), Nr. 3 [15.03.2020], URL: https://www.sehepunkte.de
/2020/03/33880.html


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Christoph Augustynowicz / Johannes Frimmel (Hgg.): Der Buchdrucker Maria Theresias

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Die Aufsätze dieses Bandes gehen auf eine Wiener Tagung von 2017 zurück und beschäftigen sich großenteils, aber nicht ausschließlich mit dem als "Fürst der Nachdrucker" bekannten Johann Thomas (von) Trattner und seinem Umfeld. Eingangs skizziert Peter Eigner die Wiener Druck- und Medienhandels-Geschichte des 18. Jahrhunderts, behandelt aber insbesondere die großen Fragen des damaligen Presserechts, nämlich Zensur, Privilegienwesen und Nachdruck, wobei die beiden letzten Begriffe in gewissem, aber nicht absolutem Gegensatz zueinander stehen.

Johannes Frimmel führt in seinem Beitrag "Trattner und die Materialität des Nachdrucks" aus, was Nachdruck unter den Bedingungen des Privilegienwesens rechtlich und praktisch bedeuten konnte. Zum Beispiel verfügte Johann Thomas (von) Trattner über ein landesherrlich-österreichisches Privileg für den Schulbuchdruck und konnte sich so, mit kaiserlicher Rückendeckung, über reichsweite kaiserliche Privilegien für andere Buchdrucker hinwegsetzen. Dass "die Habsburgermonarchie nicht mehr bereit war, die allgemeinen kaiserlichen Privilegien für ihr Territorium anzuerkennen" (133), ist eine etwas paradox wirkende Formulierung für diesen Sachverhalt konkurrierender Privilegien. Frimmel selbst weist mit der Erwähnung eines kurfürstlich-sächsisch privilegierten Nachdrucks (144) darauf hin, dass landesherrliche Privilegien grundsätzlich in Spannung zu den kaiserlichen stehen konnten - was bei der Personalunion von kaiserlicher und Landesherrschaft allerdings auch eine rechtlich merkwürdige Situation ergibt. Im übrigen hebt Frimmel auch positive Wirkungen von Nachdrucken hervor, etwa die Möglichkeit qualitativer Verbesserung, die sogar zu Konkurrenz unter den Nachdruckern führte.

Einige Aufsätze in diesem Band beschäftigen sich mit den weiten Geschäftsverbindungen Trattners innerhalb der Habsburgermonarchie. Wie Giulia Delogu darlegt, begründete Trattner mit dem Druck von Schiffs- und Ladungslisten in Triest eine bis 1858 dauernde Tradition, druckte aber auch Opernlibretti sowie Übersetzungen aus dem Italienischen. Die Gründung einer Zeitung und einer gelehrten Gesellschaft führt Delogu mittelbar auf Trattners Einfluss zurück. In Ungarn entfalteten zwei Zweige der Familie Trattner eine rege, ausgedehnte und vielseitige Tätigkeit. Die Druckproduktion umfasste wissenschaftliche, literarische und liturgische Werke, Zeitungen und Zeitschriften. Es wurde in deutscher, lateinischer, ungarischer und slovakischer Sprache gedruckt. Judit Vizkelety-Ecsedy führt dies in einem auch instruktiv illustrierten Beitrag aus. Dagegen konnte Trattner in Lemberg nicht Fuß fassen, obwohl er am Druck von Schulbüchern in der Landessprache beteiligt war. Der Grund für diesen Nicht-Erfolg ergibt sich aus dem Aufsatz von Christoph Augustynowicz: Die Interessen des akademisch gebildeten und des übrigen lesefähigen Publikums wurden offensichtlich schon durch andere produktive Drucker und Buchhändler befriedigt, so dass es zusätzlicher Aktivitäten nicht bedurfte. In Böhmen war Trattner, wie Michael Wögerbauer aufgrund neuer Quellenstudien nachweist, nur zum Teil erfolgreich. Er konnte eine Buchhandlung und eine Schriftgießerei in Prag etablieren, die anderen Schriftgießern erheblich Konkurrenz machte. Dabei waren ihm offenbar seine Beziehungen zum Wiener Hof hilfreich gewesen. Gerade aufgrund dieser Beziehungen und wegen seiner Nachdruck-Aktivitäten aber war er den Prager Buchdruckern und auch den regionalen Behörden verdächtig, so dass ihm die Einrichtung einer eigenen Buchdruckerei gegen die etablierte Konkurrenz nicht gelang.

Jens Eriksons Aufsatz über "Georg Vega's Logarithmic Tables (Vienna: Trattner 1783) and Their Transnational Circulation in Nineteenth-Century Europe" wirft ein besonderes Schlaglicht auf die Trattnersche Druckproduktion: Logarithmische Tafeln hätte man im Verlagsprogramm des "Fürsten der Nachdrucker" wohl nicht erwartet. Der Aufsatz zeigt aber nicht nur, wie zuverlässig der Druck war, sondern auch, wie solche Drucke in der wissenschaftlichen Welt des 19. Jahrhunderts zur Überprüfung anderer derartiger Tafeln benutzt wurden.

Die meisten Aufsätze des Bandes zeigen, auch abgesehen von ihrem Thema im engeren Sinne, dass Johann Thomas (von) Trattner als "Fürst der Nachdrucker" zwar nicht unbedingt falsch, aber jedenfalls zu eng charakterisiert ist. Die Produktion seiner Druckerei(en) umfasste wissenschaftliche Bücher verschiedener Sachgebiete - die logarithmischen Tafeln bieten nur ein besonders "abstraktes" Beispiel - ebenso wie Messbücher, Libretti, Textbücher fürs Theater und periodische Medien wie Zeitungen und Zeitschriften. In Pressburg/Pozsony führte seine Firma, solange das erlaubt war, ein Lesekabinett, in Prag existierte eine Trattner'sche Schriftgießerei, in Pest wurde er "wichtigster Verleger der ungarischen Literaten" (Vizkelety-Ecsedy, 60). Der Ausdruck "Medienimperium" für diese sachlich wie geographisch ausgedehnte Geschäftstätigkeit erscheint durchaus gerechtfertigt.

Esther-Beate Körber