Agostino Paravicini Bagliani: Le monde symbolique de la papauté. Corps, gestes, images d'Innocent III à Boniface VIII (= Millennio Medievale; 118), Firenze: SISMEL. Edizioni del Galluzzo 2020, xviii + 350 S., ISBN 978-88-8450-975-8, EUR 76,00
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Der vorliegende Sammelband enthält eine Auswahl an Beiträgen von Agostino Paravicini Bagliani, die sich um das Thema der vom Papsttum im Laufe des "langen 13. Jahrhunderts" - zwischen den Pontifikaten Innozenz III. und Bonifaz VIII. (1198-1303) - eingesetzte Symbolik drehen. Bei den Beiträgen handelt es sich bis auf eine Ausnahme um bereits veröffentlichte Aufsätze, die nun ins Französische übersetzt, in die jüngeren Tendenzen der Forschung eingeordnet und mit aktualisierten Literaturangaben vervollständigt wurden.
Innovativ ist vor allem die Gesamtüberlegung zur vielschichtigen Symbolik des Papsttums, die zu einem eingehenden Verständnis dieser Institution beiträgt. Der bewusste Einsatz einer komplexen symbolischen Wirkkraft wird im Zusammenhang mit der Vorrangstellung des Papsttums gegenüber Kirche und Gesellschaft und dem damit verbundenen Selbstbewusstsein betrachtet. Dieses Selbstbewusstsein wurde nicht nur durch umfassende ekklesiologische Traktate oder feierliche Synodalbeschlüsse, sondern auch durch eine Vielzahl an Handlungen inszeniert und kommuniziert. Die Erforschung der Symbolik mit all ihren Facetten - Bildern, Riten, Gesten und Körperlichkeit - fügt sich in eine Forschungstendenz ein, die von Paravicini Bagliani selbst wesentlich vorangetrieben wurde. Beispiele hierfür sind die Werke Il Corpo del papa (1994), Morte ed elezione del papa (2013) sowie Le Bestiaire du pape (2018).
Der Band ist in drei Teile gegliedert, die die Körperlichkeit, Riten und Bilder des Papsttums ins Blickfeld nehmen. Die Frage nach der Körperlichkeit des Papstes steht im Mittelpunkt der ersten Sektion. Über 25 Jahre nach der Veröffentlichung von Il Corpo del papa setzt sich der Verfasser mit seinen vorherigen Forschungen auseinander. Die Erforschung des Körpers des Papstes bietet wesentliche Reflexionen zu der bestehenden "toujours complexe, et parfois potentiellement conflictuel" (3) Beziehung zwischen der Institution des Papsttums und der körperlichen Person des Papstes selbst. Darüber hinaus bieten die Ausführungen von Paravicini Bagliani einen wichtigen Beitrag sowohl zur Konzeption des Körpers im Mittelalter, als auch zur Medizingeschichte. Das Problem des Körpers kreuzt sich unmittelbar mit der lebendigen Frage nach der Möglichkeit der prolongatio vitae. Die Vorstellung der den Päpsten zu diesem Thema gewidmeten Traktate (13. bis 16. Jahrhundert) zielt darauf ab, die Natur und die Dauer des verlängerten Lebens zu untersuchen (41-58).
Einige der Rituale des päpstlichen Hofes und ihr symbolischer Charakter werden im zweiten Teil der Sammlung thematisiert. In diese Richtung bietet der Aufsatz über Bonifaz VIII. und das Jubeljahr (155-168) einige weiterführende Befunde. Die sorgfältige Untersuchung und Vorstellung der Wortgewandtheit des Papstes sowie dessen körperlicher Gestik erlauben, die Inszenierung der päpstlichen Autorität bei diesem neuen kirchlichen Ereignis besser zu begreifen. Die Person Papst Bonifaz VIII. ist Gegenstand eines längeren Beitrags, in dem mehrere seiner manchmal starken verbalen Ausdrücke - bis hin zum Sarkasmus- in Betracht gezogen werden (169-210). Beispielhaft sei hier daran erinnert, dass der Papst König Karl von Anjou als einen "trés vilain ribaud" (178) bezeichnet haben soll. Durch die Analyse verschiedener Quellen (Berichte von Kardinälen, Annales sowie die Akten des Prozesses gegen Bonifaz VIII.) wird die Person des Benedetto Caetani auch vor seiner Erhebung auf die Cathedra Petri mit besonderer Aufmerksamkeit auf seiner Ausdruckskraft in unterschiedlichen Umständen vorgestellt. Auch das Temperament des Papstes wird im Beitrag thematisiert und bietet mögliche neue Einblicke in diesen Pontifikat. Vollendet wird der Aufsatz mit einem komplementären Anhang, der einige, teilweise auf italienisch zitierte Texte beinhaltet, die einen unmittelbaren Einblick in die genannten Themen bieten.
Neben diesen Studien zu Bonifaz VIII. sind in dieser Sektion der Sammlung auch breitere Forschungen zum Verhältnis - und deren Inszenierung - zwischen Papst und Kurie (Le baisiers liturgiques entre papes et cardinaux, 139-155), zur Liturgie der Eucharistie (Le rite pontifical de l'Eucharistie, 117-139) sowie zu den feierlichen Riten zur Bestattung an der römischen Kurie (Rituels et pratiques funéraires à la Curie romaine, 225-235) enthalten. Durch all diese Arbeiten wird nicht nur die aktive Beteiligung der höchsten Ebene der römischen Kurie beim Prozess der Inszenierung päpstlicher Autorität durch besondere Riten und Symbolen, sondern auch die internen sozialen Dynamiken an der päpstlichen Kurie greifbar.
Die letzte Sektion widmet sich der Herausbildung der päpstlichen Autorität. Hier ist der Beitrag über Robert D'Uzés besonders hervorzuheben (291-299), denn er legt bisher unveröffentliche Studien von Paravicini Bagliani offen. Im Rahmen seiner Untersuchung stellt der Verfasser die symbolische Bedeutung der Tiara und seine Auslegung durch den Dominikanerbruder Robert D'Uzés heraus. Bezeichnete Innozenz'III. die Tiara als signum imperii, verlieh ihr Bonifaz VIII. die Symbolik eines signum ecclesiae, die er an die ekklesiologische Interpretation der Arche Noah anknüpfte.
Die bereits im Pontifikat Innozenz' III. einsetzende Mobilität der Kurie bewegt sich in einem Geflecht aus der Körperlichkeit und der Medizin sowie deren symbolischer Kommunikation. Schauplatz dieser Herangehensweise ist auch die Stadt Avignon und ihre Perzeption als ein zweites Rom. Dieser Beitrag bietet eine neue Sichtweise auf das avignonesische Papsttum und hebt seine besondere Positionierung in der Geschichte der einst auf Rom zentrierten Institution hervor (299-314).
Das Œuvre von Agostino Paravicini Bagliani steht den neuen Tendenzen der Geschichtsforschung in nichts nach, sondern liefert methodisch bedeutungsvolle Ansätze, in deren Mittelpunkt die symbolischen, mit der Sphäre des Gefühls verbundenen Aspekten stehen. Le monde symbolique de la papauté bildet also nicht nur einen aktualisierten und unabdingbaren Bezugspunkt für jede neue Forschung, die sich mit der facettenreichen Welt der Symbole und ihrem Einsatz seitens der verschiedenen Institutionen auseinandersetzen möchte, sondern das Werk ermöglicht auch ein ausführlicheres Verständnis des Papsttums auf dem Höhepunkt seiner Herrschaft, seiner Selbstdarstellung und seines Selbstbewusstseins.
Caterina Cappuccio