Thomas M. Lekan: Our Gigantic Zoo. A German Quest to Save the Serengeti, Oxford: Oxford University Press 2020, XVI + 324 S., ISBN 978-0-19-984367-1, GBP 25,99
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Auf Vorhaltungen des niederländischen Prinzen Bernhard (World Wildlife Fund) entgegnete Julius Nyerere, Präsident Tansanias, 1972: "We are sorry if our National Parks policies do not please those who have already destroyed their own wildlife, and indeed who continue to endanger what little remains."(247) Nyerere hatte lange auf Verständigung mit den internationalen Vertretern des Natur- und Tierschutzes gesetzt. Er hoffte, große Schutzgebiete für die Tiere Ostafrikas würden in eine aufblühende Tourismus-Industrie münden. Die Nationalparke bedeuteten hohen finanziellen Aufwand und soziale Konflikte für Tansania. Gut zehn Jahre zuvor, 1961, auf der Tierschutz-Konferenz in Arusha, hatte sich Nyerere noch als Treuhänder des "Naturerbes der Menschheit" präsentiert. Die Vertreter des globalen Tierschutzes versprachen finanzielle Unterstützung beim Park-Management und prognostizierten wirtschaftlichen Profit aus einer schnell wachsenden Tourismusindustrie. Aber Hilfsgelder flossen nur spärlich. Tourismus entfaltete sich primär im benachbarten Kenia. An Tansania wurden immer wieder harte Forderungen nach strikter Abschließung der Parks von der Bevölkerung gestellt, die die kolonialen Züge des WWF in ein grelles Licht rückten. Bernhard Grzimek war eine Schlüsselfigur in dieser Phase globaler Naturschutzbeziehungen. Allerdings lässt er sich, folgt man Thomas Lekan, nicht so leicht in ein westliches spät- bis neokoloniales Lager von Aktivisten einsortierten.
Lekans Buch "Our Gigantic Zoo" lädt ein, sich mit dem entstehenden globalen Tierschutz der 1950er bis 1970er Jahre und den Beziehungen zwischen Westdeutschland und Tansania auseinanderzusetzen. [1] Es war die Zeit von Westernisierung, Wirtschaftswunder und Kaltem Krieg respektive die Zeit des Zweiten Kolonialismus, der Dekolonisierung, von Non-Alignment, Uhuru (Freiheit) und Ujamaa (afrikanischem Sozialismus). Lekan erzählt durch die Augen eines der wichtigsten Protagonisten des entstehenden globalen Natur- und Tierschutzes, des deutschen Zoodirektors, Aktivisten und Filmemachers Bernhard Grzimek. Der Autor tut dies mit einer gelungenen Mischung aus Einfühlungsvermögen und schonungsloser, lakonisch-distanzierter Offenlegung der Anmaßungen Grzimeks. Lekan ordnet Grzimek fundiert in die historischen Zeitlagen ein: (1) in die westdeutschen Versuche, sich über Entwicklungshilfe und Kulturdiplomatie in Ostafrika neu zu positionieren - Grzimeks "wildlife diplomacy" (Julie M. Weiskopf) spielte hier zeitweise eine wichtige Rolle; (2) in die Spätphase Tanganjikas, in der die britische Kolonialmacht mit scheiternden Großprojekten die Exportwirtschaft ankurbeln wollte und der selbstsichere und intellektuelle Premierminister Nyerere in den Brennpunkt internationaler Aufmerksamkeit rückte, während er versuchte, sein Land in der Dekolonisierungsphase zu stabilisieren - bis hin zu autoritären Umsiedlungs- und Verstaatlichungspolitiken in den 1970er Jahren; (3) in die Entstehungsphase einer globalen Natur- und Tierschutzpolitik, in der transnational agierenden NGOs, die die charismatische Megafauna Afrikas zum "gemeinsamen Erbe der Menschheit" stilisierten, eine Schlüsselrolle zukam.
Das Buch ist keine Biografie Grzimeks - dazu steht zu sehr nur eine Phase seines Lebens im Zentrum. Es geht Lekan um eine Beziehungsgeschichte zwischen Westdeutschland und Ostafrika, ohne den globalhistorischen Kontext aus dem Blick zu verlieren. Dieses Unterfangen ist gelungen. "Our Gigantic Zoo" ist ein Buch, das in einem Stück gelesen werden will. Es folgt den Stationen von Grzimeks Engagement für die afrikanische "Tierwelt" im Modus einer dichten Beschreibung von Handelnden, Diskursen und Ereignissen. Wer sich darauf einlässt, wird mit einer anschaulichen und umsichtigen Darstellung belohnt. Analyse gibt es nebenbei und zwischen den Abschnitten.
In sieben Kapiteln erörtert Lekan zunächst die Grundlagen von Grzimeks Ökologie-Verständnis im Übergang vom Ministerialbeamten im NS-Staat zum Frankfurter Zoodirektor. Er schildert das Ausgreifen Grzimeks nach "Afrika" (zusammen mit seinem Sohn Michael, der 1959 in Tansania tödlich verunglückte). Als Zoodirektor setzte Grzimek Maßstäbe, indem er europäische Zoos als Refugium für die vermeintlichen Reste der wilden "Tierwelt" positionierte, ohne das Marketing-Potenzial exotischer Tierarten zu vergessen. Manches liest sich äußerst gegenwärtig, etwa, wenn Grzimek die Kritik an den Kosten für ein Okapi kontert: Das erste Tier dieser Art werde dem Frankfurter Zoo alleine 25.000 mehr Besucher im Jahr bringen. Am Ende seien es 55.000 gewesen. In den frühen 1950er Jahren reisten die Grzimeks zunächst an die Elfenbeinküste und wenig später in die belgische Kongokolonie, um dort das besagte Okapi einzusammeln. Mit dem Dokumentarfilm "Kein Platz für wilde Tiere" (1956), den die Grzimeks in Naturschutzparken im Kongo drehten, etablierte sich ein Grundmotiv ihres Aktivismus: Schnelles Bevölkerungswachstum führe zu rücksichtsloser Naturausbeutung und drohe die "Tierwelt" zu vernichten. Die zentrale Aufgabe der internationalen Gemeinschaft und der Menschheit sei es, für das Überleben der Tiere in der "Wildnis" zu sorgen. Grzimek wurde ein "a self-appointed 'Noah'" mit der Mission die afrikanischen Nationalparke zu schützen, "as sanctuaries from the 'rising tide of humanity'" (49).
Lekan macht deutlich, wie sehr Grzimeks Parteinahme für die Tiere aus den lokalen Konstellationen der westdeutschen Nachkriegszeit herauswuchs. Sie verband das Unbehagen an einer Amerikanisierung mit dem Bedürfnis nach einem unbelasteten Thema, um sich als verantwortungsbewusster Teil der Weltgemeinschaft zu präsentieren. Grzimek sah, so Lekan, die Schuld an der Gefährdung der Tiere nicht primär bei den lokalen afrikanischen Bevölkerungen - anders als im kolonialen Diskurs und bei vielen seiner westliche Kolleg*innen. Er brandmarkte westlichen Materialismus, der auf die afrikanischen Bevölkerungen übergreife. Auch war Grzimek kein Verfechter eines paternalistischen Kolonialismus. Mit zynischem Blick betrachtet er koloniale Seuchen- und Hungerbekämpfung oder Entwicklungsprojekte als Ursache vermeintlicher Überbevölkerung.
Ausführlich analysiert Lekan Bildsprache, Erzählungen und Ökologiebegriff im Kernwerk der Grzimeks "Die Serengeti darf nicht Sterben" und verknüpft es mit der Geschichte ökologischen Wissens über die ostafrikanische Savanne. Es gelingt so ein hervorragendes Kapitel Umweltgeschichte, das kulturwissenschaftliche und ökologische Zugänge verbindet. Die Massai treten in Grzimeks Werk in ambivalenten Rollen auf: mal als Eindringlinge und Gefahr für die ökologische Stabilität der Savanne, mal als die am wenigsten vom modernen Materialismus beeinflussbare Gesellschaft im östlichen Afrika. Tiere würden für die Maasai geschützt, auch gegen ihren expliziten Widerstand: "We argue that the basic inherent right of the African is to have his natural heritage protected and defended even from his own errors." (172) Grzimek kooperierte mit dem Gros des westlichen Tierschutz-Aktivismus und der tansanischen Staatsführung. Wie Lekan zeigt, konvergierten globaler Naturschutz und tansanische Modernisierungspolitik in ihrem Interesse an der Kontrolle und Einhegung der als modernisierungsresistent geltenden pastoralen Gesellschaften. Ein längerer Blick auf die Selbstorganisation und den zunehmend schlagkräftigen und international durchdringenden Massai-Aktivismus, wäre hier wünschenswert gewesen. So wäre der Modus des "Fürsprechens", den koloniale und nachkoloniale Diskurse etablierten, stärker zu durchbrechen gewesen.
Mit "Our Gigantic Zoo" legt Thomas Lekan eine facettenreiche, biografisch zugespitzte Geschichte des frühen globalen Tierschutzes vor. Es gelingt dem Autor auf fast lakonische Art, die Bruchstellen, die Ausgrenzungen und den fluiden Charakter der Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg darzulegen. Ein wichtiges Buch, dass unser Verständnis von transregionaler Verflechtung, internationalem Aktivismus und globalen ökologischen Debatten verändert.
Anmerkung:
[1] Das Buch hat zahlreiche Abbildungen. Im vom Verlag für die Besprechung bereitgestellten PDF werden sie in stark reduzierter Qualität angezeigt, so dass sie in dieser Besprechung nicht berücksichtigt wurden. Umschlag und Klappentexte fehlen gänzlich. Da jede Seite des PDFs diagonal mit einem Wasserzeichen durchzogen ist, kann ein etwaiges Lesevergnügen ebenfalls nur sehr bedingt bewertet werden.
Richard Hölzl