Jens Hofmann: Subventionierte Hegemonie. Die Offset-Abkommen als bilaterales Instrument währungspolitischer Kooperation zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA (19601976) (= Historische Grundlagen der Moderne; Bd. 23), Baden-Baden: NOMOS 2022, 481 S., ISBN 978-3-8487-8440-0, EUR 109,00
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Die Auseinandersetzung über den deutschen Verteidigungsetat ist nicht neu. Auch nicht die Frage, wo die Bundesrepublik Rüstungsgüter einkauft. Zuletzt wurde die Entscheidung zum Ankauf von 35 sehr teuren und zahlreiche Folgeaufträge mit sich bringenden F-35A Kampflugzeugen in den USA hierzulande kritisch diskutiert. Im Kalten Krieg verpflichteten die Amerikaner die Bundesrepublik Deutschland, umfangreiche Rüstungsgüter in den USA zu erwerben. Denn die über 200.000 US-Soldaten, die in der Hochzeit des Kalten Krieges in der Bundesrepublik stationiert waren, brachten eine zusätzliche Belastung der Zahlungsbilanz der USA mit sich, stand die internationale Leitwährung des Dollars, für welche die Amerikaner in Bretton Woods 1944 die Gold-Konvertibilität zugesagt hatten, doch schon durch die sich seit 1958 negativ entwickelnde Zahlungsbilanz unter Druck. Zum Ausgleich - Offset - schlossen die Amerikaner mit der Bundesrepublik zwischen 1961 und 1974 acht Abkommen, in deren Folge die Bundesrepublik Rüstungsgüter und amerikanische Staatsanleihen in einer Gesamthöhe von 40 Milliarden DM kaufte.
Diese Geschichte arbeitet Jens Hofmann in seiner Heidelberger Dissertation nun, nicht als erster [1], aber sehr umfassend auf, wobei ihm die erneute Klassifizierung wichtiger Bestände in den National Archives nach 9/11 die Arbeit erschwerte, während er die Deklassifizierungspraxis des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes sehr lobt.
Hofmann schreibt eine "außenwirtschaftspolitische Diplomatiegeschichte bzw. eine Geschichte der Politischeren Ökonomie der deutsch-amerikanischen Sicherheitsbeziehungen während des Kalten Krieges" (23). Überraschender als seine etwas umständlich begründete Feststellung, dass die USA der politische, ökonomische und kulturelle Hegemon in den deutsch-amerikanischen Beziehungen war, sind eine Reihe Thesen, zu denen Hofmann auf Grundlage intensiven Quellenstudiums gelangt. Zunächst hatte die Sicherheitspolitik immer das Primat über die Finanzpolitik, selbst in Zeiten der Erosion des Bretton-Woods-Systems und der französischen - nicht bundesdeutschen, wie es ein Teil der Forschung behauptet hat - Attacken auf die Leitwährung des US-Dollars. Das Scheitern und Ende von Bretton Woods lastet Hofmann ganz der Währungspolitik der USA an.
Die deutschen Rüstungsaufträge wurden im Zuge von Offset tatsächlich, so der Autor, in die USA zuungunsten Frankreichs und Großbritanniens verlagert. Die deutsche Politik hatte das Abkommen zunächst unterschätzt und wurde dann von der weitgehenden Intransigenz der Administrationen von Kennedy und Johnson überrascht, die auf Einhaltung des Abkommens pochten. Den Anteil von Erhards "Freund" - so die Erhard'sche Wahrnehmung - Lyndon B. Johnson am Sturz des Adenauer-Nachfolgers 1966 aufgrund der fehlenden Konzilianz hinsichtlich eines Offset-Moratoriums veranschlagt Hofmann jedoch eher gering; letztlich sollen innenpolitische Gründe für den Sturz Erhards verantwortlich gewesen sein.
Erst Bundeskanzler Helmut Schmidt gelang es, nicht unbedingt im Einvernehmen mit Präsident Gerald Ford, Offset zu beenden, wobei die verbesserte US-Zahlungsbilanz und die verschlechterte deutsche den Hintergrund bildeten. Es zeigten sich damit aber auch eine gewisse Emanzipation der Bundesrepublik von der übermächtigen Schutzmacht und neue Handlungsräume für die bundesdeutsche Außenpolitik.
Zu Recht weist der Autor darauf hin, dass Offset in den deutschen Medien häufig als Entrichtung von Stationierungs- oder gar Besatzungskosten verstanden wurde. Diese wichtige mediale Rahmung des Themas und der transatlantischen Beziehungen vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen "Regierungsatlantikern" und "Regierungsgaullisten" bleibt in der Tradition klassischer Geschichtsschreibung der internationalen Beziehungen etwas unterbelichtet. [2] Insgesamt hat der Autor aber eine sehr fleißige und präzise Arbeit zur transatlantischen Geschichte im Kalten Krieg vorgelegt, der leider ein Namensregister fehlt. Auch sind 109 Euro für ein nicht bebildertes broschiertes Buch überteuert, was aber natürlich dem Verfasser nicht anzulasten ist.
Anmerkungen:
[1] Vgl. besonders Francis J. Gavin: Gold, Dollars, and Power: The Politics of International Monetary Relations, 1958-1971, Chapel Hill 2004; Harald Rosenbach: Der Preis der Freiheit. Die deutsch-amerikanischen Verhandlungen über den Devisenausgleich (1961-1967), in: VfZ 46 (1998), 709-746; Hubert Zimmermann: Money and Security. Troops and Monetary Policy in Germany's Relations to the United States and the United Kingdom, 1950-71, Cambridge 2002.
[2] Zur Begrifflichkeit vgl. Peter Hoeres: Außenpolitik und Öffentlichkeit. Massenmedien, Meinungsforschung und Arkanpolitik in den deutsch-amerikanischen Beziehungen von Erhard bis Brandt (= Studien zur Internationalen Geschichte Bd. 32), München 2013, 85; zu Offset dort 126-128, 218f., 233-255, 303-305.
Peter Hoeres