Daniele Edigati / Lorenzo Tanzini (a cura di): Il Comune dopo il Comune. Le istituzioni municipali in Toscana (secoli XV-XVIII). Atti della giornata di studi Montevarchi, 22 maggio 2021 (= Biblioteca Storica Toscana; LXXXII), Florenz: Leo S. Olschki 2022, VII + 183 S., 1 Kt., 5 Farbabb., ISBN 978-88-222-6836-5, EUR 30,00
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"Il Comune dopo il Comune" - das rhetorische Paradox des Titels weckt bei Forscher:innen, die sich mit der Geschichte Italiens beschäftigen, große Erwartungen. Zielt er doch auf eine Forschungslücke, die sich zum Ende des Zeitalters der mittelalterlichen Kommune und der gleichzeitigen Entwicklung der städtischen Signorien zu regionalen und überregionalen Fürstentümern auftut. Das kommunale Ordnungsmodell, so das risorgimental geprägte Forschungsparadigma, wurde seit dem späten 13. Jahrhundert durch die sich verstetigende Vormacht einzelner Familien und Personen von innen ausgehöhlt. Zwar blieb die kommunale Verfassung noch einige Zeit die politische Hülle, in der sich die Signori bewegten, spätestens aber als die Stadtherren zu dynastischen, territorialen Landesherren geworden waren, verschwand die Kommune aus der Geschichte. Dieses Forschungsmodell führte, obwohl bereits früh hinterfragt, zu einem weitgehenden Desinteresse an den auch in den Territorialherrschaften des Ancien Régime weiterbestehenden kommunalen Verwaltungsstrukturen und Traditionen.
Hier nun setzte ein zwischen 2020 und 2021 finanziertes Forschungsprojekt ein, das die durchaus vorhandenen institutionellen Kontinuitäten und die kulturelle, legitimatorische und intellektuelle Vereinnahmung der mittelalterlichen Kommune in den nord- und mittelitalienischen Städten zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert in den Blick nahm. Der vorgestellte Tagungsband ist die erste Publikation, die aus diesem Vorhaben hervorgegangen ist. [1] Der räumliche Fokus liegt auf der Toskana, der thematische auf dem Fortleben der städtischen Institutionen und Verwaltungsorgane, wie Lorenzo Tanzini im Vorwort (V-VII) erklärt. Hierzu versammelt der Sammelband Einzelstudien zu vielen größeren Gemeinden, die der Republik Florenz oder dem daraus hervorgehenden (Groß-)Herzogtum Toskana angehörten - mit Ausnahme der Stadt Florenz, aber unter Einbeziehung Luccas, einer Kommune, die ihre Autonomie bis in die napoleonische Zeit bewahren konnte.
Den lokalen Untersuchungen vorangestellt wurde ein differenzierter und sehr lesenswerter wissenschaftsgeschichtlicher Abriss von Luca Mannori (1-24). Er präsentiert, nach einer allgemeinen Einordnung, die durchaus vorhandenen Studien, die seit den 1970er Jahren zu den oft kollaborativen Beziehungen zwischen den toskanischen Städten und der Zentralmacht erschienen und Teil der historiographischen 'Erfindung' des stato regionale wurden. [2]
Die Erkenntnisse der durch Mannori vorgestellten Forschungen belegen auch die folgenden Studien, auch wenn der Fokus der Beiträge trotz dezidiert formuliertem Fragekatalog (VI f.) variiert. Zwar versuchen bis auf eine Ausnahme alle Artikel die institutionellen und personellen Strukturen und die Handlungsspielräume der von ihnen untersuchten Kommunen in synthetisierender Form darzustellen, ergänzt durch kulturelle, religiöse oder dokumentarische Aspekte, die große Varianz bei der Inkorporierung der einzelnen Stadtgemeinden in das florentinische Herrschaftsgebilde führt jedoch zu sehr unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen und Ergebnissen.
So lässt die umfassende Überblicksdarstellung von Mario Ascheri zu Siena (25-52) die großen Freiräume der frühneuzeitlichen Stadtregierung erkennen, da die Stadt ihre Zentralfunktion als Hauptort des Stato nuovo auch nach der Unterwerfung unter Cosimo I. im Jahr 1555 beibehielt. Pisa hingegen, dies zeigt Alessandro Lo Bartolo, verlor einen Großteil seiner Autonomie nach der Eroberung 1406 (121-143). Carlo Vivoli kann für Pistoia die Rolle des alten kommunalen Contados als ein für die pistoiesischen Eliten nicht diskutables politisches und identitätsstiftendes Element hervorheben (69-90), während Arezzo zur gleichen Zeit der unmittelbare Zugriff auf den Contado entzogen wurde (Luca Berti, 53-67). Für Prato hebt Diana Toccafondi dagegen die gemeinschaftliche karitativ-religiöse Fürsorge als größte Konstante der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Entwicklung des castrum hervor (145-161). Einen anderen Ansatz verfolgt Matteo Giuli, der seine Forschungen auf eine einzige, besonders langlebige städtische Magistratur in Lucca konzentriert, die zeigt, wie stark sich die Stadtrepublik auch im Untersuchungszeitraum über das Ideal der mittelalterlichen libertas definierte (91-119).
Etwas bedauerlich ist, dass im Fragekatalog der Herausgeber ein Aspekt fehlt, der in Bezug auf die aufgeworfene Fragestellung vielversprechend hätte sein können: Keiner der Beiträge thematisiert, was aus den vielfältigen autonomen Außenbeziehungen der mittelalterlichen Kommunen wurde, die nicht nur zu benachbarten und weiter entfernten Gemeinden und Familien rege Verbindungen unterhielten, sondern auch zu den beiden Universalgewalten. Es ist kaum vorstellbar, dass diese Verbindungen komplett durch die neue Territorialherrschaft absorbiert wurden - eine Hypothese, die auch Carlo Vivoli nebenbei aufwirft, der bemerkt, dass die Karrierebestrebungen der Eliten in Pistoia eher auf die Kurie in Rom als auf den Hof in Florenz gerichtet waren (81).
Allen Beiträgen ist gemein, dass sie bislang wenig untersuchte Aspekte der jeweiligen Stadtgeschichte erhellen und dabei zu wichtigen Ergebnissen kommen, auch wenn einige der Artikel eine recht hohe Selbstreferenzialität aufweisen (was wiederum durch die eingangs postulierten Forschungslücken erklärt werden kann). Die sehr unterschiedlichen politischen Realitäten in den untersuchten Städten erschweren es jedoch, Gemeinsamkeiten zu finden, wie auch Daniele Edigati in seiner Zusammenfassung (163-174) hervorhebt. Edigati selbst skizziert aber dann doch einige stadtübergreifende Entwicklungen, die aus den Beiträgen weniger explizit hervorstechen (etwa im Bereich der städtischen Gesetzgebung oder der Wahlmechanismen). Beim Lesen der Einzelstudien lässt sich ein gemeinsames Charakteristikum am ehesten noch in der Verengung der städtischen Oberschichten mit exklusivem Zugang zu kommunalen Regierungsämtern erkennen. Die Kontrolle und Einschränkung sozialer Mobilität, die meist in den Händen des Patriziats selbst lag, stellte, wie Luca Berti konstatiert (64), eine bedeutende institutionelle Macht dar, die dem Souverän in einigen Städten komplett oder doch weitgehend entzogen war. Die Ausbildung eines abgeschlossenen Patriziats ist jedoch keine Eigenheit der italienischen Städte, sondern lässt sich vielerorts in Europa beobachten. Der Sammelband lässt damit all jene etwas ratlos zurück, die sich eine klare und umfassende Antwort auf die Frage erhofft hatten, was aus der italienischen Kommune nach dem Ende der italienischen Kommune wurde.
Aber auch das Fehlen einer Antwort ist eine Erkenntnis und so zeichnet der Tagungsband ein anschauliches Bild des höchst elastischen toskanischen Regionalstaats der Frühen Neuzeit und seiner lokalen Diversität, bietet umfassende Panoramen verschiedener kommunaler Ordnungen zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert und bestätigt nicht zuletzt ein einflussreiches Diktum des Mediävisten Gioacchino Volpe: "Il Comune presenta forme svariatissime che non si possono ricondurre l'una all'altra" [3] - dies gilt, wie der Tagungsband eindrucksvoll zeigt, auch für die Kommune nach der Kommune.
Anmerkungen:
[1] 'Il comune dopo il comune'. Continuità istituzionale e vitalità culturale del modello comunale nell'Italia di Antico Regime. Ein weiterer Sammelband aus dem Projekt erschien 2023: Gian Maria Varanini (a cura di): Rituali civici e continuità istituzionale nelle città italiane in età moderna (= Deputazione di Storia patria per le Venezie, Studi, 11), Roma 2023.
[2] Es sei pars pro toto auf die zahlreichen Publikationen von Giorgio Chittolini oder Elena Fasano Guarini verwiesen.
[3] Gioacchino Volpe: Questioni fondamentali sull'origine e svolgimento dei comuni italiani (secoli X-XIV), Pisa 1904; Nachdruck in ders.: Medio evo italiano (= Biblioteca storica Sansoni, 38), Firenze 1961, 85-118, hier 95.
Christina Abel