Andreas Schott: Adam von Trott zu Solz: Jurist im Widerstand. Verfassungsrechtliche und staatspolitische Auffassungen im Kreisauer Kreis (= Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft. Neue Folge; Bd. 96), Paderborn: Ferdinand Schöningh 2001, 229 S., ISBN 978-3-506-73397-9, EUR 25,40
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Bei der von Andreas Schott vorgelegten Arbeit handelt es sich um seine Dissertation, die im Jahre 2000 von der Universität Hamburg angenommen wurde. Sie schließt eine Reihe von Dissertationen über Juristen im Kreisauer Kreis (Hans Peters, Paulus van Husen, Hans Lukaschek und Helmuth James Graf von Moltke) ab. Dem Autor ging es ausdrücklich nicht darum, eine noch ausstehende Biografie von Adam von Trott zu Solz zu verfassen - wie es das flüchtige Überlesen des Buchtitels zunächst vermuten lässt. Seine Absicht ist es vielmehr, herauszuarbeiten, aus welcher Rechtsauffassung von Trotts Opposition zum NS-Staat entsprang. Schott zielt auf die Frage, welchen Anteil die Vorstellungen des Adam von Trott zu Solz an der innerhalb des Kreisauer Kreises formulierten Neukonzeption eines deutschen Staates jenseits des "Dritten Reiches" hatten.
Andreas Schott sah sich dabei in der misslichen Lage, dass die Quellen zu seiner Fragestellung nicht als sonderlich ergiebig zu bezeichnen sind. Wesentliche Teile nachgelassener Schriften (Aufsätze, Berichte, Briefe, Studienunterlagen) befinden sich im Bundesarchiv, kleinere in der Balliol College Library Oxford und im Rhodes House Archiv, ebenfalls Oxford. Es zeigte sich, "dass die schriftlichen Hinterlassenschaften nicht frei von Widersprüchen sind und vielfach klare Positionen vermissen lassen" (7 und im gleichen Sinne wieder 195).
Bei der Annäherung an das Thema kam der Autor deswegen nicht ohne biografische Skizze aus. Sie beleuchtet die soziale Herkunft aus einem Adelsgeschlecht in Nordhessen mit internationalen Verbindungen, die Ausbildung, das Jura-Studium in Göttingen, Berlin und Oxford und die auffällig lange Unentschiedenheit zwischen einer Karriere in der Wissenschaft oder in der Politik. Schließlich wird die Tätigkeit im Auswärtigen Amt und die Mitarbeit im Kreisauer Kreis sowie die Beteiligung an dem versuchten Staatsstreich vom 20. Juli 1944 kurz umrissen.
Der zweite Weg der Annäherung führt über Texte aus der Studien- und Berufsfindungszeit. Schritt für Schritt klopft Andreas Schott alle überlieferten Manuskripte und Publikationen auf philosophische, staats- und gesellschaftspolitische Einflüsse ab. Besonders wichtig ist Schott der Hinweis, dass aus der intensiven Beschäftigung mit der Hegelschen Philosophie (Titel der Dissertation: Hegels Staatsphilosophie und das internationale Recht) keineswegs die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass Adam von Trott sich staatsvergötternde Herrschaftslegitimationen zu eigen gemacht habe. Dies wäre als Missverständnis einer der Gründe gewesen, warum anglo-amerikanische Journalisten, Politiker und Regierungsvertreter von Trott zu Solz als Vertreter einer deutschen Opposition misstrauten, gar der Spionage verdächtigten.
Im dritten Teil der Dissertation geht es um die Widerstandstätigkeit von Trotts innerhalb seines Dienstes in der Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes, seine Suche nach Kontakten zur Kriegsverhinderung beziehungsweise Kriegsbegrenzung und seine aktive Teilnahme an den Diskussionen innerhalb des Kreisauer Kreises.
Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass die Rolle von Trotts im Widerstand bislang unterschätzt wurde, insbesondere, was die Formulierung der europäischen und internationalen Dimensionen der Kreisauer Pläne betrifft. Besonders stark ausgeprägt - so Schott - war seine Übereinstimmung mit der Vereinbarung, dass eine Wiederherstellung des Rechtsstaates mit einer starken Betonung der Rechte der Individuen (sofern männlichen Geschlechtes!) Bedingung eines jeden Neuanfanges sein müsse. Die aktive Teilnahme an Tyrannenmord und Staatsstreich war für von Trott schließlich Voraussetzung zur Beendigung der Diktatur - am 20. Juli 1944 stand er bereit, für die Übergangsregierung die Aufgaben eines Staatssekretärs im Auswärtigen Amt zu übernehmen.
Andreas Schott benutzt die vorhandenen Quellen zur Person Adam von Trott zu Solz und wertet sie nach wissenschaftlichen Kriterien aus. Mangelnden Aufwand kann man ihm nicht vorwerfen. Trotzdem verrät die Fleißarbeit keinen Funken Leidenschaft für das Thema. Der Schreibstil ist einer Dissertation vielleicht angemessen, bei der Buchveröffentlichung wird er allerdings eher dafür sorgen, dass das Werk gewiss nicht sehr viele Leserinnen und Leser begeistern kann.
Das liegt zum einen daran, dass der Mensch Adam von Trott zu Solz kaum erkennbar wird. Über seine Widersprüchlichkeiten wird hinweggegangen. Wie kommt es nur, dass von Trott immer da, wo seine intellektuellen Leistungen bewertet werden, im Mittelfeld bleibt, wo er sich selber stets als brillant einstuft? Dass die postum befragten Bekannten und Freunde den Ermordeten ausschließlich positiv sahen, ist aus Gründen der Pietät nur zu verständlich, bedarf aber der Nachfrage des Wissenschaftlers. Wieso scheitert er immer wieder mit seinen Projekten - trotz weitreichender Verbindungen und der entsprechenden Patronage? Eigenartig ist auch, in welcher Form über die Eheschließung mit der Tochter eines Hamburger Rechtsanwaltes im Jahre 1939 und das weitere Eheleben berichtet wird. Die Trauung erfolgte zeitgleich mit dem Eintritt von Trotts in den Staatsdienst. Mit diesem Schritt hatte er sich entschlossen, formal als Mitglied der NSDAP für das NS-Regime zu arbeiten. Diese Position sollte seine Tätigkeit im Widerstand ermöglichen und tarnen. Kein Wort darüber, ob das Paar eine Übereinkunft darüber hatte, dass der Ehemann Risiken einging, die nicht nur ihn allein betrafen. Die Rolle Clarita von Trotts wird formelhaft als vermutliche "ständige und notwendige Kraftquelle" (41) umrissen.
Bei der Suche nach den ideologischen Vorstellungen teilt die Leserin bald die Verwirrung des Autors, der schließlich erkennen muss, dass er nur mit relativ vagen Hinweisen, "Ansatzpunkten und Indizien" arbeiten kann. "Festgefügte Standpunkte oder Gesamtkonzeptionen" sind nicht zu erkennen (192). Leider erweist sich damit, trotz aller Hilfskonstruktionen, die Fragestellung der Dissertation als nicht eindeutig beantwortbar - vielleicht sogar als unsinnig. Es wäre ein nahe liegender Gedanke, dass die gemeinsam formulierten Vorstellungen des Kreisauer Kreises eventuell gar nicht durch den bestimmenden Einfluss einzelner Persönlichkeiten zu Stande kamen. Die These, dass sich in der Redaktion Leute zusammenfanden, die schon vorher eine relativ homogene Gruppe gleicher Grundansichten waren, ist mindestens ebenso prüfberechtigt. Unter Umständen wirkte ein ähnlicher sozialer Hintergrund eher unausgesprochen bestimmend. Auch Schott sieht, dass bei den Aussagen zur Bodenreform die Interessen der (adligen) Großgrundbesitzer eine tatsächliche Reform ausschlossen (165). Vergleichbares gilt bei den von Schott hervorgehobenen europäischen und internationalen Aspekten: es mag eine Rolle gespielt haben, dass der Adel eine quasi natürliche Internationalität besaß.
Trotz der Schwäche dieser Arbeit könnten sich für Historikerinnen und Historiker aber auch vor dem Hintergrund der rechtswissenschaftlichen Dissertationen über die Protagonistinnen und Protagonisten des Kreisauer Kreises durchaus neue Fragestellungen ergeben. Ich fände zum Beispiel eine Gruppenbiografie der Juristen im Kreisauer Kreis im Vergleich mit einer Gruppenbiografie von NS-Karrierejuristen ausgesprochen spannend.
Ingrid Schupetta