Iva Rosario: Art and Propaganda : Charles IV of Bohemia, 1346-1378, Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2001, 173 S., 35 Farb-, 11 s/w-Abb., ISBN 978-0-85115-787-0, USD 75,00
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Angesichts der Fülle von Publikationen, die sich mit den künstlerischen Vorhaben Karls IV. befassen, wird man eine Synthese wie die vorliegende in der Hoffnung zur Hand nehmen, dort ein neues Deutungsschema oder wenigstens neue Hypothesen zum Kunstschaffen in jener Epoche zu finden. Das ist nicht der Fall - und dennoch ist dieses Buch exzellent. Der Grund dafür liegt darin, dass die Autorin weniger und mehr zugleich bietet: Sie untersucht die Aussagekraft eines bestimmten Bildgenres - der Porträts Karls IV. - und enthüllt damit die Polyvalenz von Kunstwerken im politischen Raum an einem signifikanten Beispiel.
Die Studie umfasst 15 Kapitel, dazu Einleitung und Schlusswort. Materieller Ausgangspunkt ist ein Fundus von etwa 60 Bildporträts zu Karl IV. in Böhmen und im übrigen Europa, von denen mehr als die Hälfte noch zu Lebzeiten des Königs entstanden sind (auf eigene Anregung oder der hoher Hofmitglieder). Methodischer Ausgangspunkt ist die Annahme, dass diese Bildnisse die "ideology of rule" Karls widerspiegeln können, weil sie ein politisches Programm transportieren, genauer: Karls Vorstellung von Königtum und sein Bestreben, sich zu legitimieren und sein Ansehen zu erhöhen (XV f.). Bekanntlich war Karls Startposition in Böhmen nicht gerade günstig, musste er doch gegen den Widerstand der Magnaten erst einmal die Prärogative in politicis für den Monarchen zurückgewinnen. Aus dieser Sicht dürfte es tatsächlich vorteilhaft gewesen sein, dass Karl während seiner Zeit am Pariser Hof die bereits seit alters bekannten Herrschaftsmittel der Monarchie in bewusster Anwendung erleben konnte: die Sakralität des Königtums, die Zurückbindung an einen heiligen Spitzenahn, die Betonung der dynastischen Kontinuität und die (zweckgebundene) Unterstützung der Kirche. Es hat den Anschein, als ob Karl dies alles in Böhmen zu einer (jedenfalls in diesem östlichen Teil Europas) noch nicht da gewesenen Blüte geführt und für seine Herrschaft dienstbar gemacht hätte.
Iva Rosario bietet in ihrem Kapitel zu Karl als Kunstpatron in Böhmen einen Durchgang durch die Kunstwerke, der gleichzeitig die enge Anlehnung an die Tradition der letzten Přemysliden wie die Glorifikation der Luxemburger offenbart (7-13). Eine besondere Rolle kommt zweifellos der Burg Karlstein zu, die allein neun Porträts beziehungsweise Krypto-Porträts Karls beherbergt. Die Autorin ordnet sie in den Kontext der Reliquiensammlung und der Architektur des Gebäudes ein und kann so die "imperiale Idee" in diesem medialen Sektor genauer fassen: etwa in Form der Stilisierung des heiligen Wenzel als des idealen Herrschers, für dessen Erscheinen am Hof in Regensburg Karl - zu erkennen in einem Krypto-Porträt - einen Zeugen abgibt (Freskomalerei im Treppenhaus des Großen Turms, Abbildung 15). Auch wenn die Genealogie der Luxemburger-Dynastie im Eingangsbereich von Burg Karlstein in der Renaissance zerstört wurde, ist dennoch auszumachen, dass sich Karl IV. bei der Propagierung des Kaisertums auch auf Karl den Großen stützte.
Aber der Luxemburger ging noch weiter: Wenn er sich selbst im Altarbild seines Oratoriums in unmittelbaren physischen Kontakt mit Jesus Christus und Königin Anna mit der Gottesmutter bringt, dann deutet das die Reichweite des Herrschaftsanspruchs an. Dazu passt sowohl die Stilisierung als neuer Kaiser Augustus wie auch die als einer der Heiligen Drei Könige (Passionskapelle Karlstein, Abbildung 18). Es war dies die bildnerische Umsetzung des im 14. Jahrhundert gängigen politischen Programms, dass die Kaiserwürde prinzipiell göttlich sanktioniert und unabhängig von der päpstlichen Approbation sei. Karl sah sich offenbar in der Tradition Konstantins des Großen - wofür das Doppelporträt im Oratorium (zusammen mit seiner Gemahlin Anna von Schweidnitz, Abbildung 14) steht. Und genau hier wird auch ersichtlich, wie weit Karl von bloßer Imitation entfernt war: Das in der Bildmitte befindliche Kreuz war nicht das kaiserliche, sondern das böhmische Reliquienkreuz; zudem sind die Gesichter nicht frontal, sondern im Profil ausgeführt.
Die Autorin kann aus all dem glaubhaft ableiten (44 ff.), dass Karl hier seinen Triumph nach Erlangen der Kaiserkrone zelebrierte und dabei auch seine Vorstellung vom "wahren Kreuz" fixierte. Dabei spielten die Heiligen naturgemäß eine herausragende Rolle, und Karl knüpfte ein ganzes Netz von Bezugsfäden zu Wenzel, Veit und Adalbert, das sich in den Porträtdarstellungen in Karlstein, im Veitsdom, auf dem Krönungsweg durch Prag und anderswo reflektiert.
Arbeitsweise und Ertrag des Buches lassen sich etwa an dem Kapitel exemplifizieren, das Karl als rex et sacerdos gewidmet ist (96-102): Nach einer ideengeschichtlichen Einleitung zur Bedeutung der Figur des Melchisedech für das mittelalterliche Kaisertum und zum Gehalt der Krönungsliturgie zeigt Rosario an den erhaltenen Bildzeugnissen (kaiserliches Siegel, verschiedene Porträts in Karlstein), wie Karl sich dieses Muster zu Eigen machte. Die Darstellung befindet sich dabei in stetiger Diskussion mit der einschlägigen Forschungsliteratur, und als Parallelzeugnisse werden auch Stellen aus der zeitgenössischen Hof-Historiographie mit herangezogen.
Der entscheidende, über die bisherigen Abhandlungen hinausgehende Beitrag besteht darin, dass die Autorin Querverweise auf andere Interpretationsmöglichkeiten derselben Bildquellen eröffnet. Im vorliegenden Fall sind dies besonders die genealogische Idee (wo der priesterliche Monarch Karl mit dem heiligen Wenzel als Ahn verbunden wird) und die imperiale Idee (wo Karl in die Anbetung der Magier eingebunden ist). Hier bewährt sich das Gliederungsschema der Arbeit, das nicht primär nach Kunstobjekten ausgerichtet ist, sondern nach den verschiedenen Erscheinungsformen des herrscherlichen Programms, das Karl über das Medium des Autoporträts propagierte.
So ist diese als Dissertation an der Universität Melbourne entstandene Arbeit nicht nur als kenntnisreiche Diskussion vor allem der tschechischen (und deutschen) Forschung zum engeren Thema zu lesen, sondern auch als eigenständiger Beitrag zur politischen Ideengeschichte, wie sie von der anglo-amerikanischen Forschung seit Kantorowicz so anregend betrieben wird.
Thomas Wünsch