Rezension über:

Marcin Zaremba: Komunizm, legitymizacja, nacjonalizm. Nacjonalistyczna legitymizacja władzy komunistycznej w Polsce. [Kommunismus, Legitimierung, Nationalismus. Die nationalistische Legitimierung der kommunistischen Machthaber in Polen] (= W krainie PRL), Warszawa: Wydawnictwo TRIO 2001, 428 S., ISBN 978-8388542114
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Rezension von:
Klaus-Peter Friedrich
Herder-Institut, Marburg
Redaktionelle Betreuung:
Winfried Irgang
Empfohlene Zitierweise:
Klaus-Peter Friedrich: Rezension von: Marcin Zaremba: Komunizm, legitymizacja, nacjonalizm. Nacjonalistyczna legitymizacja władzy komunistycznej w Polsce. [Kommunismus, Legitimierung, Nationalismus. Die nationalistische Legitimierung der kommunistischen Machthaber in Polen], Warszawa: Wydawnictwo TRIO 2001, in: sehepunkte 2 (2002), Nr. 10 [15.10.2002], URL: https://www.sehepunkte.de
/2002/10/3260.html


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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.

Marcin Zaremba: Komunizm, legitymizacja, nacjonalizm. Nacjonalistyczna legitymizacja władzy komunistycznej w Polsce

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Marcin Zaremba verbindet in seiner an der Universität Warschau entstandenen Dissertation die Nachzeichnung des Versuchs der polnischen Kommunisten, ihren Machtanspruch mit Elementen einer polnischen nationalistischen Ideologie zu begründen, mit politologischen Erklärungsansätzen. Eingangs stellt er den theoretischen Kontext der Studie vor. In Anlehnung an einschlägige amerikanische und deutsche Standardwerke werden die Begriffe Legitimierung, Nationalismus und "nationalistische Legitimierung der politischen Machtausübung" definiert. Letztere zeige sich - verkürzt - in einer positiven Bewertung der ethnisch als "zu uns gehörig" empfundenen Machthaber und ihres im Sinne des Staatsinteresses richtigen politischen Handelns, wobei sie für ein nationales Wertesystem stehe, also die von der Allgemeinheit anerkannten nationalen Symbole, Mythen und Helden, wie auch überhaupt das gemeinsame historische und Kulturerbe sich auf spezifische Weise zu Eigen mache (30).

Der Verfasser schildert sodann den holprigen Weg der polnischen Kommunisten vom Luxemburgschen Internationalismus zu einem - in der Mitte der 1930er-Jahre - bekennenden Patriotismus, und er stellt nach dieser Einführung seine Leitthese vor: Der Nationalismus wurde von den Herrschenden der Volksrepublik Polen als ein tragfähiges, wirksames und damit unerlässliches "Argument" angesehen, das der Ablehnung des Regimes mit der Begründung, es sei der polnischen Gesellschaft "fremd", entgegenwirken sollte (81). Seine These verfolgt der Verfasser durch eine überzeugende Aufbereitung umfangreicher Aktenbestände (vor allem aus dem ehemaligen Archiv des ZK der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei [PZPR]), vertiefende Einblicke in Pressematerialien und die Heranziehung der einschlägigen Forschungs- und Erinnerungsliteratur - hin zu einem klaren Schlusswort, das gut begründet, ja unausweichlich ist.

Im zweiten Teil beschreibt Zaremba kurz die Instrumentalisierung nationalistischer Losungen in der politischen Machtergreifungsstrategie der polnischen Kommunisten von der Gründung der Polnischen Arbeiterpartei (PPR) 1942 bis zum Jahr 1944. Unter Einsatz von exzessiv verwendeten Begriffen wie Volk (naród), Polen oder polnisch versuchten sie, das Klischee vom "Judenkommunismus (żydokomuna)" zu bekämpfen. Während die Kommunisten bei der rechten Nationaldemokratie Anleihen machten, erhoben sie nun gegenüber nahezu allen Gruppen des nicht kommunistischen Widerstands einen demagogischen Faschismus-Vorwurf und unterstellten ihnen, sie stünden mit den deutschen Besatzern im Bunde. Die nationalistische Legitimierung stellte damit - so Zaremba - die einzige Rechtfertigung für den Herrschaftsanspruch der Kommunisten dar. Freilich bedeutete der dem sowjetrussischen Vorbild nacheifernde Bezug auf die ethnischen Bande für die Mehrheit der PPR-Führungsriege - wie der Verfasser mutmaßt - zunächst ein bloß taktisches Zugeständnis (127).

Zwischen 1945 und 1947, in der Anfangsphase der Volksrepublik, wurde der Herrschaftsanspruch durch weitere Elemente aus dem nationaldemokratischen Arsenal bereichert, von der Schürung deutschfeindlicher Ressentiments über die Nutzbarmachung einer religiösen Verbrämung von nationalen Feiern und historischen Jahrestagen bis hin zu einer biologistisch-metaphorischen Auffassung des Volkskörpers. Mit der Kampagne um die Volksabstimmung am 30. Juni 1946, in der die Kommunisten mittelbar für das Projekt eines polnischen Staates ohne nationale Minderheiten um Unterstützung warben, erreichte die nationalistische Agitation ihren Höhepunkt. Andere Legitimierungsmomente traten danach stärker in den Vordergrund: die Befreiung Polens durch die Rote Armee, Tatkraft und Kompetenz beim Wiederaufbau des Landes, die Schaffung einer "demokratischen" Gesellschaftsordnung und insbesondere die mit Macht vorangetriebene Bodenreform.

Nach dem Wendejahr 1947 gingen die Machthaber in der stalinistischen Periode vom nationalistischen Argument zeitweilig ab, ja sie 'säuberten' die eigenen Reihen von Mitstreitern, denen vorgeworfen wurde, dass sie dem sowjetischen Herrschaftsmodell mit Vorbehalten gegenüberstünden. Das Regime legitimierte sich durch die von ihm initiierte Revolution (190). Parallel zu den 'antikosmopolitischen' antijüdischen Prozessen in der Sowjetunion Anfang der 1950er-Jahre erstarkte jedoch - teils unter Zuhilfenahme rassistischer Metaphern (208) - auch in Polen das ethno-nationalistische Argument; mit Władysław Gomułkas Machtübernahme setzte es sich dauerhaft durch. War dieser 1948 mit seinem Vorhaben, die kommunistische Partei im Sinne eines 'polnischen Weges zum Sozialismus' zu 'polonisieren' - das heißt den Einfluss von Kommunisten jüdischer Herkunft zurückzudrängen - gescheitert (186 f), so standen seine letzten Jahre an der Macht seit 1967 unter dem Zeichen einer üblen antijüdischen Campagne, mit der das Regime die Gesellschaft erneut hinter sich zu einen vermochte. Die beiden folgenden Abschnitte widmen sich dann der Benutzung des nationalistischen Arguments im Jahrzehnt Edward Giereks und schließlich, in einem Epilog, in den unruhigen 1980er-Jahren unter dem Jaruzelski-Regime.

Am Ende seiner in der verdienstvollen zeitgeschichtlichen Reihe des Instituts für Politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften erschienenen Untersuchung gelangt Zaremba zu einem vernichtenden Urteil über die politische Strategie der polnischen Kommunisten: Sie, die offiziell den proletarischen Internationalismus verkündeten, hätten - besonders unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg und im Jahr 1968 - ihre Politik nur deswegen "auf die niedrigsten Instinkte der Massen gegründet, um in ihren Augen endlich als polnische Repräsentanten und 'zu uns Gehörige' anerkannt zu werden. In dieser Frage erinnerten sie an die extremsten Flügel der Rechten der Vorkriegsjahre. Der Nationalismus nach Art der polnischen Kommunisten war [...] grob, fremden-, deutsch- und judenfeindlich, [...] nicht auf die Staatsbürgergesellschaft bezogen, schablonenhaft und aufdringlich instrumentell" (399 f).

Angesichts der von Zaremba selbst unterstrichenen Bedeutung des Zweiten Weltkrieges als Faktor nationalistischer Verhärtungen (121) drängt sich abschließend die Frage auf, ob die für die polnischen Kommunisten wahrhaft revolutionäre "nationalistische Legitimierung" nicht auch dann zum Zuge gekommen wäre, wenn sich die Polen nach 1944 für die einzige politische Alternative hätten entscheiden können. Die Polnische Bauernpartei (PSL) aber stand den Kommunisten in der Verwendung nationalistischer Argumente damals kaum nach, was sowohl die Zwangsaussiedlung beziehungsweise -assimilierung der ethnischen Minderheiten anging als auch den verklärenden Blick auf die Rolle Polens in den Jahren der nationalsozialistischen Besatzung. Darüber herrschte in der polnischen Nachkriegsgesellschaft ein breiter, nahezu alle politischen Lager übergreifender Konsens. Etwas zu kurz kommt daher die Frage, was von Zarembas Befunden tatsächlich der Strategie der Kommunisten anzulasten und was Ausdruck der allgemeinen politischen Stimmung gewesen ist.

Bibliografie und Personenregister beschließen die nicht nur von ihrem Forschungsansatz her richtungweisende Studie.


Klaus-Peter Friedrich