Arno Herzig: Konfession und Heilsgewissheit. Schlesien und die Grafschaft Glatz in der Frühen Neuzeit (= Religion in der Geschichte; Bd. 9), Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2002, 192 S., 15 Abb., 1 Karte, ISBN 978-3-89534-459-6, EUR 14,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
Hall Bjørnstad: The Dream of Absolutism. Louis XIV and the Logic of Modernity, Chicago: University of Chicago Press 2021
Georg Eckert / Carola Groppe / Ulrike Höroldt (Hgg.): Preußische Staatsmänner. Herkunft, Erziehung und Ausbildung, Karrieren, Dienstalltag und Weltbilder zwischen 1740 und 1806, Berlin: Duncker & Humblot 2023
Uta Motschmann (Hg.): Handbuch der Berliner Vereine und Gesellschaften 1786-1815, Berlin: De Gruyter 2015
Nachdem das polare Epochen- und Periodisierungsschema von (protestantischer) Reformation und (katholischer) Gegenreformation längst überholt und spätestens seit den 1970er-Jahren durch das Konzept einer sowohl im katholischen als auch im protestantischen Bereich "sachlich weitgehend und zeitlich einigermaßen parallel" stattfindenden Konfessionsbildung (Wolfgang Reinhard) beziehungsweise eines alle Bereiche von Staat und Gesellschaft prägenden Konfessionalisierungsprozesses (Heinz Schilling) abgelöst worden ist, fragt Arno Herzig in dem hier zu besprechenden Buch gleichsam nach der anderen Seite der Medaille, nämlich - bezogen auf Schlesien und die Grafschaft Glatz - nach der "konkreten Erfahrungswelt" des 'gemeinen Mannes', nach dessen "Wahrnehmung und Sinndeutung" dieses überaus komplexen, sich überlagernden und nicht selten widersprüchlichen Konfessionalisierungsvorgangs (7), in dem verschiedene religiös-theologische Modelle und "Heilsgewissheiten" miteinander konkurrierten.
Ausgehend von den besonderen konfessionellen und verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen des sich bi-konfessionell entwickelnden Schlesien und der anfangs eindeutig lutherisch dominierten, nach 1622 aber fast völlig re-katholisierten Grafschaft Glatz im Spannungsfeld zwischen den rasch sich ausbreitenden reformatorischen Bewegungen und alsbald sich konsolidierenden protestantischen Kirchentümern einerseits sowie der katholischen Landesherrschaft der Habsburger andererseits (13-36), schildert der Verfasser vier Lebens- und Erfahrungswelten, in denen sich der 'gemeine Mann' bis zum Ende des Konfessionellen Zeitalters wieder fand, welches sich in Schlesien bis zum preußischen Einmarsch 1740/41 (163 f.) erstreckte: "Widerstand und Exil" (37-78), "Kryptoprotestantismus und lutherische Tradition" (79-114), "Barockkatholizismus" (115-136) sowie "Außerhalb der Konfessionen: Die Juden" (137-162). Abgerundet wird die Studie durch den Abdruck eines Verhörprotokolls aus dem Jahr 1687 (165-173), ein Quellen- und Literaturverzeichnis (174-185) sowie ein Personen- und Ortsregister (186-192).
Trotz der faktenreichen, auf einer Vielzahl von Primärquellen beruhenden Ausführungen zum bäuerlichen Widerstands- und Protestverhalten, zur chronikalischen Überlieferung aus der Feder lutherischer beziehungsweise kryptoprotestantischer Autoren, darunter einfache Handwerker und Bauern, zu den verschiedenen Formen des Barockkatholizismus als wirkungsvollen Mitteln der Rekatholisierung sowie zu der rechtlich stets gefährdeten Situation der jüdischen Untertanen im Oderland gelingt es Herzig nur ansatzweise, die Lebenswelt des 'gemeinen Mannes' im untersuchten Zeitraum anschaulich werden zu lassen. Indem die Untersuchung in einer zwar vielfach interessanten, aber äußerlichen Deskription der konfessionellen Verhältnisse verharrt, ohne eine allgemeine Zusammenfassung der Ergebnisse zu liefern, bleibt der 'gemeine Mann' letztlich auch in dieser Studie Objekt und wird nicht, wie angekündigt, "Akteur seiner Geschichte" (S. 10).
Peter Mainka