Klaus Ziemer (Hg.): Schwierige Nachbarschaften. Die Ostpolitik der Staaten Ostmitteleuropas seit 1989 (= Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung; Bd. 14), Marburg: Herder-Institut 2001, 219 S., ISBN 978-3-87969-295-8, EUR 29,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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"Osten ist nicht gleich Osten" - so betitelt Klaus Ziemer seinen Beitrag über die Politik Polens gegenüber der Ukraine, Weißrussland und Litauen, so könnte aber auch das Motto für den gesamten Band lauten, der auf eine Tagung des Herder-Instituts und der Fachkommission für Wirtschafts- und Sozialwissenschaft sowie für Zeitgeschichte im Johann-Gottfried-Herder-Forschungsrat vom 29. November bis 1. Dezember 1998 in Eschwege zurückgeht. Wenn es - abgesehen vom Niedergang der Visegrád-Kooperation und vom "Wettlauf" um die besten Ausgangsbedingungen für den EU-Beitritt (Anneke Hudalla, August Pradetto; Karl von Delhaes) - noch eines weiteren Belegs für die gegenwärtig rasch voranschreitende Auffächerung und Pluralisierung der Region Ostmitteleuropa (historische Einführung von Hans Lemberg) bedurft hätte, dann ist die Politik gegenüber den östlichen Nachbarn ein exzellentes Beispiel.
Nur in Polen gibt es mit "polityka wschodnia" einen etablierten und verbreiteten Begriff in der Landessprache. Gleichzeitig ist Polen dasjenige mitteleuropäische Land, das die wohl aktivste Politik gegenüber seinen östlichen Nachbarn betreibt. Ein Grund hierfür ist sicher die Existenz polnischer Minderheitsbevölkerung im Osten, insbesondere in Litauen (Ekkehard Buchhofer). Eng damit verbunden ist das Bewusstsein eines gemeinsamen historischen Erbes, welches das demokratische Polen selbst mit innenpolitisch problematischen Nachbarn wie der Ukraine und Weißrussland intensive Beziehungen suchen lässt (Klaus Ziemer), während das polnisch-russische Verhältnis stärker von machtpolitischen Auseinandersetzungen um NATO, Kaliningrad und Wirtschaftsbeziehungen gekennzeichnet ist (Stefan Garsztecki). Keinen eigenständigen Begriff für die Ostpolitik gibt es dagegen in Tschechien - laut Jaroslav Valenta ist dies symptomatisch für die gegenwärtige tschechische Außenpolitik, die nicht nur aus ideologischen Gründen die Ostmärkte aufgegeben habe, sondern selbst gegenüber dem ehemaligen Föderationspartner Slowakei kein klares Konzept besitze. Auch in Ungarn ist das Wort "Ostpolitik" wenig gebräuchlich. Der außenpolitische Blick geht nach Westen, die Beziehungen zu den östlichen Nachbarn (vor allem Rumänien) erschöpfen sich überwiegend in der Klärung von Minderheitenfragen (László Póti, Kathrin Sitzler). Ostpolitik als Russlandpolitik ist schließlich bis heute konstitutiv für Litauen (Gediminas Vitkus) und die Slowakei (Ivo Samson).
Der sorgfältig redigierte Band bietet eine hervorragende problemorientierte Einführung in wichtige außenpolitische Fragen Ostmitteleuropas und sollte in keiner politikwissenschaftlichen Bibliothek fehlen.
Stephanie Zloch