Jenny Mex: Der kurhannoversche Eisenhüttenverband und sein Markt (1765-1806). Eine volkswirtschaftliche Untersuchung (= Montanregion Harz; Bd. 2), Bochum: Deutsches Bergbau-Museum Bochum 2002, 352 S., ISBN 978-3-921-53389-5
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Hanno Hochmuth / Paul Nolte (Hgg.): Stadtgeschichte als Zeitgeschichte. Berlin im 20. Jahrhundert, Göttingen: Wallstein 2019
Jürgen Finger / Benjamin Möckel (Hgg.): Ökonomie und Moral im langen 20. Jahrhundert. Eine Anthologie, Göttingen: Wallstein 2022
Merry E. Wiesner-Hanks: Early Modern Europe, 1450-1789, Cambridge: Cambridge University Press 2006
Bei dieser Göttinger wirtschaftswissenschaftlichen Dissertation handelt es sich um eine detailreiche, theorieorientierte historische Fallstudie. Sie stellt einen Teil jenes umfangreichen Forschungsprojektes dar, das von der niedersächsischen Landesregierung mit Unterstützung der Stiftung Volkswagenwerk in den vergangenen 10 Jahren gefördert und von dem Göttinger Wirtschaftshistoriker Karl Heinrich Kaufhold koordiniert wurde. Mex betrachtet aus volkswirtschaftlicher Perspektive eine Gruppe von Eisenhütten, die primär im so genannten hannoverschen Harz am Ende des 18. Jahrhunderts zu einem Hüttenverbund zusammengelegt wurden und auf dem europäischen Markt wirkten. Interessant dabei ist das Marktgeschehen vor dem Hintergrund der kameralistischen Wirtschaftspolitik Hannovers. Als Ausgangsbasis definiert Mex die drei Versorgungsaufgaben der Eisenhütten Mitte des 18. Jahrhunderts: Zum einen dienten sie den landeseigenen Betrieben (unter anderem der Waffenproduktion), zum anderen dem Montanrevier im Harz und zum Dritten der Bevölkerung des eigenen Landes.
Die Gewinne der Eisenhütten flossen über die Clausthaler Zehntkasse in die Kasse der Landesherrschaft. Das private Unternehmertum war bereits Mitte des 18. Jahrhunderts zu Gunsten der landesherrschaftlichen Organisation der Eisenhütten ausgeschaltet worden. Die folgende Entwicklung war stark vom politischen Geschehen geprägt, insbesondere von den Ereignissen des Siebenjährigen Krieges und dessen massiver Nachfrage nach Waffen. Die angespannte Ertrags- und Kostenlage um 1770 führte in den folgenden Jahren zu Reformüberlegungen, die insbesondere der Berghauptmann Claus Friedrich von Reden anstellte und weitgehend durchsetzen konnte. In mehreren Stufen gelang es in den 1780er-Jahren einen Hüttenverbund zu schaffen, der sich durch Rationalisierung, Kostensenkung, Kapazitätserweiterungen und Arbeitsteilung zwischen den Eisenhütten auszeichnete. Zumindest in den 1790er-Jahren wurden detaillierte Betriebspläne erstellt und eingehalten. Inmitten des Netzes der einzelnen Hütten, die durch Warenströme und Planungsströme miteinander verbunden waren, wirkte die landesherrliche Zehntkasse.
Der Vertrieb wurde mittels Hütten-, Berg- und Landfaktoreien organisiert. Kunden des Hüttenverbundes waren landesherrliche Einrichtungen wie die Silberhütten und die Kriegskanzlei, aber auch Zwischenhändler und private Abnehmer. Allerdings war der Abnehmerradius durch die Steigerung der Transportkosten begrenzt. Deshalb wirkte dieser Hüttenverbund im Wesentlichen nur im norddeutschen Raum und hatte nur geringe Bedeutung für den gesamteuropäischen Raum.
In dem Kapitel "Die Stellung des Hüttenverbundes im Markt" weist Mex darauf hin, dass es sich um keinen freien Markt, sondern um einen "herrschaftlich gelenkte[n] Markt, der politischen Vorgaben untergeordnet" (188) war, handelte. Mex bedient sich in der Folge des Konzeptes des funktionsfähigen Wettbewerbs unter Berufung auf die Wettbewerbstheoretiker Herdzina und Michael E. Porter. Die Anwendung des ausführlich dargestellten theoretischen Konzepts auf historische Situationen und Verläufe (Krieg und Frieden im norddeutschen Raum) wirkt gelegentlich etwas bemüht. Gleichwohl ist die Darstellung des tatsächlichen historischen Marktgeschehens als gelungen zu betrachten: Der kurhannoversche Hüttenverbund arbeitete mit zahlreichen Konkurrenten, wozu die Braunschweigischen Harzhütten sowie die Hütten in Anhalt-Bernburg, Preußen, Hessen und Schweden gehörten. Mex kommt wiederum zu dem Ergebnis, dass der aus acht landeseigenen Hütten bestehende Verbund keine europaweite Bedeutung gehabt hat, sondern primär für die Versorgung des eigenen Landes tätig war. Damit waren dessen Kapazitäten auch weitgehend ausgelastet.
Die Arbeit ist sehr solide aus den Quellen (primär aus den Akten des Oberbergamts Clausthal-Zellerfeld) geschöpft. Mex veranschaulicht das umfangreich aufbereitete, statistische Zahlenmaterial anhand von zahlreichen Tabellen und Karten. Ein Schlagwortverzeichnis hilft, diese gelungene Fallstudie zu erschließen.
Ekkehard Henschke