Markus Cerman / Hermann Zeitlhofer (Hgg.): Soziale Strukturen in Böhmen. Ein regionaler Vergleich von Wirtschaft und Gesellschaft in Gutsherrschaften, 16.-19. Jahrhundert (= Sozial- und wirtschaftshistorische Studien; Bd. 28), München: Oldenbourg 2002, 317 S., ISBN 978-3-486-56657-4, EUR 44,80
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Jan Klußmann (Hg.): Leibeigenschaft. Bäuerliche Unfreiheit in der frühen Neuzeit (= Potsdamer Studien zur Geschichte der ländlichen Gesellschaft; Bd. 3), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2003, 274 S., ISBN 978-3-412-05601-8, EUR 32,90
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Susanne Rau / Gerd Schwerhoff (Hgg.): Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2004
Thomas Rudert / Hartmut Zückert (Hgg.): Gemeindeleben. Dörfer und kleine Städte im östlichen Deutschland (16.-18. Jahrhundert), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2001
Thomas Meier / Roger Sablonier (Hgg.): Wirtschaft und Herrschaft. Beiträge zur ländlichen Gesellschaft in der östlichen Schweiz (1200-1800), Zürich: Chronos Verlag 1999
Seit der Mitte der 1990er-Jahre ist ein deutlich gestiegenes Interesse der Frühneuzeitforschung an der Geschichte von Grund- und Gutsherrschaften und ihren Lebensbedingungen für die ländliche Bevölkerung zu verzeichnen. Insbesondere beachtet wurden die herrschaftlichen Rechte über die Untertanen, die bis hin zur Leibeigenschaft reichten, und die für unterschiedliche Regionen immer wieder unterschiedlich beurteilt wurden. An diesem Forschungsinteresse knüpfen auch die beiden Bände an, die hier vorzustellen sind.
Der Sammelband von Cerman und Zeitlhofer ist aus einem von der Volkswagen-Stiftung geförderten Forschungsprojekt hervorgegangen. Unter dem Titel "Soziale Strukturen in Böhmen, 16.-19. Jahrhundert" vergleicht er verschiedene Regionen Böhmens unter ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten miteinander. Ein Ziel war es auch, den Blick über den regionalen Rahmen hinweg auf den europäischen Zusammenhang zu richten. Dies ist, vorweg bemerkt, im Buch nur beiläufig wieder zu finden.
Zentrale Fragen des Sammelbandes betreffen unter anderem die soziostrukturelle Entwicklung ausgewählter Regionen, die Weitergabe untertänigen Besitzes, die wirtschaftliche Entwicklung, die Herausbildung von Gutsherrschaft und Gutswirtschaft. Er versteht sich als Beitrag zur, seit Anfang der 1990er-Jahren verstärkten, Diskussion der ostelbischen Gutsherrschaft. Eine gründliche Einführung nimmt es den einzelnen Beiträgen grundsätzlich ab, jedes Mal erneut den Zusammenhang zu erläutern. Leider verzichten die wenigsten Aufsätze darauf.
Mit einer Kombination der Auswertung landesweit erhobener Quellen und "mikrohistorischer Vertiefungen" (9) auf der Basis einzelner Herrschafts- und Regionalarchive sollten zwei Ebenen erschlossen werden: Auf der einen Seite die Vielfalt und Dynamik des agrarischen und protoindustriellen Bereichs, auf der anderen Seite der alltagsgeschichtliche Bereich. Die ausgewählten Regionen umfassen ausgesprochen agrarisch geprägte Gegenden mit stärkerer oder geringerer Marktorientierung wie auch Mischlandschaften und Herrschaften mit überwiegend außeragrarischem Erwerb. Ebenso reicht die Bandbreite von einer gering ausgeprägten Getreidegutswirtschaft bis zur voll ausgeprägten Gutswirtschaft in verschiedenen Bereichen der ländlichen Wirtschaft. Als besonders hilfreich ist hervorzuheben, dass diese Veröffentlichung mit einem gemeinsamen Literaturverzeichnis aller Beiträge sowie einem Orts- und Sachindex am Ende des Buches aufwartet.
Landesweite Grundlage der Untersuchungen bieten das Soupis poddaných podle víry (Bevölkerungszählung aus dem Jahr 1651), der Berní rula (Steuerkataster, 1654-1683) und das Tereziánský katastr (Steuerkataster, 1711-1726). Mittels einer im Verlauf des Buches nicht näher erläuterten Methode der Datenverknüpfung, der so genannten "nominative record linkage" (12) wurde die Entwicklung der individuellen untertänigen Betriebseinheiten für die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg analysiert. Es ist besonders bedauerlich, dass die Datenverknüpfungsmethode nicht wenigstens mit einem Satz charakterisiert wird, da die Herausgeber in der Einleitung betonen, dass sie mit dieser Methode die Möglichkeiten der Analyse demografischer und sozioökonomischer Zusammenhänge erweitern konnten (12).
Im ersten Teil werden einheitliche Fragestellungen auf der genannten Quellenbasis für alle im Projekt vertretenen böhmischen Regionen in sechs Aufsätzen bearbeitet, ein siebter Beitrag zieht eine Zwischenbilanz. Der zweite Teil umfasst acht Beiträge zu böhmischen Regionen sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse des Forschungsprojektes. In dieser Rezension werden nicht alle Beiträge aus dem Sammelband einzeln erwähnt werden können.
Über die Herrschaft Vyšší Brod erfahren wir, dass es eine Entwicklung der Dienstpflichten der untertänigen Bauern von 10 Tagen im Jahr um 1530 bis zu 4 Tagen in der Woche im 18. Jahrhundert gab. Die Landwirtschaft basierte auf einer breit gefächerten Mischökonomie mit zusätzlichem Erwerb aus Holzwirtschaft und Flachsverarbeitung. Die ländliche Bevölkerung war sozial sehr stark differenziert, mit einem hohen Anteil an Gesindepersonen. Hier wird ein Zusammenhang zur Viehzucht und dem hohen Arbeitskräftebedarf des Flachsanbaus gesehen. Viele Haushalte verbanden agrarisches und gewerbliches Einkommen miteinander (Zeitlhofer, 15-28).
Die Durchsetzung deutlich höherer Dienstverpflichtungen der Bauern trifft neben Vyšší Brod auch für die Herrschaft Poděbrady (Matušíková, 59-69), Frýdlant und Liberec (Cerman und štefanová, 70-87) zu. Sie fand regelmäßig zwischen 1550 und 1620 statt und kann daher nicht, wie es die Forschung bis dato vertrat, mit den Folgen des Dreißigjährigen Krieges in Verbindung gebracht werden. Eine Ausnahme bildete offenbar die Herrschaft Chýnov, in der die Dienstbelastung der Untertanen nicht so hoch war wie andernorts, und in der eine landwirtschaftlich-handwerklich geprägte Produktion vorherrschte (Grulich, 88-100). Für die Herrschaft Rychnov nad Kněžnou wird eine "verschärfte" Erbuntertänigkeit ausgemacht, die aber ausdrücklich von der Leibeigenschaft der anderen Gebiete unterschieden wird (Pazderová, 43-58)
Eine Betrachtung der nicht formalisierten Praktiken der Besitzweitergabe ergibt, dass zwischen 1640 und 1840 eine zunehmende Bindung der Familie an ihr Anwesen zum Tragen kam (Zeitlhofer, 240-261). Durch die Unteilbarkeit der Güter blieb die Zahl der Bauern relativ konstant. Im 18. Jahrhundert wurde die Weitergabe des Anwesens vom Vater an den Sohn zum vorherrschenden Weg des Besitztransfers. Weichende Geschwister wurden allerdings nicht an einer Eheschließung gehindert, da diese nicht an den Besitztransfer gebunden war.
Auch Velková erkennt eine familiale Kontinuität in der Besitzweitergabe untertäniger Anwesen (228-239). Dies gilt für die Herrschaft št'áhlavy, deren ländliche Bevölkerung ebenfalls in sozialer Hinsicht deutlich differenziert war. Es gab Bauern, Chalupner (vergleichbar mit den brandenburgischen Kossaten), Häusler sowie hauslose Untertanen. Bis ins 18. Jahrhundert hinein überwog hier im Unterschied zu Vyšší Brod der Anteil der Bauern, bis sich im 19. Jahrhundert das Verhältnis zu den anderen sozialen Gruppen umkehrte (Velková, 29-42). Die Analyse ergibt, dass die Gutsherrschaft in Fragen der Besitzweitergabe nur selten eingriff oder gar Zwang ausübte. Sie hielt sich aus den Transaktionen heraus, solange sie über die jeweilig anfallenden Besitzwechsel informiert war.
Ebenfalls ohne Einmischung der Gutsherrschaft, aber auch ohne den strengen Bezug zur Familie ging der Verkauf von bäuerlichen Anwesen in der Herrschaft Frýdlant vor sich. Hier bestand nur dann eine deutliche Tendenz, die Höfe in der Familie zu halten, wenn es um wertvollere Anwesen ging. (Štefanová, 206-227). Hier wie in der Herrschaft Liberec gab es in der Frühen Neuzeit eine starke unterbäuerliche Schicht, die sich jedoch nicht im Rahmen der Proto-Industrialisierung gebildet hatte. Vielmehr war sie entstanden, als das Gemeindeland geöffnet und der Bevölkerung im 17. Jahrhundert zusätzliche Landreserven zugänglich gemacht worden waren (Cerman und Štefanová, 70-87).
Maur beschäftigt sich mit dem Gesinde in Böhmen (111-125) und betont dessen gesellschaftliche Bedeutung. Neben den drei allgemeinen Beiträgen (Einleitung, Zwischenfazit und Ergebnisse des Projekts) ist dies der einzige Beitrag, der explizit über den Rahmen einer oder zweier Herrschaften hinausblickt. Nach einer Diskussion der Begrifflichkeiten erläutert er die Unterschiede zwischen Gesinde in Handwerker- und Exportgewerbestädten sowie in ländlichen Gebieten, hier unterschieden in Gutsherrschaft und untertänige Wirtschaft. Ebenso betrachtet er die Herkunft der Gesindepersonen und deren weitere Entwicklung im Leben. Für die große Mehrheit der jungen Leute war der Gesindedienst eine Übergangsphase, die mit der Eheschließung, spätestens aber kurz danach, endete. Lebenslang übten den Gesindedienst nur Kindermägde und Gesellen der Handwerksmeister aus.
Der Beitrag von Ogilvie bringt den neuen Aspekt der untertänig-bäuerlichen Sichtweise auf die Ökonomie ins Spiel (145-173). Sie weist nach, dass die Bauern entgegen der Lehrmeinung sehr wohl in der Lage waren, die Kosten ihrer eigenen Arbeit und andere Produktionskosten einzuschätzen und sich einen Begriff vom Gewinn ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit zu machen. Kulturelle Beschränkungen der wirtschaftlichen Tätigkeit der Bauern, die in einer Abneigung gegenüber Marktbeziehungen und Geld, mangelndem Verständnis für Kosten und Gewinn begründet lagen, können demnach verneint werden.
Mehr oder weniger beiläufig werden in dem vorliegenden Sammelband auch die Beziehungen zwischen Gutsherrschaft und Untertanen gestreift. Hier geht es vor allem um Fragen des Widerstandes und der Gemeindeautonomie (zum Beispiel in Cerman und Štefanová, 70-87; Pazderová, 43-58). Hier liegt jedoch nicht die Stärke des Buches. Geradezu anzuzweifeln ist die Nützlichkeit der Wahrscheinlichkeitsbehauptung, "ein gewisses Maß an Kommunalismus" dürfte vorgelegen haben (Štefanová 206-227, hier 225). Hier wird in einem sonst sehr guten Beitrag vorschnell ein Konzept auf eine Region übertragen, das anhand südwestdeutscher Beispiele entwickelt wurde und zunächst für diese Geltung beanspruchen kann.[1] Außer Acht gelassen wird hier eine zentrale Voraussetzung für den Kommunalismus einer Gemeinde: "Eine Gemeinde hat autochthone Rechte und sichert diese satzungsmäßig, administrativ und jurisdiktionell."[2] Dies ist für Böhmen auf der Grundlage der Eindrücke aus dem Sammelband nicht zu belegen. Das Konzept des Kommunalismus führt an dieser Stelle nicht weiter, wenn es darum geht, die Reichweite bäuerlicher Selbstbestimmung auszuloten.
Die Stärke des Sammelbandes liegt dagegen in der Regionen übergreifenden Betrachtung der sozialen, wirtschaftlichen und demografischen Entwicklungen im frühneuzeitlichen Böhmen. Unter diesen Aspekten entsteht ein differenziertes Bild, das gewiss nicht nur aufgrund der Widerlegung des alten Forschungsglaubens, die Verschärfung der Dienstpflichten sei in Böhmen nur als Folge des Dreißigjährigen Krieges zu verstehen, seinen Beitrag zur Diskussion der Gutsherrschaft leisten kann.
Beinahe zur selben Zeit ist ein Sammelband zum Thema der frühneuzeitlichen Leibeigenschaft erschienen. Er ist aus einem Symposium zum selben Thema im Jahr 1999 hervorgegangen, das von der Potsdamer Max-Planck-Arbeitsgruppe "Ostelbische Gutsherrschaft als sozialhistorisches Phänomen" organisiert und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert worden ist. Erklärtes Ziel ist es, aktuelle Fragestellungen und Tendenzen der historischen Forschung zu Formen persönlicher Abhängigkeitsverhältnisse zu reflektieren. Die einzelnen Beiträge nähern sich diesem Thema aus den unterschiedlichsten geografischen und inhaltlichen Richtungen. Sie beschäftigen sich mit der Definition der Begrifflichkeiten, mit der Veränderlichkeit der Leibeigenschaft, die in ihrer jeweiligen Ausprägung immer von einem bestimmten sozialen Prozess abhängig war, mit der Einschätzung der südwestdeutschen Leibeigenschaft, mit dem Zusammenhang zwischen bäuerlichem Widerstand und Leibeigenschaft, mit dem Diskurs, der Leibeigenschaft beschrieb. Auch hier können nicht alle Beiträge einzeln besprochen werden. Es sei aber betont, dass die Lektüre abwechslungsreich ist, da wirklich jeder Aufsatz einen neuen Aspekt einführt.
Für Mecklenburg widerlegt Münch (3-19) die bisherige Auffassung, der mecklenburgische Adel hätte die Leibeigenschaft abgelehnt. Am Ende des Mittelalters war die gelebte Situation der Bauern günstiger, als sie rechtlich abgesichert war. Dennoch hatte die Argumentation der Bauern gegen die der Gutsherren keine Chance, als die gutsherrlichen Rechte sukzessive ausgeweitet wurden. Die Gutsherren konnten wirkungsvoll Macht und Recht miteinander verknüpfen und verengten den bäuerliche Spielraum schon im 16. Jahrhundert zusehends. Um 1600 war die Leibeigenschaft in Mecklenburg faktisch durchgesetzt, im Laufe des Jahrhunderts folgte ihre rechtliche Fixierung.
Enders schlägt den Bogen von der Einführung der Leibeigenschaft in Brandenburg über die den Bauern seit 1702 gewährte Möglichkeit des Freikaufs und die Versuche der Grundherren, die herrschaftlichen Rechte auf weite Bereiche des bäuerlichen Lebens auszuweiten, bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, als die herrschende Willkür durch Gerichtsurteile begrenzt wurde (37-62). Dieser Betrachtung stellt Enders eine Definition der zentralen Begrifflichkeiten Freiheit, Untertänigkeit, Erbuntertänigkeit und Leibeigenschaft voran (37-45). Überhaupt ist es diesem Buch viel um die Bedeutung von Begriffen und deren Veränderung im zeitgenössischen Diskurs zu tun. Luebke zeichnet die Umrisse eines verwirrenden bäuerlichen Diskurses um Leibeigenschaft nach (175-197), der dadurch gekennzeichnet war, dass leibeigene Untertanen aus derselben Herrschaft - hier Hauenstein in Vorderösterreich - sehr unterschiedliche Auffassungen von Begriff und Auswirkungen der Leibeigenschaft hatten. Alle Hauensteiner durften sich im Jahre 1738 kollektiv freikaufen, was an und für sich als bemerkenswerte Errungenschaft gelten muss. Dennoch empfanden viele Hauensteiner diesen Vertrag als unredlich, da sie die Grafschaft Hauenstein als freie Körperschaft begriffen, mit der kein Vertrag geschlossen werden durfte, der die Rechtmäßigkeit der Leibeigenschaft voraussetzte. Luebke geht der Frage nach, wie es zu diesen unterschiedlichen Auffassungen und der Trennung des Begriffes Leibeigenschaft von den zu ihr gehörenden materiellen Belastungen und personenrechtlichen Einschränkungen kommen konnte.
Der Herausgeber Klußmann zeichnet die Entwicklung der so genannten holsteinischen Leibeigenschaft nach und untersucht die bäuerliche Wahrnehmung von Freiheit und eigener Unfreiheit (213-240). Im Unterschied zu anderen deutschen Gebieten konnte hier die Leibeigenschaft durchgesetzt werden, indem man mit den einzelnen Bauern darüber verhandelte. In der Regel bot der Gutsherr im Gegenzug die Übernahme der bäuerlichen Kontributionszahlungen an. Eine Kritik an der Leibeigenschaft trat erst im 18. Jahrhundert wahrnehmbar hervor. Es war ein juristischer Diskurs entstanden, der von Argumenten der Staatsräson und dem Menschenbild der Aufklärung geleitet war. Gleichzeitig benutzten die freien Bauern den Begriff "Leibeigenschaft" im 18. Jahrhundert als Kampfbegriff, wenn sie sich gegen eine Erhöhung der Feudallasten wehrten. Leibeigene Bauern lehnten eine persönliche Unfreiheit eigentlich ab. Ganze Dörfer begannen, ihren Status als Leibeigene infrage zu stellen. Insofern muss der persönlichen Freiheit im Verständnis der bäuerlichen Bevölkerung ein eigenständiger Stellenwert zugeordnet werden.
Interessant ist auch der Vergleich zwischen den Verhältnissen, unter denen die Bauern in einer schwedischen Region und in einer erst seit 1658 zu Schweden gehörenden, vorher dänischen Region lebten (Sundberg, 99-115). Die schwedischen Bauern behielten im Verlauf der Frühen Neuzeit ein relativ gutes Eigentumsrecht und hatten das Recht, sich an verschiedenen Institutionen wie den lokalen Gerichten zu beteiligen. Sie wurden immer als persönlich frei betrachtet. In der ehemals dänischen Region Scania war die Situation der Bauern grundsätzlich schwieriger. Sie waren zwar nicht leibeigen, unterlagen aber anderen Formen der Subordination. Die ökonomischen und sozialen Strukturen wurden vom Adel dominiert, und persönliche Unfreiheit trat häufiger auf. Im Vergleich zu Schweden, das 1650 und 1652 die Anzahl und Dauer der Dienste genau festgelegt hatte, waren die Dienste in Scania unbemessen (ausführlicher zur bäuerlichen Situation in Scania Olsson, 117-134). Sie hatten nicht dieselben Rechte im Hinblick auf die Mitwirkung an politischen und rechtlichen Institutionen. Die dänischen Voraussetzungen wirkten auch unter schwedischer Herrschaft noch lange fort.
Im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts wurde der bäuerliche Handlungsrahmen in Russland de jure immer stärker begrenzt, die Bedingungen der Leibeigenschaft wurden verschärft (Kusber, 135-154). In wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht schlug sich diese Entwicklung nicht im selben Maße nieder. Verschiedene Formen des Widerstands traten auf, Hungersnöte waren viel seltener, als bislang häufig angenommen wurde. Die Leibeigenschaft war ein Ergebnis der Tatsache, dass der Staat auf dem Lande auf den Adel als ausführendes Organ angewiesen war und deswegen den Wünschen der Grundherren entgegen kommen mussten. Das System der Leibeigenschaft verschränkte agrarische und frühindustrielle Produktion sowie Handel miteinander und konnte auf diese Weise in Russland bis ins 19. Jahrhundert überleben.
Blickle (157-174) zieht auf der Grundlage der Überlegung, dass vielerorts unfreie und freie Menschen direkt nebeneinander gelebt haben, die "Spur der Freiheit nach [...], die ihre Auseinandersetzungen mit der Unfreiheit in die Geschichte eingegraben hat" (160). Die Stationen der Untersuchung sind der Kampf gegen die Unfreiheit durch Freikäufe, Freiheitsprozesse, die Rolle der Sprache und der Kommunikation in der Auseinandersetzung mit und über Unfreiheit. Im 18. Jahrhundert war die Gleichsetzung "Leibeigenschaft ist Sklaverei" entstanden und Vertreter der Obrigkeit versuchten zunehmend, diesen Begriff zu vermeiden. Freiheit war als wichtiges ideelles Gut erkannt worden, wenn es auch im 18. Jahrhundert noch nicht umgesetzt werden konnte.
Am Ende des Buches stößt Meyer das Tor zur neuen Welt auf und erweitert den Rahmen der Diskussion um den Aspekt des Paternalismus im Vergleich zwischen brandenburgischem Rittergut und Sklavenplantage in South Carolina (241-272). Dies unterstreicht den Anspruch des Buches, die Leserinnen und Leser zum Nachdenken über zeitgenössische und gegenwärtige Begrifflichkeiten zu bringen.
Beide Sammelbände ergeben zusammengenommen einen facettenreichen Zugang zum Thema Gutsherrschaft und bäuerliche Unfreiheit, welcher der neueren wissenschaftlichen Diskussion weitere Impulse geben kann. Eine wichtige Erkenntnis ist gewiss die, dass Leibeigenschaft kein statisches Gebilde war, sondern beinahe so viele unterschiedliche Formen annehmen konnte, wie es Gegenden gab, in denen sie vorkam.
Anmerkungen:
[1] Zückert übernimmt das Konzept nicht für brandenburgische Gemeinden, obwohl diese nicht nur als fremdbestimmt wahrgenommen werden können. Helmut Zückert: Die brandenburgische Landgemeinde bis zum Dreißigjährigen Krieg, ihre Organe und Kompetenzen, in: Heinrich Richard Schmidt / André Holenstein / Andreas Würgler (Hg.): Gemeinde, Reformation und Widerstand. Festschrift für Peter Blickle, Tübingen 1998, 25-42.
[2] Peter Blickle: Kommunalismus, Parlamentarismus, Republikanismus, in: Historische Zeitschrift 242 (1986), 529-556, hier 532.
Ursula Löffler