Bernd Grün / Hans-Georg Hofer / Karl-Heinz Leven (Hgg.): Medizin und Nationalsozialismus. Die Freiburger Medizinische Fakultät und das Klinikum in der Weimarer Republik und im "Dritten Reich" (= Medizingeschichte im Kontext; Bd. 10), Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2002, 544 S., ISBN 978-3-631-38819-8, EUR 79,50
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Hans-Georg Hofer / Karl-Heinz Leven (Hgg.): Die Freiburger Medizinische Fakultät im Nationalsozialismus. Katalog einer Ausstellung des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität Freiburg, Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2003, 135 S., ISBN 978-3-631-50576-2, EUR 14,90
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Raphaela Veit: Das Buch der Fieber des Isaac Israeli und seine Bedeutung im lateinischen Westen. Ein Beitrag zur Rezeption arabischer Wissenschaft im Abendland, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2004
Christoph Braß: Zwangssterilisation und "Euthanasie" im Saarland 1935-1945, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2004
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Francis R. Nicosia / Jonathan Huener (eds.): Medicine and Medical Ethics in Nazi Germany. Origins, Practices, Legacies, New York / Oxford: Berghahn Books 2004
Christoph Braß: Zwangssterilisation und "Euthanasie" im Saarland 1935-1945, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2004
Hans-Georg Hofer: Nervenschwäche und Krieg. Modernitätskritik und Krisenbewältigung in der österreichischen Psychiatrie (1880-1920), Wien: Böhlau 2004
Karl-Heinz Leven (Hg.): Antike Medizin. Ein Lexikon, München: C.H.Beck 2005
Eduard Seidler / Karl-Heinz Leven: Geschichte der Medizin und der Krankenpflege, 7., überarb. und erw. Auflage, Stuttgart: W. Kohlhammer 2003
Seit dem Ende der 1980er-Jahre zeigen die deutschen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zunehmend Interesse an ihrer NS-Vergangenheit. Vor allem medizinische Fakultäten und Kliniken förderten Untersuchungen zur eigenen Rolle im Nationalsozialismus. Daraus resultierte eine ganze Reihe einschlägiger Forschungsprojekte, vom 1989 abgeschlossenen 'Mammut'-Projekt "Kontinuität, Anpassung und Opposition an der Hamburger Medizinischen Fakultät" [1] bis hin zu dem Ende 2003 begonnenen Berliner Projekt zur "Hochschulmedizin an der Charité 1933-1945". [2]
Auf eine Initiative aus der untersuchten Institution selbst geht auch das Ausstellungs- und Publikationsprojekt zur NS-Geschichte der medizinischen Fakultät Freiburg zurück. Angeregt durch den Personalrat des Freiburger Klinikums beauftragte der Klinikvorstand das - durch die Arbeiten seines früheren Leiters Eduard Seidler in Bezug auf das Thema bestens ausgewiesene - Freiburger medizinhistorische Institut mit der Realisierung einer entsprechenden Ausstellung. Die von Studierenden und Institutsmitarbeitern erarbeitete Tafelausstellung wurde 2002 am Klinikum und im Bereich der Universität Freiburg gezeigt. Zur Ausstellung erschien ein wissenschaftlicher Begleitband sowie ein ansprechender Katalog.
Letzterer enthält "die meisten [...] Texte, Dokumente und Photos" (Katalog, 7) aus der über zwanzig Stationen aufweisenden Ausstellung und ist mit aufschlussreichen Bild- und Dokumentlegenden und einem Anhang mit Quellenhinweisen versehen. Die Beiträge zu den einzelnen Stationen basieren auf den jeweiligen Ausstellungspostern. Diesen Stationen entsprechen auch die Beiträge in dem wissenschaftlichen Begleitband, der somit - wie die Ausstellung - einen zeitlichen Bogen vom späten 19. Jahrhundert bis in die Nachkriegszeit spannt.
Der Einleitung zum Begleitband zufolge ging es den - mehrheitlich aus den Reihen der Studenten stammenden - Autoren "von vornherein" nicht um eine "kohärente Gesamtdarstellung der Freiburger Medizinischen Fakultät und des Klinikums in der NS-Zeit" (Begleitband, 9). Angestrebt wurde vielmehr, die im Band näher beleuchteten Einzelthemen in ihren zeitgeschichtlichen Kontext zu stellen, um dadurch "eine historisch-kritische Sicht auf das Thema 'Medizin und Nationalsozialismus in Freiburg' zu fördern" (Begleitband, 13). Das Ergebnis ist ein facettenreiches Buch über die lokalen Geschehnisse, das auch generelle Einsichten in die Rolle der Universitätsmedizin im "Dritten Reich" vermittelt.
Der Band wird eingeleitet von Karl-Heinz Leven mit einem Beitrag über die schwierige - und äußerst späte - Auseinandersetzung der deutschen Ärzteschaft mit ihrer NS-Vergangenheit. Dem folgen die für derartige Sammelbände üblichen Überblicksdarstellungen über die mentalitäts- und ideengeschichtlichen Voraussetzungen von Eugenik und NS-Krankenmord, wobei die Erläuterungen zu der 1920 erschienen Schrift über "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens" insofern von besonderer Bedeutung sind, als es sich bei dem Mitautor Alfred E. Hoche um einen Freiburger Ordinarius handelte. Einblick in die Situation an der Freiburger medizinischen Fakultät in Kaiserreich und Weimarer Republik geben eine biografische Skizze des bedeutenden Pathologen Ludwig Aschoff (Cay-Rüdiger Prüll) und eine Schilderung des ambitionierten und zugleich stark umstrittenen Großprojekts zum Neubau des Freiburger Universitätsklinikums Ende der 1930er-Jahre (Christian Rokosch / Alexander Neumann).
Der Teil zur NS-Zeit beginnt mit einer Darstellung der äußerst rasch und reibungslos vollzogenen "Gleichschaltung" der Fakultät im Frühjahr 1933. Die Folgen dieses Akts für die dabei Vertriebenen beleuchtet dann Jasmin Beatrix Mattes in fünf einfühlsamen Beispielportraits. Insgesamt konnten in Freiburg bislang 39 Personen ermittelt werden, die im Zusammenhang mit dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" aus dem Universitätsdienst entfernt wurden. Schicksale wie das der 1933 entlassenen dermatologischen Assistentin Bertha Ottenstein veranschaulichen nicht nur den jähen Zusammenbruch wissenschaftlicher Lebensentwürfe und die Schwierigkeiten der Emigration, sondern werfen darüber hinaus ein Licht auf die Praxis der Wiedergutmachung in der Nachkriegszeit.
Für die als "arisch" und "politisch unbelastet" eingestuften Universitäts- und Klinikangehörigen - so zeigen die folgenden Beiträge zur Assistenten-, Studenten- und Schwesternschaft - begann eine Zeit ideologisch-politischer Vereinnahmung und paramilitärischer Schulung, auch wenn etwa in der Studentenschaft bereits vor 1933 NS-Strömungen vorgeherrscht hatten und grundsätzliche Veränderungen an der Ordinarienuniversität in Freiburg - wie andernorts - ausbleiben sollten. Als Freiburger Besonderheit muss jedoch die Sportmedizin unter Wolfgang Kohlrausch und das junge Fach der Krankengymnastik gelten, die aufgrund ihrer ideologischen Instrumentalisierbarkeit, wie Angelika Uhlmann in einem sehr lesenswerten Beitrag zeigt, in den ersten Jahren des NS-Regimes nachhaltige staatliche Förderung genossen.
In weiteren Beiträgen wird die Mitwirkung der Freiburger medizinischen Fakultät an der eugenischen Zwangssterilisation (dieser Beitrag basiert auf der Regionalstudie von Gunther Link [3]) sowie die Haltung einzelner Fakultätsmitglieder zu und die Beteiligung der psychiatrischen Kliniken an NS-Krankenmord und "Kindereuthanasie" erörtert, denen in Freiburg und Umgebung Tausende von Menschen zum Opfer fielen. Im Zentrum der folgenden Beiträge steht dann die Zeit des Zweiten Weltkriegs, als zahlreiche Freiburger Mediziner zu "Beratenden Ärzten der Wehrmacht" berufen wurden. In dieser Funktion eröffneten sich den Ärzten kriegs- und KZ-bedingt "besondere Forschungsmöglichkeiten", die manche von ihnen - wie Alexander Neumann am Beispiel des Hygienikers Paul Uhlenhut und seiner Rassenforschungspläne zeigt - auch zu nutzen gedachten. Wie Neumann herausstellt, wussten zudem die meisten "Beratenden" über die verbrecherischen Versuche in den Lagern Bescheid, schwiegen aber "aus Angst vor einem vorzeitigen Ende der eigenen Karriere" (Begleitband, 416).
Zum Themenkreis "Universität und Krieg" gehört auch der bemerkenswerte Beitrag des leitenden Freiburger Universitätsarchivars Dieter Speck zum Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern an Universität und Klinikum, der trotz äußerst schlechter Quellenlage eine Reihe bislang unbekannter Fakten ans Licht brachte. So konnte Speck für die Universität Freiburg insgesamt 44 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter namentlich nachweisen. Bei ihnen handelte es sich fast durchweg um Frauen und Männer aus der Sowjetunion, die Hilfstätigkeiten im Klinikum zu verrichten hatten; allerdings fand Speck in Freiburg auch sehr atypische Fälle von Zwangsarbeit, wie den eines hoch qualifizierten französischen Romanisten, der in Bibliothek und Vorlesungsbetrieb beschäftigt wurde. An den Wochenenden des Sommers 1944 waren zudem bis zu 1 500 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die wochentags in Freiburger Betrieben arbeiteten, bei Bauarbeiten an Luftschutzeinrichtungen des Klinikums eingesetzt. Und schließlich wurden die Leichen von mindestens zwanzig dieser Menschen, die bei ihrem "Arbeitseinsatz im Reich" gestorben waren, von Freiburger Anatomen in Forschung und Lehre verwendet.
Der von einem Beitrag zur lokalen Entnazifizierung und Vergangenheitsbewältigung sowie einem umfangreichen Literaturverzeichnis und einem Personenregister abgeschlossene Band bietet mit seinen über zwanzig ausgewählten Themenkreisen einen umfassenden Überblick über die Geschichte einer medizinischen Fakultät im Nationalsozialismus. Die für die breite Öffentlichkeit konzipierte Variante dieses Bands - die Ausstellung - sollte noch häufiger im Freiburger Raum zu sehen sein.
Anmerkungen:
[1] Hendrik van den Bussche (Hg.): Medizinische Wissenschaft im "Dritten Reich". Kontinuität, Anpassung und Opposition an der Hamburger Medizinischen Fakultät, Berlin / Hamburg 1989.
[2] Vergleiche URL: http://userpage.fu-berlin.de/~medberuf/linkeframseite.htm
[3] Gunther Link: Eugenische Zwangssterilisationen und Schwangerschaftsabbrüche im Nationalsozialismus. Dargestellt am Beispiel der Universitätsfrauenklinik Freiburg, Frankfurt am Main u.a. 1999.
Astrid Ley