Detlef Junker: Power and Mission. Was Amerika antreibt, Freiburg: Herder 2003, 191 S., ISBN 978-3-451-28251-5, EUR 19,90
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Im Moment fällt es vielen Deutschen sehr schwer, ihre Verbündeten jenseits des Atlantiks zu verstehen. Das transatlantische Verhältnis war nie einfach, doch selten hat es eine so breite Ablehnung der amerikanischen Außenpolitik gegeben wie unter der Präsidentschaft von George W. Bush. Die Vereinigten Staaten scheinen den Deutschen fremd geworden. Die Frage "Was Amerika antreibt" ist daher von brennender Aktualität.
Detlef Junker, einer der renommiertesten Amerikaexperten Deutschlands, nimmt sich nicht weniger vor als dem "Geheimnis der Kraft und des Selbstbewusstseins des amerikanischen Volkes auf die Spur zu kommen" (7). Dabei geht er von einer Globalisierung des amerikanischen Einflusses und der amerikanischen Politik seit der Unabhängigkeitserklärung 1776 aus. Angefangen mit der Eroberung des "Wilden Westens" über die Expansion nach Südamerika und Asien, seien die USA zur "imperialen Hypermacht der Gegenwart geworden" (11). Doch nicht nur diese Entwicklungen, sondern auch ihre inneren ideologischen Bedingungen sollen erklärt werden, wobei sich Junker auf die Leitbegriffe "Mission and Power" stützt, anhand derer er Kontinuitäten und Brüche in der amerikanischen Geschichte herausarbeiten will.
Die "Mission" Amerikas besteht nach Junker in der Verbreitung von Freiheit und Demokratie. Seit dem 18. Jahrhundert gehöre diese "zivilreligiöse Sendungsidee" (9 f.) zu den Kernelementen des amerikanischen Selbstverständnisses. Wesentlicher Bestandteil dieser Mission sei die Teilung der Welt in "Gut" und "Böse", eine Weltsicht, die immer wieder in die "manichäischen Falle" geführt habe, in die erst Indianer, später vor allem Deutsche, Japaner, Russen und zuletzt die Iraker geraten seien. Die "Power" der einzig verbliebenen Weltmacht sei hingegen eine Entwicklung des 20. Jahrhunderts. Das Ende des europäischen Einflusses auf dem amerikanischen Kontinent im Jahr 1898 sei der Auftakt für den Aufstieg der USA zur Weltmacht gewesen, der durch die Siege in beiden Weltkriegen beschleunigt worden sei und mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges seinen Höhepunkt erreicht habe.
Junker hat bei der Erarbeitung dieser Studie, die durch weltgeschichtliche Zäsuren in acht Kapitel gegliedert ist und einer streng chronologischen Anlage folgt, auf sein Buch "Von der Weltmacht zur Supermacht. Amerikanische Außenpolitik im 20. Jahrhundert" [1] zurückgegriffen. Dagegen wäre eigentlich nichts zu sagen, zumal diese Publikation bereits seit einiger Zeit im Buchhandel nicht mehr erhältlich ist. Allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob Junker nicht gut daran getan hätte, seine in den Neunzigerjahren erarbeiteten Ergebnisse im Lichte der Ereignisse des 11. September 2001 kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu bewerten. Kritisch anzumerken ist auch, dass Junker weitgehend darauf verzichtet, die Geschichte der amerikanischen Außenpolitik und ihre Rolle in den internationalen Beziehungen in einen größeren Kontext einzuordnen und Aspekte der Wirtschafts-, Sozial- oder Kulturgeschichte stärker zu berücksichtigen; lediglich in den beiden letzten Kapiteln, die den Zeitraum von 1991 bis 2001 und die Zeit nach "9/11" abdecken, findet man Ansätze dafür. Der Konzeption einer modernen Politikgeschichte wird Junker so schwerlich gerecht.
Trotz dieser Kritikpunkte bleibt das Buch eine lesenswerte, problemorientierte, ja stellenweise scharfsinnige Analyse. Den Drang der amerikanischen Nation zur geografischen wie ideellen Expansion und ihren Verlauf schildert Junker ebenso anschaulich wie die Bedeutung der präsidialen Doktrinen von Washington über Monroe bis Bush junior, wobei er dem Übergang vom Isolationismus zum Internationalismus einen zentralen Stellenwert einräumt. Woodrow Wilsons (1913 - 1921) Eingreifen in den Ersten Weltkrieg, verbunden mit dem Ziel der Demokratisierung der Welt, habe eine Außenpolitik begründet, die seit Franklin D. Roosevelt (1933-1945) in die Tat umgesetzt würde und auf den Prämissen Demokratie und Menschenrechte, Freihandel und nationale Sicherheit im globalen Rahmen beruhe. Das Kapitel über den Zeitraum zwischen 1961 und 1991, ist dagegen weniger gelungen, zumal der Autor hier dem Primat der Außenpolitik Tribut zollen muss. Dies lässt sich etwa am Beispiel der Präsidentschaft Ronald Reagans (1981-1989) zeigen. "Antikommunismus und Aufrüstung" (120) waren sicherlich "Grundpfeiler" von Reagans Programm, jedoch waren ihm innenpolitische Vorhaben wie Steuersenkungen und die Rückbesinnung auf konservative "family values" mindestens ebenso wichtig.
Die eigentlichen Stärken von "Mission and Power" liegen im letzten Teil des Buches. Diese beiden Kapitel bringen Klarheit in die Funktionsweisen der amerikanischen Politik unter dem Vorzeichen des 11. September. Nach einer Phase der außenpolitischen Orientierungslosigkeit unter Bill Clinton habe die amerikanische Außenpolitik unter Bush zu ihren eigentlichen Prinzipien zurückgefunden. Mit einem klar definierten Feindbild - "die tatsächlichen und vermeintlichen Terroristen zu Hause und in der Welt" (154) - gebe es wieder ein "Objekt der Mission" (129). Mit dem Beginn des "war on terrorism" sei aber auch die "manichäische Falle" wieder aktuell geworden. Diesen Krieg, von Bush und seinen neokonservativen Mitstreitern ("Neocons") ausgerufen, sieht Junker als Auftakt für die Verwirklichung einer "konkurrenzlosen Pax Americana", einer amerikanischen "Weltvorherrschaft" (160) im 21. Jahrhundert. George W. Bush verkörpere wie kein Präsident zuvor die Verknüpfung von "Mission and Power". Die militärische Macht der USA sei heute unantastbar, das religiöse Sendungsbewusstsein des bekehrten Präsidenten und seine strikte Trennung der Welt in "with us or with the terrorists" offensichtlich - und tief in der Tradition der amerikanischen "Zivilreligion" verankert.
Anmerkung:
[1] Detlef Junker: Von der Weltmacht zur Supermacht. Amerikanische Außenpolitik im 20. Jahrhundert, Mannheim 1995. Junker weist auf die Verwendung in der Einleitung hin (13).
Jacob S. Eder