Gerhard Rill: Fürst und Hof in Österreich. Von den habsburgischen Teilungsverträgen bis zur Schlacht von Mohács (1521/22 bis 1526). Band 2: Gabriel von Salamanca, Zentralverwaltung und Finanzen (= Forschungen zur Europäischen und Vergleichenden Rechtsgeschichte; Bd. 7/2), Wien: Böhlau 2003, 526 S., 8 s/w-Abb., 1 Graf., Stammtafeln, ISBN 978-3-205-98895-3, EUR 79,00
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Michael Hochedlinger / Anton Tantner (Hgg.): "... der größte Teil der Untertanen lebt elend und mühselig". Die Berichte des Hofkriegsrates zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Habsburgermonarchie 1770-1771, Innsbruck: StudienVerlag 2005
Bei dem vorliegenden Band, der den vollmundigen Titel "Fürst und Hof in Österreich" trägt, aber bereits im Untertitel auf die Jahre 1521 bis 1526 eingeschränkt ist, handelt es sich um den zweiten Teil einer Studie, die sich mit den ersten Regierungsjahren Ferdinands I. befasst. Während der schon 1993 publizierte erste Teil die Bereiche Außenpolitik und Diplomatie behandelte, stehen nunmehr die Verwaltung, die Finanzen sowie als Hauptperson Gabriel von Salamanca, der Favorit des Landesfürsten und gleichzeitiger Schatzmeistergeneral, im Mittelpunkt der Untersuchung. Die Auswahl des Untersuchungszeitraumes wird zum einen mit dem Regierungsantritt Ferdinands beziehungsweise dem Wiener Neustädter Blutgericht und zum anderen mit der Durchsetzung einer neu geschaffenen zentralen Behördenstruktur, die vor allem den Einfluss Salamancas sowohl auf die Verwaltung als auch die Finanzen beendete, begründet. Dem Autor geht es darum, die Zeit des Machtvakuums zwischen dem Tod Maximilians I. und der Einführung der Zentralbehörden insofern näher zu beleuchten, als er zu zeigen versucht, dass diese Zeit keineswegs einem "für jegliche staatliche Entwicklung geschichtslosen Intervall" (8) entsprach.
Die Arbeit beginnt mit den höfischen Rahmenbedingungen, wobei grundsätzliche definitorische Fragen nach der Hofhaltung ebenso gestellt werden wie nach dem Hof an sich sowie der Residenz beziehungsweise den Residenzen. Gerade Letzteres erwies sich für diese Zeit als besonders problematisch, wobei allerdings deutlich wird, dass Wiener Neustadt - vor allem aufgrund seines Fortifikationsausbaues - letztendlich den Vorzug erhielt. Auch war es bereits unter Maximilian I. neben Innsbruck der zweite Behördenstandort gewesen. Der Autor beschreibt in der Folge ausführlichst die Diskussion über die Verbindungen von Fürst beziehungsweise fürstlicher familia und Regierungsapparat, die sich auch durch die zeitgenössische Literatur zog, um schließlich zu erkennen, dass sich der Hof gegenüber dem "rationalen Funktionalismus" (33) der Bürokratie als resistent erwies. Es folgt eine akribische Beschreibung des Hofstaates, der entsprechenden Tätigkeiten und Personenkonstellationen, Hofordnungen sowie der unterschiedlichen Gremien und Behörden - vom Geheimen Rat über die Hofräte und "Regierungen" der beiden Ländergruppen, sprich die Statthalter bis hin zum Kanzleiwesen, die Hofkanzlei sowie die fürstlichen Länderkanzleien umfassend - mitsamt ihrer wie auch immer gearteten Effizienz. Ein Ergebnisbericht, in dem sich das hauptsächliche Anliegen des Autors zeigt, nämlich dass die Fortentwicklung der unter Maximilian begonnenen Zentralverwaltung voranschritt, beschließt den ersten Teil.
Der zweite Abschnitt ist zur Gänze dem Hauptakteur Gabriel von Salamanca und seiner "Reinwaschung" gewidmet. Vorneweg wird die Legendenbildung um diese sagenhafte Gestalt referiert, die schon zu Lebzeiten und nicht nur bei Hof sehr umstritten war - ein für Favoriten eher als typisch zu bezeichnendes Schicksal. Es folgen Herkunft und soziales Umfeld, Bereiche, die bisher kaum erforscht waren, ebenso wie die ökonomische Situation der aus Burgos stammenden Familie seit dem 15. Jahrhundert. Aufstieg und Fall des Favoriten, von vermeintlichen und tatsächlichen Intrigen über die jeweiligen Karrierestufen bis hin zu Entmachtung und Exil dominieren den Mittelteil, wobei die Ansichten unterschiedlicher Fraktionen dargestellt werden. Die Anklagepunkte der verschiedenen Delikte, deren Salamanca beschuldigt wurde, werden eigens angeführt, ebenso wie die darin eine wichtige Rolle spielenden Stände, die an der Entmachtung Salamancas großes Interesse hatten.
Der dritte und letzte große Abschnitt widmet sich den Finanzen, wobei es sich hauptsächlich um die Buchführung des Schatzmeistergenerals handelte. Dabei war festzustellen, dass die unterschiedlichen Rechnungs- und Kontrollbücher nicht übereinstimmten. Dies erstaunt nicht wirklich, waren Rechnungen dieser Zeit oft erst im Nachhinein erstellt beziehungsweise traktierten sie manchmal fingierte Zahlen, deren Herkunft oft auch für den Zeitgenossen nicht einsichtig war - wie überhaupt die finanzielle Verquickung von Amts- und Funktionsträgern in Darlehens- und Kreditgeschäften als typisch angesehen werden kann, gerade in einer Zeit, in der das Bankenwesen doch eher unterentwickelt war. Die Situation der österreichischen Staatsfinanzen - bereits unter Maximilian angeschlagen - sollte sich in der Folge noch weiter verschlechtern; dass dabei unter anderem auch die Finanziers zu Grunde gehen konnten, zeigt etwa das berühmte Beispiel der Fugger auf das Beste. Insofern mag es nicht verblüffen, dass auch Salamanca schlussendlich darüber stolperte. Grundsätzlich ist zum Kapitel Finanzen anzumerken, dass Übersichten und Tabellen der Verständlichkeit sicherlich zuträglicher gewesen wären als reine Beschreibungen der einzelnen Budgetpositionen und ihrer internen Verrechnung. Ein Epilog, der die verbleibenden Lebensjahre Salamancas nach 1526 behandelt, sowie ein umfangreicher Quellenanhang beschließen die Studie.
Insgesamt erscheint der Band eher uneinheitlich, die drei großen Teile passen nicht wirklich beziehungsweise nur in Passagen thematisch zusammen, wobei man besser um der Struktur und Stringenz willen Kürzungen in Kauf genommen hätte. Es entsteht der Eindruck, der Autor konnte sich nicht zwischen einer biografischen und einer finanz- oder verwaltungsgeschichtlichen Studie entscheiden. Hauptziel scheint es eher gewesen zu sein, Salamancas beschädigten Ruf auf diese Weise wieder herzustellen. Als ehemaligem Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien mag es dem Autor nicht schwer gefallen sein auf diese reichhaltige Quellenfülle zurückzugreifen, dennoch stellt sich dabei in mancher Hinsicht die Frage, ob sich nicht doch eine Quellenedition eher angeboten hätte.
Darf man dem Postscriptum des Reihenherausgebers Glauben schenken, so war der Band schon seit zehn Jahren fertig und scheiterte an der Finanzierung der Drucklegung. Aber es verstimmt dann doch, dass ein Band der 2003 erschienen ist, bei den Währungsverhältnissen als gängige heutige Währungen Mark und Schilling zum Vergleich anbietet. Dies hätte ein wie immer geartetes Lektorat eigentlich nicht übersehen dürfen. Bedenklich stimmt auch der methodische Anspruch, den der Herausgeber dergestalt darstellt, dass die historische Wissenschaft auf exaktem Quellenstudium und in archivalischen Quellen fundiert zu sein habe, eines "Fundamentes an Wissen um Fakten, und sie hat denen zu danken, die diese erforschen und in ihren Arbeiten auswerten und exakt zitieren". Historische Analyse habe dabei aber nichts verloren, da sie Verwirrung statt Einsicht stifte (524). Zum Thema Theorie oder auch Methodik ist dem dann auch nichts hinzuzufügen.
Andrea Pühringer