Joachim Bahlcke / Volker Dudeck (Hgg.): Welt - Macht - Geist. Das Haus Habsburg und die Oberlausitz 1526-1635, Görlitz: Verlag Gunter Oettel 2002, 456 S., ISBN 978-3-932693-61-8, EUR 30,00
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Die mit dem anzuzeigenden Band dokumentierte Ausstellung hat von Mai bis November 2002 in Zittau stattgefunden. Mit ihrer Lage im Dreiländereck zwischen Deutschland, Tschechien und Polen ist die Stadt wie kaum eine andere dazu geeignet, Schauplatz einer großen internationalen Ausstellung zu sein, deren Ziel darin bestand, neues Wissen über die alte Mitte Europas zu vermitteln (13) und die historischen Gemeinsamkeiten der Oberlausitz und Böhmens im engeren Sinne, im weiteren aber auch Beziehungen mit Mähren, Schlesien, Österreich, kurz, mit den Ländern der ehemaligen Habsburgermonarchie (15) in Erinnerung zu rufen. Nicht erst die neuen Grenzen im Mitteleuropa des 20. Jahrhunderts, sondern schon der Übergang der Lausitzen 1635 an Kursachsen und später die nationalstaatlich orientierte Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts hatten diese jahrhundertelangen Kontakte und Verbindungen aus dem Bewusstsein verschwinden lassen.
Der Band verfolgt diese Ziele auf zweierlei Weise. Ein erster Teil des Katalogs enthält auf 220 Seiten 18 Beiträge, die unterschiedliche Aspekte der historischen Entwicklung der Oberlausitz beleuchten. Der zweite Teil beinhaltet dann auf 210 Seiten den eigentlichen Katalog mit den Exponaten der Ausstellung im Zittauer Heffterbau.
Die Spannweite der Beiträge, für die zahlreiche international ausgewiesene Verfasser gewonnen werden konnten, reicht dabei vom Überblick zur europäischen Rolle der Habsburger im 16. Jahrhundert (Arno Strohmeyer) über einen knappen Abriss zur Entstehung der Habsburgermonarchie (Robert J. W. Evans) und die Vorgeschichte des böhmischen Ständeaufstandes (Rudolf Anděl) bis zur kursächsischen Politik im Dreißigjährigen Krieg (Johannes Burkhardt), die den Kontext für den Übergang der beiden Lausitzen in den Herrschaftsbereich der sächsischen Kurfürsten 1635 bildete. Andere Beiträge zeichnen Grundlinien der Entwicklung der Oberlausitz selbst nach, beispielsweise im Bereich der Religion (Karlheinz Blaschke und Siegfried Seifert), die rechtliche Stellung der Oberlausitz als Nebenland der Krone Böhmen (Joachim Bahlcke) oder die Entwicklung von Kunst und Architektur (Kai Wenzel und Marius Winzeler). Abgerundet wird das Bild durch Beiträge zu Einzelfragen oder prominenten Ereignissen wie dem berühmten Pönfall von 1547 (Matthias Herrmann), zu Auswirkungen der Türkenkriege auf die Oberlausitz (Norbert Kersken), zur Entwicklung der sorbischen Bevölkerung (Peter Wenzel) oder zur Stellung Zittaus im Beziehungsfeld Oberlausitz, Böhmen und Österreich (Volker Dudeck).
Der Katalogteil gliedert sich in drei Abteilungen. Die Erste unter dem Titel "Unter Bindenschild und Doppeladler" beinhaltet vorrangig Exponate zum Haus Habsburg, zu dessen königlicher Würde in Böhmen sowie zu den Türkenkriegen des 16. Jahrhunderts. Die zweite Abteilung, überschrieben "Aufbruch und Umbruch im Schatten der Weltmacht", zeigt Exponate zur Entwicklung innerhalb des Alten Reiches, zu Reformation und Gegenreformation in der Oberlausitz, führt aber auch bedeutende Wissenschaftler und Politiker aus oberlausitzischen Städten vor und deutet schließlich die Vorgeschichte des Prager Friedens von 1635 an, also die Auseinandersetzungen um den böhmischen Ständeaufstand und in der ersten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges. In der letzten Abteilung "Kunst- und Wunderkammern" findet man dann zahlreiche Exponate versammelt, die das Profil einer Kunstkammer um 1600 zwischen Raritätenkabinett, wissenschaftlicher Sammlung, Bibliothek und Galerie sehr vielfältig veranschaulichen. Unklar bleibt allerdings, warum die Ausstellung (und auch der Katalog durch einen Beitrag von Thomas Höft) diesem zweifellos interessanten Phänomen solch großen Stellenwert einräumen. Nach der Zahl der Exponate handelte es sich hierbei um den umfangreichsten der drei Ausstellungsteile, dessen Exponate zu einem großen Teil aus Wiener, Ambraser und Grazer Beständen stammen. Hier wäre zumindest für den Katalogleser eine kurze Einordnung wünschenswert gewesen, der Hinweis auf die berühmten Sammlungen Kaiser Rudolfs II. und Erzherzog Ferdinands von Tirol (153) und ihre Rolle in der Herrschaftspräsentation bleibt etwas vage.
Damit sind wir bei einem Punkt, der im ganzen Band immer wieder auffällt - nur in einigen Beiträgen ist es gelungen, die Oberlausitz und Böhmen beziehungsweise Österreich, die Markgrafschaft und die Habsburger als Markgrafen wirklich in ihren Beziehungen, in Wechselwirkung oder Beeinflussung darzustellen. Damit spiegelt der Katalog freilich ein Defizit wider, das es aufzuarbeiten gilt und für dessen Bewusstwerdung die Ausstellung beziehungsweise der Band eben gerade Anstöße geben wollen (13). Grenzübergreifende Studien zu politischen und kunstgeschichtlichen Aspekten des Austauschs zwischen Oberlausitz und Böhmen, die Rolle des Prager und Wiener Hofes bei der Vermittlung italienischer Einflüsse sind ebenso noch weitgehend unerforscht wie Gemeinsamkeiten der konfessionellen Prägung in der ja teilweise dauerhaft katholischen Oberlausitz. Und ein weiterer Bereich, der im Katalog nur ganz am Rand, nur in Bezug auf die Stadt Zittau Erwähnung findet, sollte ebenfalls stärker berücksichtigt werden: die vielfältigen wirtschaftlichen Vernetzungen, die insbesondere zwischen Schlesien, Nordböhmen und der Oberlausitz mit ihren ausgeprägten Textilgewerben für die Frühe Neuzeit auf der Hand liegen, auch wenn sie in der jüngeren Forschung kaum behandelt worden sind.
Die angesprochenen Lücken aufzuzeigen, die Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion kultureller und wirtschaftlicher Kontexte der Oberlausitz vorzuführen war also gerade eines der Ziele des Bandes, wobei vom Protokollband einer im August 2002 in Zittau durchgeführten Tagung wohl noch weitere Anstöße zu erwarten sind. Der Katalog führt eine Region vor, die in den letzten Jahrzehnten aus verschiedenen Gründen eher am Rand des Interesses der historischen Forschung gelegen hat und deren gegenwärtige wirtschaftliche und soziale Probleme kaum zu überschätzen sind. Er macht aber auch ein reiches historisches Erbe sichtbar und ist ein Aufruf, sich mit Traditionen und Perspektiven der Oberlausitz zwischen Ost und West, Nord und Süd intensiver zu beschäftigen.
Katrin Keller