Johannes Frimmel / Michael Wögerbauer (Hgg.): Kommunikation und Information im 18. Jahrhundert. Das Beispiel der Habsburgermonarchie (= Buchforschung. Beiträge zum Buchwesen in Österreich; Bd. 5), Wiesbaden: Harrassowitz 2009, 401 S., ISBN 978-3-447-05918-3, EUR 58,00
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Esther-Beate Körber: Habsburgs europäische Herrschaft, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002
Herbert Matis: Die Schwarzenberg-Bank. Kapitalbildung und Industriefinanzierung in den habsburgischen Erblanden 1787 - 1830, Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2005
Michael Hochedlinger / Anton Tantner (Hgg.): "... der größte Teil der Untertanen lebt elend und mühselig". Die Berichte des Hofkriegsrates zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Habsburgermonarchie 1770-1771, Innsbruck: StudienVerlag 2005
Dirk Sadowski: Haskala und Lebenswelt. Herz Homberg und die jüdischen deutschen Schulen in Galizien 1782-1806, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010
Renate Pieper: Die Vermittlung einer Neuen Welt. Amerika im Nachrichtennetz des habsburgischen Imperiums 1493-1598, Mainz: Philipp von Zabern 2000
Marian Füssel / Antje Kuhle / Michael Stolz (Hgg.): Höfe und Experten. Relationen von Macht und Wissen in Mittelalter und Früher Neuzeit, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2018
Otfried Höffe (Hg.): Politische Utopien der Neuzeit. Thomas Morus, Tommaso Campanella, Francis Bacon, Berlin: De Gruyter 2016
Susan Richter: Fürstentestamente der Frühen Neuzeit. Politische Programme und Medien intergenerationeller Kommunikation, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009
Die mit zahlreichen Tabellen und sonstigen Abbildungen versehene Kollektion enthält nach einem Geleitwort des Wiener Frühneuzeithistorikers Wolfgang Schmale, einer Einleitung der beiden Herausgeber und einem knappen Grundlagenaufsatz des ebenfalls Wiener Kulturhistorikers Moritz Csáky insgesamt 30 Beiträge, die sich weitgehend gleichmäßig auf sechs Sektionen verteilen. Als übergreifendes Forschungsanliegen benennt das Geleitwort die "Rückdatierung der Netzwerkgesellschaft", die Manuell Castells in seinem dreibändigen, namengebenden Werk herausgearbeitet hat, zumindest für die Habsburger Monarchie "in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts". Denn damals sei es erstens zu derjenigen "Durchdringung der Gesellschaften mit Druckwerken aller Art in einer bis dahin unbekannten Tiefe und sozialen Reichweite" gekommen, die diese spezifische Kommunikations- und Informationskonfiguration auszeichne, habe sich zweitens "die Bildung zivilgesellschaftlicher Vereinigungen und Netzwerke" vollzogen, "die politische und selbst kontinentale Grenzen überschritten", und sei drittens "die Vernetzwerkung von Wissen als solchem" zustande gekommen (9). Mittels dieser Rückdatierung lasse sich ferner die These Ernst Wangermanns bestätigen und erweitern, der die Epoche seit 1750 als "Austrian Achievement" in der "Modernisierung der habsburgischen Vielvölkermonarchie" charakterisierte (Einleitung 14).
Während der erwähnte Grundlagenaufsatz in der bekannten Perspektive seines Verfassers dieses Forschungsanliegen in einem eher konzeptionellen und von einem herkömmlichen Kulturbegriff her bestimmten Überblick umsetzt, vereinigen die Sektionen im Wesentlichen sorgfältig erarbeitete, detailreiche, zumeist hochspezifische Einzelstudien. Den Komplex Buchproduktion und Kulturtransfer vertiefen so Untersuchungen zu bestimmten Druckwerken beziehungsweise Verlags- und Buchhandelsbeziehungen innerhalb des Vielvölkerstaates und nach außen, sowohl nach Deutschland und Frankreich, aber auch in den arabisch-türkischen Raum. Die Einbettung des ersten osmanischen Druckunternehmens in den Kontext der habsburgisch-türkischen Beziehungen von Orlin Sabev erscheint hier am interessantesten. Die zweite Sektion nimmt den Buchkauf und die Literaturrezeption in Böhmen und Ungarn unter die Lupe; wesentliche Quellen stellen erwartungsgemäß Bibliotheks- und Verkaufskataloge dar. Organisation und Netzwerke des Buchhandels stehen im Focus der dritten Sektion; besonders aufschlussreich ist Claire Mádls Studie zur Rolle des Adels beziehungsweise adeliger Beteiligung an diesen Zusammenhängen. Den Komplex der Klandestinität, also des Untergrunddrucks, -vertriebs und -wissenserwerbs, untersuchen anschließend sechs Beiträge, wobei dem Unterzeichnenden die Erörterung Christine Haugs zu den Distributions- und Vermarktungsstrategien von Geheimliteratur sowie Dietmar Weikls Überlegungen zum Buch im Geheimprotestantismus am interessantesten erscheinen. In der Sektion zur Volksaufklärung wohl am wichtigsten ist der kurze Beitrag Anton Tantners zur Funktion der Frag- und Kundschaftsämter "als Institutionen der Informations- und Wissensvermittlung" und damit wesentliche Konstituenten der gesuchten kommunikativ-informationellen Netzwerkgesellschaft. Sehr wertvoll ist ferner Reinhart Siegerts, des einschlägigen Experten, vorläufige Statistik der deutschsprachigen Buchproduktion zur Volksaufklärung 1701-1870 nach Regionen und Verlagsorten im Habsburgerreich (305-307). Die letzte über die zeitgenössischen Periodika als Medien der Wissensvermittlung handelnde Abteilung deckt eine Vielzahl derartiger Druckerzeugnisse meist regionaler Reichweite (Wien, Siebenbürgen, Prag, Pressburg) ab und untersucht die Präsenz und Erscheinungsform unterschiedlicher Wissensbestände, konkret Politik, Mode, Belletristik und Medizin; besondere Aufmerksamkeit ist aber auch Beiträgen zur Grundlegung und Vertiefung von "Nationalgefühlen" gewidmet. In den meisten Erörterungen dieses Zuschnitts wird dabei den Besonderheiten des Nationsverständnisses dieser Epoche durchaus Rechnung getragen. Den abschließenden Ausführungen zur medizinischen Wissensvermittlung durch Rezensionen, in denen auch spezifisch persönliche Belange des Rezensionsschreibers überzeugende Herausarbeitung erfahren, hätten allgemeinere Überlegungen zur Gattung Rezension gut getan.
Es ist schade, dass auch diese Kollektion auf ein zusammenfassendes, die Einzelbeiträge genauer in der gewählten Untersuchungsperspektive positionierendes Nachwort verzichtet. So geht wieder einmal ein Teil des für allgemeinere Erkenntnisbedürfnisse relevanten Potentials dieser Einzelstudien verloren, die zum überwiegenden Teil zu sehr ihren jeweiligen spezifischen Perspektiven verhaftet bleiben, um als wirkliche Fallstudien gelten zu können. Der Untertitel des Bandes wird analytischen Erwartungen daher ebenfalls nicht gerecht. Aber auch so dürften einige Rezeptionschancen verloren gehen, einfach deshalb, weil wieder einmal die in derartigen Fällen unerlässlichen Sach- und Personenregister fehlen.
Wolfgang E. J. Weber