Maria Bogucka: Women in Early Modern Polish Society, Against the European Background, Aldershot: Ashgate 2004, XXXIII + 192 S., 28 b&w illustr., ISBN 978-0-7546-3241-2, GBP 45,00
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Der Ehemann sei das Haupt seiner Frau - und die Frau sei die Krone auf dem Haupt des Mannes. Derartig veranschaulicht eine polnische Allegorie aus dem 17. Jahrhundert eine modellhafte Ehe. Ein weiteres eingängiges Bild für den Umstand, dass Frauen und Männer in der Frühen Neuzeit weit mehr aufeinander bezogen, ja mehr noch aufeinander angewiesen waren und wie wenig die bis heute prägenden Wertmaßstäbe des 19. Jahrhunderts mit ihrer eindeutigen Geschlechterhierarchie damals zutrafen.
Dank der vorliegenden Arbeit von Maria Bogucka ist diese Erkenntnis nun auch auf die polnische Geschichte des 16. und 18. Jahrhundert auszuweiten. In acht Kapiteln skizziert die Autorin ein Panorama weiblicher Lebensentwürfe und -verhältnisse. Phasen des weiblichen Lebenszyklus sind darin genauso aufgenommen wie die kontroverse Debatte über die weibliche Natur sowie den Stellenwert der Frau in Gesellschaft und Familie. Ebenso wenig fehlen in dieser Gesamtschau Ansichten über modellhafte weibliche Verhaltensmuster. Nicht zuletzt umfasst Boguckas Panorama Einblicke in die Bereiche Frauen und Wirtschaft, Religion, Kultur und Politik.
Nicht von ungefähr erscheint dieses Buch auf Englisch. Denn der Verfasserin geht es nicht nur darum, die polnische Frauengeschichte der Frühen Neuzeit umfassend darzustellen und damit eine Forschungslücke zu schließen, sondern es ist ihr offensichtlich ein besonderes Anliegen, die polnische und die internationale wissenschaftliche Diskussion miteinander zu verbinden. Dabei ist es ihr immer auch um die Frage zu tun, inwiefern die polnischen Gegebenheiten eine allgemein europäische Entwicklung widerspiegeln beziehungsweise von ihr abweichen.
Gemäß dieser Absicht skizziert Bogucka eingangs den theoretischen und methodischen Stand der historischen Frauen- und Geschlechterforschung, benennt Forschungsschwerpunkte und umreißt ihre eigene Position, die sich namentlich an Natalie Zemon Davis, aber auch an Ute Frevert oder Karin Hausen orientiert: Bei der Annäherung an die Frauengeschichte, so die Autorin, gehe es nicht primär darum, wie manche amerikanische Forscherinnen - allen voran Joan W. Scott - behaupteten, die Geschichte aus weiblicher Perspektive neu zu schreiben. Vielmehr sei es angezeigt, zunächst vielfach bereits bekannte historische Quellen anhand neuer Fragen (nochmals) zu untersuchen und im Weiteren die von der Frauen- und Geschlechtergeschichte in den vergangenen drei Jahrzehnten eingeführten Begrifflichkeiten auf ihre Tragfähigkeit zu überprüfen.
Wer daraufhin eine quellennahe und -gesättigte Publikation erwartet, wird allerdings enttäuscht sein. Tatsächlich wertet Bogucka die bislang vorhandene Forschung aus, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. An dieser Stelle hätte sich die Rezensentin nicht nur eine summarische Darstellung der Entwicklung gewünscht, sondern eine eingehendere Charakterisierung einzelner Phasen, insbesondere aber eine Erläuterung zum Stellenwert der Frauen- und Geschlechtergeschichte während der kommunistischen Ära; immerhin verweist die Autorin auf das wachsende Interesse am Sujet nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und die richtungsweisende Konferenz von Olsztyn (1986).
Boguckas Panorama der polnischen Frauengeschichte weist entsprechend der Forschungslage zwangsläufig noch Verzerrungen und deutliche Lücken auf. Beispielsweise beschäftigt sich das Kapitel Frauen und Religion vorrangig mit der Situation von Frauen in protestantischen und antitrinitarischen Kreisen, während Katholizismus und Orthodoxie nur gestreift werden. Das Judentum fehlt sogar vollständig.
Auch hinsichtlich ihres zweiten Postulats, sich mit der spezifischen Terminologie der Frauen- und Geschlechtergeschichte auseinander setzen zu wollen, verspricht Bogucka mehr als sie einlöst. Im Kapitel Frauen und Politik beispielsweise verweist sie zwar auf den Einfluss von Frauen am Hof, reflektiert allerdings nicht den umstrittenen Begriff der informellen Macht. Frauen aus adeligen und Magnatenkreisen interessierten sich seit dem frühen 17. Jahrhundert stark für die Debatten im Sejm, dem polnischen Reichstag. Patriotismus - so Bogucka weiter - war nicht nur unter Frauen der polnischen Elite weit verbreitet. Spätestens an dieser Stelle fällt eine weitere Leerstelle der Publikation auf. Nirgends wird das Polen des behandelten Zeitraums umrissen, wird erklärt, wer für die Autorin zur polnischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit zählt.
Maria Bogucka ist seit 1953 Mitglied des Historischen Instituts der Polnischen Akademie der Wissenschaften und darüber hinaus seit Jahrzehnten eine international renommierte Forscherin mit den Schwerpunkten Stadt- und Maritimgeschichte sowie Sozial- und Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit. Seit 1978 verantwortet sie die Herausgabe der Acta Poloniae Historica. Gerne hätte die Rezensentin gewusst, ob die Frauen- und Geschlechtergeschichte folglich fest in den akademischen Strukturen Polens verankert ist, ob diesem Forschungsfeld damit nur relativ kurze Zeit nach dem einschneidenden politischen Wandel von 1989 ein Erfolg beschieden ist, der im Westen nicht selbstverständlich ist und in anderen osteuropäischen Ländern nach dem Bericht von Andrea Petö noch in der Ferne liegt. [1] So hofft aber die Rezensentin, dass sich mit Publikationen wie der vorliegenden der internationale Dialog über die historische Frauen- und Geschlechterforschung nochmals intensivieren und neue Facetten dazugewinnen wird.
Anmerkung:
[1] Andrea Petö: The Future of Women's History. Writing Women's History in Eastern Europe. Towards a 'Terra Cognita'?, in: Journal of Women's History 16 (2004) 4, 173-181.
Sybille Oßwald-Bargende