Rezension über:

Ángel Ventura Villanueva / Carlos Márquez Moreno / Antonio Monterroso Checa et al. (eds.): El teatro romano de Córdoba, Córdoba: GrafiSur 2002, 308 S., ISBN 978-84-932591-4-3, EUR 40,00
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Rezension von:
Sabine Panzram
Seminar für Alte Geschichte, Universität Hamburg
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Sabine Panzram: Rezension von: Ángel Ventura Villanueva / Carlos Márquez Moreno / Antonio Monterroso Checa et al. (eds.): El teatro romano de Córdoba, Córdoba: GrafiSur 2002, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 3 [15.03.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/03/6834.html


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Ángel Ventura Villanueva / Carlos Márquez Moreno / Antonio Monterroso Checa et al. (eds.): El teatro romano de Córdoba

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" ... dass Du den Schein der Bilder herstellst, damit an ihrer Wirklichkeit man nicht mehr zweifeln kann." - Nichts könnte die Biografie des Cordobenser Archäologen Ángel Ventura Villanueva prägnanter zusammenfassen als diese programmatische Aussage des Schöpfers in Calderón de la Barcas 'Das große Welttheater'. [1] Seine Geschichte ist die eines Wissenschaftlers, der angesichts der Prachtbauten des arabischen Qurtuba seine Vorstellung von der römischen Colonia Patricia Corduba samt Theater realisiert und also ausgegraben sehen will. Seine Indizien - Sitzreihen, die der Direktor des 'Museo Arqueológico Provincial' Córdobas, Samuel de los Santos Gener, schon im Jahre 1946 entdeckt hatte [2],und Inschriften, die die Ausrichtung von ludi scaenici dokumentieren und die Existenz eines dissignator belegen [3] - fügen sich in die Topografie der Hauptstadt der Baetica ein, die die Überreste der Stadtmauer oder des so genannten 'templo de la c/Claudio Marcelo' nur erahnen lassen.

Ángel Ventura Villanuevas Deutung dieses fragmentarischen archäologischen und epigrafischen Befundes stößt erst Anfang der Neunzigerjahre auf skeptische Begeisterung, als die autonome Region Andalusien selbst für die Unterhaltung ihres archäologischen Erbes zuständig ist. Systematische Ausgrabungen sollen nun nicht nur einen Weg zu den Überresten einer der drei Provinzhauptstädte des römischen Hispanien, sondern auch nach Europa bahnen. Die administrative Reform und der Ausbau der Infrastruktur erleichtern und erschweren der 'Gerencia Municipal de Urbanismo' und dem Seminar für Klassische Archäologie der Cordobenser Universität unter Leitung von Pilar León Alonso zugleich die Durchführung archäologischer Kampagnen. Dennoch vervollständigt sich das Bild einer römischen Stadt: die einzelnen Viertel der etwa 78 Hektar umfassenden Colonia Patricia am Baetis erhielten unter den Herrschern der julisch-claudischen Dynastie ihre für beinahe drei Jahrhunderte charakteristische Prägung. So befand sich im Mittelpunkt eines jeden Stadtviertels eine repräsentativ gestaltete Platzanlage; diese konnte ein Tempel dominieren, den weitere Heiligtümer ergänzten (so im vicus Forensis) oder dem Substruktionsbauten eine berechnete Prospektwirkung verliehen (wie im Falle des 'templo de la c/Claudio Marcelo'). Und Ángel Ventura Villanueva kann das Stadtbild schon 1994 um sein 'Theaterviertel' ergänzen: wie von ihm angenommen, nutzen die Cordubenser die Nordseite der zum Baetis abfallenden Anhöhe - und damit die höchstgelegene Stelle der Stadt - und terrassieren das Gelände im Osten und Westen, sodass schließlich drei Plätze ihr Theater umgeben. Der Unterste liegt auf einer Höhe von rund 110 m und fällt heutzutage mit der 'Sala de Epigrafía' des 'Museo Arqueológico Provincial' zusammen, der mittlere Platz folgt 2 m und der Oberste noch einmal 5 m höher. Treppen verbinden die drei mit örtlichem Kalkstein gepflasterten Terrassen, auf der Obersten befand sich vielleicht ein Nymphäum, auf allen dreien waren vermutlich Dedikationen wie diejenige der coloni et incolae für den Ädil und Duumvirn T. Mercello Persinus Marius zu bewundern. [4] Die Freilegung der Grundmauern der cavea zeigt, dass ihr Durchmesser 125 m betrug; die Vielfalt der Funde übertrifft jede Erwartung: Kranzgesimse aus lokaler 'piedra de mina', Fragmente von Säulen aus importiertem Marmor und Überreste korinthischer Kapitelle sowie fragmentarisch erhaltene Inschriften, die die Inhaber der Sitzplätze benennen oder die Stifter Augustus geweihter Altäre.

Acht Jahre nach Beginn der Grabung macht die Ausstellung 'El teatro romano de Córdoba' das Terrain einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Der gleichnamige, 2002 erschienene Katalog bietet zugleich die erste umfassende Publikation des Theaters. Denn die vier verantwortlich zeichnenden Cordobenser Archäologen - neben Ángel Ventura Villanueva Carlos Márquez Moreno, Antonio Monterroso Checa und Miguel Á. Carmona Berenguer - hatten zwar bereits Artikel zu einzelnen Aspekten wie der Geschichte des Baus, seiner Integration in die Topografie der Stadt [5], seiner Funktion in Bezug auf den Herrscherkult [6] oder die Bauornamentik [7] vorgelegt, sich aber zuvor noch nicht um eine Gesamtdarstellung bemüht. Dieser Aufgabe haben sie sich jetzt jedoch zusammen mit vierzehn weiteren Kollegen gestellt und sie überzeugend bewältigt. Der Katalog ist dreigeteilt: während der erste Abschnitt 'El teatro en Roma' in die Ursprünge des griechischen Theaters und seine Adaptation in Rom einführt sowie die Verbreitung der Theater allgemein im Imperium Romanum und insbesondere auf der Iberischen Halbinsel dokumentiert (21-82), thematisiert der zweite, 'El teatro romano de Córdoba' überschrieben, jeden nur erdenklichen Aspekt dieses Bauwerks - von der stratigrafischen Analyse des Territoriums bis zur Nutzung als Steinbruch (83-220). Der dritte Abschnitt listet sämtliche Fundstücke auf, das heißt sowohl die in situ angetroffenen als auch die thematisch zugehörigen (221-304). Das nützliche Kartenmaterial, die sinnvolle Wahl der Abbildungen und die informativen Ausführungen bestechen durch hohe Qualität.

Zweifel weckt dagegen allein so mancher weiterführender Interpretationsversuch: Beispielsweise haben Ángel Ventura Villanueva zufolge wahrscheinlich Angehörige der domus divina oder aber Repräsentanten der städtischen Elite den Bau des Theaters finanziert. Für die erstgenannte Vermutung lässt sich gar kein Beleg anführen; die letztgenannte Möglichkeit könnten Initialen implizieren, die sich auf zweien der über dreißig Kranzgesims-Fragmente von der Fassade des Theaters fanden: Dort waren die Buchstaben M P zu lesen, die sich seiner Meinung nach zu M(ercellonis) P(ersini) oder M(arii) P(ersini) ergänzen lassen und auf die ritterliche Familie der Mercellones Persini verweisen. Nun bezeugt die Aktivität der Persii in der Hauptstadt der Baetica die Grabinschrift eines coactor argentarius; und nach Sextus Marius benannte man den in seinem Besitz befindlichen mons Marianus. [8] Seine Blei-, Kupfer-, Silber- und Goldminen ließ Tiberius konfiszieren, nachdem dieser reichste Mann Hispaniens bei ihm in Ungnade gefallen war. [9] Aufgrund ihres Vermögens sind die - in der Überlieferung stärker als die Persii hervortretenden - Marii also zwar durchaus als Euergeten vorstellbar, doch der demonstrative Gestus hätte bei einer Buchstabenhöhe von 9 cm einer angenommenen Bauinschrift seinen Sinn verfehlt: Kein Betrachter wird diese Inschrift zur Kenntnis genommen haben können! Wahrscheinlicher ist dagegen eine Kennzeichnung durch den Besitzer des Steinbruchs oder einen der mit der Ausarbeitung der Kranzgesimse betrauten Handwerker.

Manchmal wirkt der Calderonianische "Schein der Bilder" dann eben doch zu konstruiert - aber das mindert die Leistung Ángel Ventura Villanuevas nicht, der die römische Colonia Patricia Corduba und ihr Theater zu einer Wirklichkeit in Córdoba werden ließ, die man nicht mehr anzweifeln kann.


Anmerkungen:

[1] Pedro Calderón de la Barca: El gran teatro del mundo. - Das große Welttheater. Übersetzt und herausgegeben von G. Poppenberg, Stuttgart 1988, Vers 63 f.: "[...] fabriques apariencias / que de dudas se pasen a evidencias."

[2] Samuel de los Santos Gener: Registro de hallazgos arqueológicos en la provincia de Córdoba, recogidos y croquizados diariamente, desde 1927 (Comprende los hallazgos en la provincia desde el año 1730 hasta 1958). Copiado a máquina del libro original por A. Ramírez Ponferrada [desiderantur n. 378-385], Córdoba 1958, Nr. 439/S. 141.

[3] CIL II2/7, 221; CIL II2/7, 345.

[4] CIL II2/7, 311 bzw. CIL II2/5, 1296; bell. Alex. 52,4 und 55,4.

[5] Ángel Ventura Villanueva: La recuperación de la Córdoba romana: los edificios de espectáculos, in: Trinidad Nogales Basarrate (Ed.): Vivir las ciudades históricas. Coloquio 'Ciudades modernas superpuestas a las antiguas. Diez años de investigación'. Mérida 1996, Mérida 1997, 33-54 bzw. Ders. / Pilar León Alonso / Carlos Márquez Moreno: Roman Córdoba in the Light of Recent Archaeological Research, in: Simon Keay (Ed.): The Archeology of Early Roman Baetica, Portsmouth 1998, 87-107 (= JRA Suppl. Series; 29) oder Carlos Márquez Moreno: Acerca de la función e inserción urbanística de las plazas en Colonia Patricia, in: Empúries 51 (1998), 63-76.

[6] Ángel Ventura Villanueva: El teatro en el contexto urbano de Colonia Patricia (Córdoba): ambiente epigráfico, evergetas y culto imperial, in: AEA 72 (1999), 57-72.

[7] Carlos Márquez Moreno: La decoración arquitectónica de Colonia Patricia. Una aproximación a la arquitectura y urbanismo de Córdoba romana, Córdoba 1998 bzw. Ders.: Modelos romanos en la arquitectura monumental de Colonia Patricia Corduba, in: AEA 177-178 (1998), 113-137.

[8] CIL II2/7, 342; vgl. auch CIL II2/7, 152. - Plin. nat. 34,4.

[9] Tac. ann. 6,19; D. C. 58,22,2-3.

Sabine Panzram