Jürgen Petersohn: Kaiserlicher Gesandter und Kurienbischof. Andreas Jamometić am Hof Papst Sixtus' IV. (1478-1481). Aufschlüsse aus neuen Quellen (= Monumenta Germaniae Historica. Studien und Texte; Bd. 35), Hannover: Hahnsche Buchhandlung 2004, XXVIII + 184 S., ISBN 978-3-7752-5735-0, EUR 30,00
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Andreas Jamometić gehört bisher nicht zu den Persönlichkeiten des 15. Jahrhunderts, die sich allgemeiner Bekanntheit erfreuen, obwohl ihm bereits Jacob Burckhardt 1852 eine Abhandlung von über 80 Seiten gewidmet hatte. Seit 1984 lassen das Buch über Angelo Geraldini und einige kleinere Arbeiten von Jürgen Petersohn das hohe Anregungspotenzial erahnen, das die Biografie des Erzbischofs von Krain für die historische Forschung birgt. Jamometić entstammte einer der 12 Uradelsfamilien Kroatiens. Historisch fassbar ist er seit 1462 (zunächst als "magister studentium" im Dominikanerorden). 1484 beging er als Häftling in Basel Selbstmord, nachdem sein Versuch eines gegen Papst Sixtus IV. gerichteten Reformkonzils gescheitert war.
Das vorliegende Buch von Jürgen Petersohn thematisiert nach einem Einleitungskapitel sowie einer zusammenfassenden Darstellung des Quellen- und Forschungsstandes zur Vorgeschichte erstens Jamometićs Rolle als kaiserlicher Gesandter während der Pazzi-Krise von 1478/79 (20-79), zweitens seine Rolle als Kurienbischof bis 1481 (80-103), drittens die Krise in seinem Verhältnis zu Papst Sixtus IV. (104-129) und abschließend die Voraussetzung für sein späteres Auftreten als "Kardinal" von S. Sisto (130-138). Ergänzt werden diese Untersuchungen durch eine Zusammenstellung der Rom-Instruktionen Kaiser Friedrichs III. für Jamometić (1478-1480) sowie durch die kritische Edition von 18 bisher ungedruckten Quellen aus den Jahren 1479 bis 1484 (142-178). Ein Orts- und Personenregister rundet das Buch ab.
1478/79 war die politische Geschichte Italiens und des Papsttums wesentlich geprägt von den Folgen der Florentiner Pazzi-Verschwörung gegen die Medici, in die Papst Sixtus IV. persönlich verwickelt war. Petersohn zeigt am Beispiel der diplomatischen Missionen Jamometićs die europäische Dimension dieser Krise auf, die dessen Auftraggeber, Kaiser Friedrich III., einzudämmen bemüht war. Der Kaiser sah durch den Konflikt den Status der Christen gegenüber den Osmanen bedroht (37) und hielt die ganze Aufregung "propter unum merchatorem" (39) offenbar schon aus Standesdünkel heraus für überzogen. Umgekehrt urteilten die Florentiner, die wenige Tage zuvor eine prunkvolle Gesandtschaft des französischen Königs empfangen hatten, mit Geringschätzung über den kaiserlichen Gesandten und seine bescheidene Begleitung (46 f.). Von Sixtus IV. wurden Jamometić sowie der Vertreter Maximilians von Burgund dagegen "im Sinne gleichberechtigter Verhandlungspartner" zu allen Konsistorien hinzugezogen, auf denen die Vertreter Ludwigs XI. und der Ligamächte auftraten (50). In den folgenden diplomatischen Auseinandersetzungen, die Petersohn in einer quellengesättigten Darstellung (50-72) beschreibt, kam es zwischen Jamometić und den französischen Ambassadeuren wiederholt auch zur Eskalation von Meinungsverschiedenheiten über den Status des Kaisers und des "Roy trés-Chrestien". Sixtus IV. wusste dies geschickt auszunutzen, um die französischen Vertreter von ihrem eigentlichen Auftrag abzulenken, und es wird deutlich, dass Jamometić einen wesentlichen Anteil daran hatte, dass der Papst sich letztlich erfolgreich aus der für ihn höchst gefährlichen Lage herausmanövrieren konnte. Dies war kein zufälliges Ergebnis. Petersohns Studie lässt plausibel erscheinen, dass Jamometić "mit Sixtus zweifellos in engerem Einvernehmen stehend, als aus den offiziellen Akten hervorgeht, auf die richtigen Einsätze gewartet" und so dem Papst "Entlastung verschafft" hat (72).
Aus diesem diplomatiegeschichtlichen Hintergrund folgt, dass Sixtus IV. Jamometić zu großer Dankbarkeit verpflichtet war. Das war auch die Auffassung Friedrichs III., die dieser in einem von Petersohn im Anhang erstmals edierten Brief in auffallend warmherzigem Tonfall kundtat. Der Nürnberger Rat empfahl Sixtus in einem Schreiben vom 19. Oktober 1479 sogar ausdrücklich die Erhebung Jamometićs zum Kardinal. Dies - so vermutete seinerzeit der päpstliche Skriptor und Sekretär Sigismondo dei Conti - könnte Sixtus damals auch tatsächlich dem Erzbischof von Krain versprochen haben. Petersohn diskutiert diese Quellen am Schluss des Buches im Hinblick darauf, ob sie zu einer Erklärung dafür beitragen können, dass Jamometić sich während seines Basler Konzilversuchs als "Kardinal von S. Sisto" betitelte. Aufgrund der Vakanz der Titelkirche von S. Sisto zwischen 1480 und 1485 folgert Petersohn, dass Sixtus sein mutmaßliches Versprechen sogar mit diesem konkreten Titel verbunden haben könnte und sich daran insofern gebunden fühlte, als er den Titel nicht anderweitig vergab.
Diese hypothetische Überlegung veranschaulicht, dass trotz der bedeutenden Quellenfunde Petersohns eine abschließende Beurteilung Jamometićs weiterhin sehr schwer fällt, wenn sie nicht unmöglich ist. Es fehlt an Quellen über Jamometićs Beziehungsnetz an der Kurie (82). Die meisten Fakten, die Petersohn ans Licht bringt, sind unauffällig: In zwei Fällen, in denen er besonders kompetent erschien, wurde ihm an der Kurie die päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit übertragen. Pfründen- und Geldzuweisungen an Jamometić durch den Papst hatten einen bescheidenen Umfang. Petersohn wertet sie als zur Sicherung einer standesgemäßen Lebensführung übliche Kompensation für die aus dem Erzbistum Krain erwartungsgemäß ausbleibenden Einnahmen, aber wohl zu Recht auch im Sinne eines grundsätzlichen päpstlichen Wohlwollens.
Über die Art und Weise, wie Jamometić dieses päpstlichen Wohlwollens verlustig ging, konnte Petersohn keine neuen Quellen aufspüren. Wir sind weiterhin auf die "allgemeinen Umschreibungen" (112) im Kontext des Basler Konzilsversuchs von 1482 angewiesen. Offenbar hat Jamometić in einer über die allgemeine Reformrhetorik der Zeit hinausgehenden Weise die Zustände an der römischen Kurie angeprangert und dabei auch namentlich Vorwürfe gegen den Papstnepoten Graf Riario artikuliert. Durch diesen wurde er im Juni 1481 im Auftrag des Papstes verhaftet und auf der Engelsburg eingekerkert. Nach drei Monaten wurde er in Folge des energischen Einspruchs Friedrichs III. wieder freigelassen und zusätzlich in einer Audienz unter demonstrativen päpstlichen Gunsterweisen auch voll rehabilitiert. Auch wenn die hier von Sixtus demonstrierte "Größe" (127) zunächst mit subtilen Nebenabsichten verbunden sein mochte, so zeigen doch vergleichbare Fälle, dass Jamometić eine echte "zweite Chance" an der Kurie geboten war, freilich unter der unausgesprochenen Voraussetzung, dass er von nun an zu einer gefälligeren Verhaltensweise bereit sein würde. Das war er allerdings nicht und reiste einige Wochen später unter unbekannten Umständen ab.
Das Buch ist ungemein spannend und zugleich auch Beispiel für gediegene historische Forschung, vorbildliche Editionstechnik und umsichtige Kontextanalysen. Es führt uns exemplarisch die europäische Dimension der Diplomatiegeschichte am Papsthof im 15. Jahrhundert vor Augen. Dabei bringt es einen hohen Erkenntnisgewinn für die Geschichte der Pazzi-Krise und der Italienpolitik Kaiser Friedrichs III. sowie des französischen Königs Ludwigs XI. Die Quellenlage über die mit Selbstmord endende Biografie Jamometićs bleibt weiterhin einer unvollständigen Kriminalakte vergleichbar. Petersohns Funde erhellen den Ermittlungsstand insoweit, als Jamometićs Reformbemühungen in Rom und sein Konzilsversuch in Basel künftig nicht mehr einfach als beleidigte Reaktion in Folge der ihm versagten Kardinalserhebung oder als spontane Rache gegen seine Einkerkerung bewertet werden dürfen. Die Verdienste Jamometićs in der Pazzi-Krise waren sicherlich einen Kardinalshut wert gewesen, und mir scheint, dass ein zielstrebiger Karrierist unter ähnlichen Voraussetzungen auch einen solchen erworben hätte. Jamometić - das wird in dem Buch deutlich - war aber kein Karrierist um jeden Preis. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang auch Petersohns Feststellung: "Zu den engagierten und erfolgreichen Pfründenjägern, von denen es damals am Papsthof wimmelte, hat Jamometić nicht gehört" (90). Jamometić erscheint als ein aufrichtiger, ja für ein politisch erfolgreiches Leben wohl zu aufrichtiger Charakter, der deshalb vom Papst geachtet, aber in zunehmendem Maße auch gefürchtet wurde. Eine markante Renaissancepersönlichkeit, der künftig nicht nur in der Diplomatiegeschichte, sondern auch in der Kirchengeschichte ein ernst zu nehmender Platz gebührt, der Platz eines eigenwilligen Reformators vor der Reformation. Petersohn hat Jamometić einleitend mit dem viel bekannteren Girolamo Savonarola vergleichen. Die Parallelen sind einleuchtend, auch wenn Jamometić nie so viel konkrete Macht besessen hat wie später sein Ordensbruder in Florenz.
Thomas Michael Krüger