Jürgen Petersohn: Kaisertum und Rom in spätsalischer und staufischer Zeit. Romidee und Rompolitik von Heinrich V. bis Friedrich II. (= Monumenta Germaniae Historica. Schriften; Bd. 62), Hannover: Hahnsche Buchhandlung 2010, LVI + 432 S., ISBN 978-3-7752-5762-6, EUR 60,00
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Jürgen Petersohn hat sich seit über 35 Jahren mit der Geschichte Roms beschäftigt und auch seine Schüler zur Auseinandersetzung mit der Thematik angeregt. Seit 1974 hat er bis in die jüngste Zeit zahlreiche und grundlegende Beiträge für die salische und staufische Epoche veröffentlicht, die um den Themenschwerpunkt Kaisertum und Rom kreisen. Das nun vorgelegte Buch darf als die Summe seiner Arbeiten zu dieser Thematik gelten, stellt jedoch bei Weitem mehr dar als eine bloße Zusammenfügung vorheriger Forschungsergebnisse. Petersohn spannt den Bogen auf 406 Seiten und in 20 Kapiteln von Heinrich V. bis zu Friedrich II. Zentraler Gegenstand ist dabei stets die Wechselwirkung von Romidee und Rompolitik und damit eine Darstellung des Verhältnisses von Kaisertum und Rom in ideengeschichtlicher Perspektive.
Mit Heinrich V. tritt das Kaisertum in einen Dialog mit dem römischen Gemeinwesen ein, nimmt es als kommunikatives Gegenüber wahr. Diese Phase ist nach Petersohn als der Grundstein für die weitere Entwicklung zu betrachten. Denn durch die Akzeptanz des römischen Gemeinwesens als eigenständige Größe wurde der römische Dialog der Kaiser neben dem Papsttum um eine Komponente erweitert. Er wurde in eine "Dreierkonstellation rombezogener politischer Potenzen" (19) überführt. Einen ganz besonderen Ausdruck fand diese neue Akzeptanz des römischen Gemeinwesens durch den Kaiser im berühmten Zug Heinrichs V. auf das Kapitol, dem Petersohn in ideengeschichtlicher Perspektive eine "politisch-ideelle Wertigkeit" (29) für beide Seiten beimisst und den er vor Kurzem unter reichsgeschichtlicher Perspektive eingehend untersucht hat. [1]
Akzentuiert Petersohn bei Heinrich V. eine imperiale Romidee und spricht von einer durch Heinrich V. geformten Romidee, so betont er bei Lothar III. die Entwicklung einer stadtrömischen Kaiseridee, wie sie in dem Schreiben der Römer an Lothar III. vom 18. Mai 1130 zum Ausdruck kommt. Die Forderung der Römer nach einer Beteiligung an der Kaisererhebung war zwar "nicht grundsätzlich neu, obgleich in Form und Ausmaß für den Angesprochenen [i. e. Lothar III.] kaum akzeptabel" (45). Den starken Wandel eines durch Heinrich V. geprägten Kaiser-Rom-Verhältnisses hin zum Forderungskatalog unter Lothar III. erklärt Petersohn durch eine auf die Dauer mangelnde Unterstützung der Römer für das Konzept Heinrichs V., was seine Ursache wiederum in der "notorischen Labilität der städtischen Machtverhältnisse" (45) gehabt habe. Dass die Romvorstellungen noch fließend waren, ja selbst im Werk eines Autors, demonstriert Petersohn anschließend anhand der Werke des Petrus Diaconus, allen voran die Graphia aureae urbis Romae. So wichtig Rom für das politische Denken des Petrus Diaconus war, so ist doch keine stringente Romvorstellung bei ihm greifbar. Das Beispiel des Petrus Diaconus dient Petersohn zudem dazu, zu betonen, dass die dort zu fassenden Ideen keine unmittelbaren Auswirkungen auf die weitere politische Geschichte hatten, dass Romideen auch ohne die Bemühung um eine Rückkopplung an das weitere Schicksal Roms formuliert wurden (79).
Breiteren Raum nehmen die Ausführungen zur Romidee der 1143 entstandenen Kommune beziehungsweise der Senatsbewegung ein. Die Träger der sich nun formierenden Romidee waren "Bürger", der römische Adel von dieser Romidee ausgeschlossen. Sie knüpfte zwar nicht direkt an die von Petrus Diaconus entwickelten Gedanken an, favorisierte jedoch teilweise ähnliche Vorstellungen. Die Erklärung ist nicht zuletzt darin zu suchen, dass man sich von der Auffassung lösen sollte, dass "der Romgedanke der kommunalen Ära ... die Schöpfung eines einzelnen Geistes" war (109). Vielmehr erklärt die Vielzahl der Quellen, aus denen sich die neue Romidee speist, die Überschneidungen und Gemeinsamkeiten mit Petrus Diaconus.
Die Römer waren es, die das Kaisertum in der Person Konrads III. wieder mit der - nunmehr gewandelten - Romidee in Kontakt brachten. Diesmal auch mit ganz konkreten Folgen, denn sie boten dem Staufer nun die Kaiserkrone aus den Händen der Römer an. Nach Petersohn liegt hierin der konkrete Anlass dafür, warum unter Konrad III. "das deutsche Königtum erstmals wieder seit den Tagen Heinrichs V. Rom zum Thema seiner politischen Überlegungen und Planungen" machte (110). Konrad akzeptierte das römische Bürgertum als Verhandlungspartner und sah - bei allen Unterschieden - auch eine Schnittmenge zwischen römischer Renovatio und imperialer Romtradition.
Den weitaus größten Raum nimmt in der Abhandlung mit zwölf Kapiteln Friedrich Barbarossa ein, beginnend mit dem Konstanzer Vertrag über die Rolle Roms im Alexandrinischen Schisma, das pactum der Stadt mit Barbarossa, die Folgen der Katastrophe von 1167 und die am Ende der 80er Jahre wieder erfolgte Annäherung zwischen Stadt und Kaiser, maßgeblich durch die geschickte Politik Heinrichs VI. befördert. Von ganz besonderem Wert für die weitere Forschung zu Rom sind hier vor allem die nicht nur in einem einzelnen Kapitel herausgehobenen, sondern auch immer wieder in die Darstellung und den Argumentationsstrang einfließenden Forschungen Petersohns zum römischen Adel dieser Zeit. Petersohn hat hier Grundlegendes geleistet, an dem sich die weitere Forschung orientieren muss. Das gilt in diesem Zusammenhang auch für die Regierungszeit Heinrichs VI., unter dem Rom lediglich ein "Nebenfaktor seiner Interessen" (350) war. Für Heinrich VI. gelte: Rom war "nur noch Mittel zum Zweck, nicht wie für seinen Vater, bestimmendes Element seines Selbstverständnisses" (356).
Der Pontifikat Innozenz' III. brachte - nicht zuletzt bedingt durch den frühen und unerwarteten Tod Heinrichs VI. - das Ende der Epoche einer Rompolitik, die maßgeblich durch Heinrich V. und Friedrich Barbarossa geprägt worden war. Dieser Einschnitt war tief, so dass auch Friedrich II., dem das letzte auf einen Herrscher ausgerichtete Kapitel gewidmet ist, das Rad nicht mehr zurückzudrehen vermochte. Zudem spielte Rom für Friedrich II. nach Petersohn nur noch eine untergeordnete Rolle.
Zum Ende der gesamten Abhandlung finden sich auf 20 Seiten Zusammenfassungen jedes einzelnen Kapitels im Umfang von einer halben bis zwei Seiten. Für die Rezeption des Werkes in der italienischen Forschung wären italienischsprachige Zusammenfassungen sicherlich gut gewesen, doch die Sinnhaftigkeit dieser Zusammenfassungen in deutscher Sprache will dem Rezensenten nicht recht einleuchten, zumal die Ergebnisse einiger Einzelkapitel bereits an deren Ende resümiert werden. Erschlossen wird der Band dankenswerterweise durch ein Orts-, Personen- und Sachregister, dem eine klarere Gliederung - die Aufteilung in 20 Kapitel mag bei manchen Lesern auf den ersten Blick einen additiven Charakter vermuten lassen - sicherlich gut getan und ihm dadurch einen stärkeren Zug verliehen hätte.
Das gesamte Werk zeichnet sich durch eine enge Rückbindung an die Quellen aus. Petersohn bemüht sich stets um eine klare Interpretation, jedoch nicht um den Preis einer Glättung zu Lasten der Quellen. Vielmehr benennt er immer wieder auch Grenzen der Interpretation und die Unmöglichkeit von exakten Zuordnungen (zum Beispiel 9 zu D O. III. 389). Dabei erkennt der Leser durchgängig, dass es sich um die Frucht jahrzehntelanger Auseinandersetzung mit dem Thema handelt. Vielleicht wird man Petersohn nicht in allen Punkten folgen wollen, etwa in der bisweilen zu starken Akzentuierung einer kaiserlichen Aktivität im Austauschprozess zwischen Kaiser und Rom. So könnte man fragen, ob die Romidee Barbarossas doch eher ein auf Einzelsituationen ausgerichtetes Reagieren war als eine weitreichende Konzeption des Stauferkaisers. Vielleicht wird auch an einigen Stellen zu viel unter der Chiffre Barbarossa zusammengefasst, was die Romidee dieses Kaisers dann auch als "außerordentlich komplexes, von verschiedenartigen Traditionen und Motiven gespeistes und auf unterschiedliche Zeitbedürfnisse und Zielgruppen ausgerichtetes Gedankengebilde" (347) erscheinen lässt. Könnten nicht auch einige der Traditionsstränge und Motive bei ihrer Entstehung nie dazu gedacht gewesen sein, zu einer "Romidee" zusammengebunden zu werden? [2]
Doch das sind angesichts der Leistung des Buches Petitessen. Es ist für die weitere Forschung zum Themenbereich Rom und Kaisertum ein herausragender Beitrag, sowohl für das Kaisertum als auch für Rom - und nicht nur für die Zusammenhänge beider. Für die internationale Romforschung ist Petersohns Monographie eine wichtige und für das 12. Jahrhundert ein grundlegendes Referenzwerk. Wer sich ernsthaft mit der Thematik auseinandersetzen möchte, kommt daran nicht vorbei. Es wird die weitere Diskussion bestimmen.
Anmerkungen:
[1] Romedio Schmitz-Esser: Rezension von: Jürgen Petersohn: Capitolium Conscendimus. Kaiser Heinrich V. und Rom, Stuttgart 2009, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 11 [15.11.2009], URL: http://www.sehepunkte.de/2009/11/17062.html
[2] Vgl. in diesem Zusammenhang jüngst Roman Deutinger: Imperiale Konzepte in der hofnahen Historiographie der Barbarossazeit, in: Staufisches Kaisertum im 12. Jahrhundert. Konzepte - Netzwerke - Politische Praxis, hgg. von Stefan Burkhardt / Thomas Metz / Bernd Schneidmüller / Stefan Weinfurter, Regensburg 2010, 25-39.
Jochen Johrendt