Horst Gies: Geschichtsunterricht. Ein Handbuch zur Unterrichtsplanung, Stuttgart: UTB 2004, 307 S., ISBN 978-3-8252-2619-0, EUR 19,90
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Im Vorwort seines Handbuchs zur Planung des Geschichtsunterrichts entwirft Horst Gies als Erklärung seiner Absichten das täglich in zahlreichen Klassenzimmern anzutreffende Bild des perfekt planerisch vorbereiteten, aber dennoch von tausend Ängsten geplagten Berufsanfängers in Studium oder Referendariat, der nun in einer so genannten Lehrprobe seinen Prüfern gegenübertritt: Seine Hauptsorge gilt der vollständigen Planerfüllung unabhängig von allen äußeren Umständen, wie zum Beispiel leider unberechenbaren Schülern. Von dieser weit verbreiteten Form der Unterrichtsplanung möchte Gies sich jedoch distanzieren: "Denkrichtungen und Äußerungen der Lernenden können zwar angeregt werden, sind aber nicht planbar" (11). Unterrichtsplanung bedeutet für ihn nicht das Erstellen eines Planes, der dann zu funktionieren hat und im Verlaufe dessen die Schüler wie Springpferde über den vom Lehrer gestellten Hindernisparcours hüpfen müssen, sondern etwas ganz anderes: "Unterrichtsplanung ist ein theoretisches Konstrukt, um Unterrichtspraxis transparent zu machen und zu verbessern. Wer planlos in schulische Lehr- und Lernprozesse geht, liefert sich und seine Schülerinnen und Schüler Ungewissheiten und den Zwängen des Augenblicks aus. [...] Das Ergebnis wären beliebige Erfahrungen, nicht aber zielgerichtetes Lehren und Lernen. Genau dies, die theoriegeleitete 'gezielte Planung, Organisation, Gestaltung und Reflexion von Lehr- und Lernprozessen' gehört zum 'Kernbereich der professionellen Kompetenz von Lehrerinnen und Lehrern'" (12).
Für den Geschichtsunterricht hat Gies fünf 'Bausteine' entwickelt, mittels derer er diesen Anspruch in Planung umgesetzt wissen will und die zugleich das Gliederungselement des Buches darstellen: 'Voraussetzungen und Bedingungen des Geschichtsunterrichts', 'Ziele des Geschichtsunterrichts', 'Inhalte des Geschichtsunterrichts', 'Methoden des Geschichtsunterrichts' und 'Medien des Geschichtsunterrichts'. Diese Bausteine zeigen schon recht deutlich, dass der Wert des Buches weniger in einer auffallend originellen oder neuartigen Zugriffsweise (welchem Geschichtslehrer oder -didaktiker wäre die Beachtung dieser 'Bausteine' nicht selbstverständlich?) liegt, sondern in einer konzisen Bündelung all dessen, was bei diesen 'Bausteinen' zu sagen und zu wissen ist. Gies formuliert so den Stand der Disziplin und gibt jedem Geschichtslehrer, insbesondere dem Anfänger, übersichtlich alles zur Hand, was dieser für eine schüler- und nicht planorientierte Vorbereitung benötigt. Die 'Bausteine' selbst bieten dann eine Mischung aus theoretischer Grundlegung und praktischer Handlungsanregung. Der häufige Einbezug der Lern- und Entwicklungspsychologie sowie anthropogener Voraussetzungen, in der Geschichtsdidaktik sonst eher weniger im Mittelpunkt des Interesses, erhöht den Gehalt der 'Bausteine' erheblich.
Dass Horst Gies 2004 mit diesen 'Bausteinen' ein beinah identisches Gliederungskonzept wie in seinem 1981 veröffentlichten 'Repetitorium Fachdidaktik Geschichte' (Bad Heilbrunn 1981) verfolgt, mindert nicht den Wert seines Buches, sind die Ausführungen aus dem 'Repetitorium' doch schließlich umfassend aktualisiert worden. Doch auch inhaltlich finden sich so erhebliche Überschneidungen beider Bücher, die bis zu wortgleichen längeren Textpassagen führen (1981, 22 ff. und 2004, 61 ff.), dass hier eigentlich von einer überarbeiteten Neuauflage zu reden sein müsste. Einen gezielten Hinweis auf diese Tatsache, zum Beispiel zwingend im Vorwort, sucht man aber vergebens - ein Umstand, der den Rezensenten mehr als nur verblüffte.
Überlegungen zum Geschichtsbegriff selbst stellt Gies bedauerlicher Weise wenige an. Zwar thematisiert er den Begriff 'Geschichtsbewusstsein' und fächert ihn nach den sieben von Hans-Jürgen Pandel entwickelten Dimensionen auf, zieht danach aber für bedeutende Teile des Buchs keine Konsequenzen aus den Definitionen bei Karl-Ernst Jeismann und Waltraud Schreiber, die Geschichtsbewusstsein beziehungsweise reflektiertes Geschichtsbewusstsein als den zentralen Begriff der Geschichtsdidaktik überhaupt etabliert haben (51-55). Diese Schwäche zeigt sich ganz besonders im 'Baustein' zu den Zielen des Geschichtsunterrichts, in dem von einem doch sehr traditionellen Geschichtsbegriff ausgegangen wird. So heißt es zum Beispiel: "Schülerinnen und Schüler sollen Geschichte lernen, weil sie zum Verständnis und zur Erklärung von Gegenwartsphänomen (Verhältnisse, Institutionen, Probleme, Konflikte und so weiter) beiträgt" (64). Eine derartig positivistische Auffassung vom Ziel des Geschichtsunterrichts wäre weniger problematisch, wenn die Erziehung zu einem reflektierten Geschichtsbewusstsein ebenfalls als Ziel genannt würde. Die zentrale Erkenntnis des Geschichtsunterrichts, dass Geschichte und Vergangenheit nicht identisch sind, spricht Gies in dieser Zielnennung nicht nur nicht an, das formulierte Ziel ist überhaupt nur logisch, wenn vom Gegenteil der zentralen Erkenntnis ausgegangen und Geschichte tatsächlich als ein zeitloses Abbild der Vergangenheit verstanden wird. Auch der Umgang mit dem seit Jeismann nun wirklich eindeutig definierten und operationalisierten Begriff 'Geschichtsbild' ist dann konsequenter Weise strittig. Dem ersten Teil des Satzes ist sicher zuzustimmen, die gezogene Schlussfolgerung geht aber hinter den Stand der gegenwärtigen Geschichtsdidaktik zurück: "Geschichtsunterricht sollte nicht ein fest gefügtes Geschichtsbild anstreben, sondern Geschichtsbilder, die der Orientierung der Heranwachsenden in der sie umgebenen Welt dienen" (74).
Sein Ziel, eine strukturierte Hilfe für eine sinnvolle Planung von Geschichtsunterricht anzubieten, erreicht Gies unbeschadet der genannten Einwände dennoch. So sind die Bausteine zu Methoden und Medien übersichtlich und praktisch umsetzbar; das nach den Bausteinen gegliederte Literaturverzeichnis ist ebenfalls hilfreich. Studierenden im Praktikum und Referendaren sei das Buch jedenfalls insgesamt dann für die Praxis durchaus empfohlen, wenn sie über ein ausreichendes begriffliches Instrumentarium verfügen, den kritischen Einwand zum Geschichtsbegriff selbst zu erkennen und zu überwinden.
Tobias Arand