Daniel Groth: Raum - Waffe - Körper. Der Erste Weltkrieg in deutschen und österreichischen Museen und Ausstellungen (= Historica et Didactica. Forschung Geschichtsdidaktik; 3), St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag 2020, 308 S., ISBN 978-3-8611-0749-1, EUR 54,00
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Krieg als solcher ist nicht ausstellbar. Die Angst, der Schmerz, die Trauer, der Stress der Kämpfer und ihrer Angehörigen, Tod, Leid, Verwundung - all das entzieht sich der musealen Darstellbarkeit jenseits einer reinen Oberflächenabbildung. Diese Oberflächenabbildung wiederum ist stark nach nationalen Perspektiven, museologischen Zugriffsweisen oder narrativen Absichten so weit gefiltert, dass zwischen dem dargestellten Ereignis und dem Besucher eine unüberwindliche Kluft liegt. Diese Kluft lässt sich nicht überwinden, auch nicht mit vielleicht gut gemeinten, aber letztlich unsinnigen, Scheinrealitäten vorgaukelnden musealen Inszenierungen nachgebauter Schützengräben, Riechkästen mit der Aufschrift 'Schlachtfeldgeruch' oder Giftgasangriffsinstallationen - alles schon gesehen und kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen.
Umso verdienstvoller ist es, dass sich Daniel Groth in seiner 2020 in Siegen bei Bärbel Kuhn vorgelegten Dissertation mit der Frage der Darstellbarkeit von Krieg theoriegeleitet und dennoch am konkreten Beispiel arbeitend, auseinandersetzt. Dass die Nichtdarstellbarkeit von Krieg jenseits seiner Zeugnisse für Groth - er bezieht sich dabei auf Gorch Pieken und Manfred Rauschensteiner - Grundprämisse seiner Arbeit ist, kann nur sehr zu begrüßt werden. Nur mit dieser Prämisse kann er zu sinnvollen Ergebnissen kommen. Seine Grundfrage bezieht sich auf die drei Begriffe 'Raum', 'Waffe' und 'Körper', die konstitutiv sind im Augenblick des Kriegsführens und welche die Grundkategorien aller Versuche, Krieg museal auszustellen, sind. Kriegsausstellungen zeigen stets in Räumen kämpfende, sterbende oder tote Körper und sie zeigen die Waffen, die verwendet werden, um auf die Körper in den Räumen und auch auf die Räume selbst einwirken. Dass bei der Präsentation der Waffen oft das Problem der Fetischisierung, Überinszenierung, Sakralisierung besteht, kann jeder bezeugen, der schon mal 'Militärfreaks' bewundernd vor Mitrailleusen, T-34-Panzern oder einer Fokker, wie sie der 'Rote Baron' flog, stehen sah.
Konkret fragt Groth "nach den unterschiedlichen zu verschiedenen Zeiten auftretenden Formen der Musealisierung von Raum, Waffe und Körper sowie den jeweils zugrunde liegenden Zielsetzungen und Perspektiven." (15) Groth ist kein Stilist, wie der Satz beweist, aber erstens ist das in Dissertationen nicht zu erwarten und zweitens schmälert das seine Leistungen in keiner Weise.
Eine theoretische Grundannahme Groths bezieht sich auf das Werk Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes, nach dem gesellschaftliche "Aushandlungsprozesse von Bedeutung (...) als permanentes Ringen um (kulturelle) Hegemonie" erscheinen (28). Groth bezeichnet Museen und Ausstellungen nach Oliver Marchart als "Hegemoniemaschinen" (29). Doch mit Recht ordnet er den Vermittlungs- und Deutungsort 'Museum' auch in den geschichtsdidaktischen Diskurs rund um den Begriff der 'Geschichtskultur' ein.
Nach der theoretischen Hinführung gliedert sich die Arbeit in zwei Teile. Im ersten Teil untersucht Groth 'Raum, Waffe und Körper in Kriegsausstellungen 1914 bis ca. 1990', im zweiten 'Raum, Waffe und Körper in aktuellen Dauer- und Sonderausstellungen'. Ist der Ansatz, sowohl historische Ausstellungen à la longue zu untersuchen, zwar sachlich sinnvoll, erschließt sich die Zäsur 1990 nicht recht. Sie wird mit der deutschen Wiedervereinigung als Ende des DDR-Diskurses begründet - wobei unschöner Weise für Westdeutschland der ostdeutsche Jargonbegriff 'BRD' Verwendung findet. Hier erscheinen dem Rezensenten vielleicht etwas zu viele Teile in einen Zusammenhang gebracht, die doch gesondert und dann vertiefter hätten besprochen werden können. Oder einfach ausgedrückt: Vielleicht wäre an dieser Stelle Exemplarizität besser als Umfassenheit gewesen? Doch das ist letztlich kleinliches Genörgel und sicher auch den Grundanforderungen der Textgattung 'Dissertation' geschuldet. Groth ist viel gereist, hat dabei die Augen offengehalten und deshalb viel beobachtet. Diese Beobachtungen bleiben nicht summarisch, sondern werden konsequent dem theoretischen Ansatz und den 'Raum-Waffe-Körper'-Kategorien zugeordnet.
Die Kritik an aktuellen Ausstellungen und musealen Darstellungen im zweiten Teil, u.a. der Dauerausstellungen im Wiener Arsenal, dem Armeemuseum Ingolstadt oder der temporären Schau des Landschaftsverbands Rheinland, die unter dem Titel '1914 - Mitten in Europa' spektakulär inszeniert in der Essener Zeche Zollverein gezeigt wurde, ist stets fundiert und maßvoll. Gelegentlich bleibt es aber auch bei der Deskription. Wirklich analytisch wird die Arbeit ab dem Schlusskapitel im zweiten Teil. Hier nun liegen für den Leser die reizvollsten Gedanken offen zu Tage, wenn sich Groth z.B. über 'Vertikale Vitrinen' (191ff.) oder über 'Versehrte und tote Körper' fundierte Gedanken macht.
Groths Fazit, dass sich Kriegsausstellungen "in Vergangenheit und Gegenwart immer wieder gewandelt" haben (264) ist wenig überraschend. Der Wert seiner Arbeit besteht darin, dass er überzeugend, material- und gedankenreich beweist, was dem eben zitierten Satz dann als weiteres Fazit folgt: "Dieser Wandel ist Spiegel diskursiver Verschiebungen um Krieg und Gewalt und geschieht immer in Bezug auf oder in Abgrenzung zu tradierte(n) Darstellungsformen." (264)
Tobias Arand