Rafael de Weryha-Wysoczański: Strategien des Privaten. Zum Landschaftspark von Humphry Repton und Fürst Pückler, Berlin: Tenea 2004, 179 S., 45 Abb., ISBN 978-3-86504-056-5, EUR 25,00
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In der Fachliteratur der letzten Jahrzehnte wurde der landschaftliche Garten überwiegend im Hinblick auf die politisch-gesellschaftliche Intention der Gestaltung untersucht: Im Anschluss an Äußerungen von Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts ist man insbesondere der Frage nachgegangen, inwiefern die 'natürliche' Gartenform mit ihren Ausblicken in die freie Landschaft als Ausdruck bestimmter Weltanschauungen beurteilt werden kann und welche emblematische Aussage die verschiedenen Gartenszenen beinhalten. Demgegenüber ist über landschaftliche Gärten als Orte der Privatheit und über die verschiedenen Kunstgriffe der Abgrenzung bisher wenig geschrieben worden. Eine ergänzende Einschätzung verspricht nun Rafael de Weryha-Wysoczańskis Dissertation über Strategien des Privaten und den Landschaftspark bei Humphry Repton und Fürst Pückler. Die Auswahl der beiden Gartenkünstler in Bezug auf die übergeordnete Fragestellung überrascht kaum, handelt es sich doch sowohl bei Humphry Repton als auch bei Fürst Pückler um Vertreter des 'späten Landschaftsgartens', also einer Phase, in der die politische Programmatik des neuen Gartenstils zu Gunsten der sensualistischen Wirkungsästhetik wesentlich an Bedeutung verloren hat.
Im ersten Kapitel wählt de Weryha-Wysoczański jeweils ein Werk der beiden Gartenkünstler aus, um anhand einer genaueren Analyse der Gestaltungsmittel zu zeigen, "daß der Landschaftspark seit spätestens Brown eine visuelle Grenze hatte, meistens die Randbepflanzung (belt), welche durch die Zeitgenossen als Mittel der Eingrenzung des Besitzes verstanden wurde" (15). Er beginnt mit einer Beschreibung der Geschichte von Kenwood House und stellt die Entwicklung vom formalen zum landschaftlichen Garten anhand des kürzlich wieder gefundenen Red Books von Repton dar. Dabei zeigt es sich, dass Reptons 'Verbesserungen' aus den Jahren 1793 bis 1796 im Wesentlichen eine zunehmende visuelle Abschließung des Besitzes von der Umgebung mit sich brachten (34). Auch für Fürst Pücklers Veränderungen in Muskau ab 1811 erkennt de Weryha-Wysoczański ein ähnliches Grundprinzip. Nach einer Analyse der Pückler'schen Eingriffe und des Parkzustandes im Jahr 1816 kommt er zu der abschließenden Einschätzung: "So ist scheinbar der gesamte Park von einer Randpflanzung umgeben [...] - vor allem im äußeren Park - über weite Strecken hindurch [...] in Form eines schmalen Gürtels" (50 f.).
Das zweite Kapitel behandelt verschiedene Kunstgriffe der Abgrenzung bzw. der Ausrichtung der Gärten auf private Nutzung bei Repton und Fürst Pückler sowie deren Ursachen.
Rafael de Weryha-Wysoczański benennt L. C. Brown als Wegbereiter der Randbepflanzung und schildert das Abschirmen von öffentlichen bzw. landwirtschaftlich genutzten Flächen durch Baumgürtel (II, 1), durch "Mauern, Zäune und Gräben" (II, 2) sowie durch "undulierenden Boden" (II, 4). Ein Abschnitt zur "Aneignung von Land" (II, 3) beschreibt das Bestreben der Gutsbesitzer, die Größe des eigenen Besitzes zu demonstrieren, indem die Grenze z. B. durch einen Baumgürtel markiert wird. In jeweils einem Kapitel geht de Weryha-Wysoczański auch auf die veränderte Wegegestaltung und -führung im Zusammenhang mit einer Nutzung der Parks in kleinen Gruppen (II, 5) sowie auf die meist durch eine zweite Grenze abgeschlossenen Gartenkompartimente direkt am Wohnhaus (II, 6) ein. Im letzten Kapitel beleuchtet de Weryha-Wysoczański Gründe für den in Reptons und Pücklers Gestaltungen deutlich werdenden Wunsch nach Privatheit und Rückzug. Ein Anhang mit fünfundvierzig Schwarz-Weiß-Abbildungen historischer Pläne und Ansichten ergänzt die Darstellung.
In ihrem Fokus auf eine bislang eher vernachlässigte Fragestellung bietet die Arbeit de Weryha-Wysoczańskis einen wesentlichen Denkanstoß. Die angeführten Beispiele legen offen, dass viele Gestaltungsideen Pücklers bzw. Reptons darauf abzielten die Aussicht nicht zu öffnen, sondern zu schließen und für den Parkbesucher bestimmte Objekte oder Flächen visuell auszuschließen.
Dennoch ist die Arbeit mit wesentlichen Mängeln behaftet. So ist bereits die Ausgangsfrage unklar: Geht es darum zu zeigen, dass der Landschaftsgarten als solcher, im Gegensatz zum formalen Barockgarten, vom Aspekt der Privatheit geprägt ist? Oder wird die These vertreten, dass nur im späten Landschaftsgarten das Bemühen um Ausschluss der öffentlichen Sphäre erkennbar ist? Ersteres wird z. B. durch die Gegenüberstellung von Landschaftsgarten und Barockgarten in der Einleitung (11), Letzteres durch den Bezug auf Repton und Pückler (23) nahe gelegt.
Auch kann man kaum über 'Privatheit' im 19. Jahrhundert sprechen, ohne die neue Struktur von Öffentlichkeit zu behandeln, die im Zuge der Neu-Definition des Menschen als moralisch-gesellschaftliches Subjekt in der Aufklärung entstand. In de Weryha-Wysoczańskis Arbeit fehlt jedoch eine Ableitung, Definition und theoretische Reflexion der Begriffe 'privat' und 'öffentlich'. Für die Analyse der Parkbeispiele wird lediglich die Frage berücksichtigt, ob die Anlage für die Allgemeinheit zugänglich oder einsehbar war bzw. ob es Ausblicke in Orte der 'Öffentlichkeit' (wie z. B. Städte) gab. Aus der fehlenden Abgrenzung dessen, was als 'privat' verstanden wird, folgen unpräzise und zum Teil verwirrende Formulierungen und Feststellungen, wie z. B. die Folgende: "Die Privatsphäre wird durch Ausweitung des Grundstücks auf das Gebiet des Dorfes erweitert" (74). Auch vermengt de Weryha-Wysoczański ohne jegliche Begründung das Bedürfnis nach Rückzug und andere Gründe für die Anlage von Sichtschutz- oder Randbepflanzungen. Immer wieder werden unter dem Stichwort "Strategien des Privaten" sowohl der Wunsch nach Ausschluss der Öffentlichkeit als auch die visuelle Abschirmung von ästhetisch störenden Elementen sowie der Wunsch nach Sichtbarmachung der Ausdehnung des eigenen Besitzes subsumiert.
Zu kritisieren ist auch, dass Rafael de Weryha-Wysoczański die Entwicklung vom Barockgarten zum Landschaftsgarten bzw. die Entwicklung innerhalb der Landschaftsgartenphase als eindimensionalen Prozess beschreibt, der von einer zunehmenden Betonung des Privaten bestimmt ist. Dagegen ist zweierlei einzuwenden: Erstens gab es innerhalb der barocken Gartenkunst neben repräsentativen Anlagen wie Versailles auch Gärten des Rückzugs und der privaten Nutzung. Zweitens ist innerhalb der Entwicklung des landschaftlichen Gartenstils neben der Tendenz zur Abgrenzung auch eine Tendenz der Ausweitung des Gartens in die freie Landschaft - u. a. im Zuge der Landesverschönerung - zu beobachten. Ein Blick auf ein breiteres Spektrum von Gärten oder Gartenszenen hätte es ermöglicht, das Spannungsfeld privat-öffentlich bzw. (visuelle) Abgrenzung-Aufweitung auszuloten und die beschriebenen Beispiele innerhalb dieses differenzierten Spannungsfeldes zu verorten. Auch hätte man überprüfen sollen, inwieweit sich im Werk der beiden als Musterbeispiel für die Konzeption des abgeschlossenen Gartens gehandelten Künstler auch Aspekte der 'Öffnung' finden lassen. So betont de Weryha-Wysoczański, dass für Fürst Pückler die weiten Parkblicke nicht weiter interessant gewesen seien (66), obwohl er "eigentlich Idealen eines offenen Parks nachzuhängen [schien]" (84), geht aber mit keinem Wort auf die Tatsache ein, dass Pückler seine "Andeutungen über Landschaftsgärtnerei" mit mehreren solcher weiten Blicke illustrierte (so z. B.: tab. XVIII: Blick von der Gloriette auf einen weiten Wiesengrund). Zuletzt sei erwähnt, dass die wiederholten Abweichungen von einer logisch stringenten Abfolge der Argumentation und gedanklichen Sprünge, zahlreiche, ungenaue Formulierungen, sowie die schlechte Qualität einiger Abbildungen die Lektüre des Buches nicht unbedingt zu einem Vergnügen machen.
Fazit: Rafael de Weryha-Wysoczańskis Dissertation liefert eine Übersicht über die Entwicklung der Anlagen "Kenwood House" und "Muskau". Im zweiten Teil werden zahlreiche zeitgenössische Zitate zu den Ursachen des Wunsches nach Privatheit wie zu den Kunstgriffen des Abschließens zusammengestellt, die für die weitere Forschung durchaus interessant sein dürften. Wer sich jedoch eine systematische Aussage über das Verhältnis von Privatheit und Landschaftsgarten im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert erhofft, wird enttäuscht sein. Das etwas unkonkrete Ergebnis der Arbeit ist, "daß Repton, Fürst Pückler und andere Vertreter des Landschaftsstils Mittel angewandt haben, die eine Abschließung des Parkes suggerieren" (145). So gebührt de Weryha-Wysoczański das Verdienst, das Interesse der Gartenforschung auf ein in der bisherigen Literatur vernachlässigtes Thema gelenkt zu haben, eine differenzierte Darstellung der "Strategien des Privaten" innerhalb der landschaftlichen Gartenkunst steht jedoch nach wie vor aus.
Andrea Siegmund