Jürgen Dummer / Meinolf Vielberg (Hgg.): Zwischen Historiographie und Hagiographie. Ausgewählte Beiträge zur Erforschung der Spätantike (= Altertumswissenschaftliches Kolloquium; Bd. 13), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2005, 107 S., ISBN 978-3-515-08661-5, EUR 30,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Lars M. Hoffmann (Hg.): Zwischen Polis, Provinz und Peripherie. Beiträge zur byzantinischen Geschichte und Kultur, Wiesbaden: Harrassowitz 2005
Thomas Gärtner: Untersuchungen zur Gestaltung und zum historischen Stoff der "Johannis" Coripps, Berlin: De Gruyter 2008
Yann Le Bohec: Das römische Heer in der Späten Kaiserzeit, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2010
Jürgen Dummer / Meinolf Vielberg (Hgg.): Leitbilder im Spannungsfeld von Orthodoxie und Heterodoxie, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2008
Meinolf Vielberg: Der Mönchsbischof von Tours im 'Martinellus'. Zur Form des hagiographischen Dossiers und seines spätantiken Leitbilds, Berlin: De Gruyter 2006
Meinolf Vielberg (Hg.): Universitäts- und Bildungslandschaften um 1800. 200 Jahre Philologisches Seminar in Jena, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2020
Die Spätantike steht seit einigen Jahrzehnten im Fokus der Forschung, wie gerade dieser kleine Sammelband wieder einmal belegt, der aus Einzelvorträgen besteht, die an der Friedrich-Schiller-Universität Jena in den letzten Jahren gehalten wurden. Insgesamt enthält das Buch fünf Aufsätze, die sich nach Meinung der Herausgeber unter die Formel "Zwischen Historiographie und Hagiographie" subsumieren lassen. Wie im Vorwort betont wird, sind die Beiträge teils historiografisch bzw. historisch, teils hagiografisch ausgerichtet. Die Herausgeber heben die Zusammenhänge zwischen Historiografie und Hagiografie hervor. Sie gehen davon aus, dass sich historiografische Texte mit hagiografischen sachlich häufig überschneiden, während die Hagiografie auch als historische Quelle benutzt werden kann (7). Eine solche Fragestellung ist völlig korrekt, und ein gleichzeitiger Blick auf beide Forschungsbereiche erscheint zweckmäßig und nützlich.
Der Band gliedert sich in ein Vorwort (7-8), fünf Aufsätze (9-99) und das Register (101-107). Der erste Aufsatz von J. M. Alonso-Núñez (9-25) bildet eine kurze und eher oberflächliche Einführung in das Problem Universalgeschichte. Der Verfasser definiert zuerst den Begriff "Universalgeschichte bzw. Weltgeschichte" als eine Darstellung der Geschichte der Menschheit als Ganzes in räumlicher und zeitlicher Hinsicht (9) und erörtert die Genese der Gattung, wobei er auf die Beschäftigung mit Chronologie durch die Griechen Apollodoros von Athen und Kastor von Rhodos hinweist (11). In diesem Zusammenhang sollten aber auch Hellanikos und Eratostenes genannt werden. Relativ ausführlich äußert sich Alonso-Núñez zu Orosius (13-15). Es folgt eine Aufzählung der Historiker, die Universalgeschichte schrieben. Kurz behandelt werden: Salvianus, Hydatius, Marcellinus Comes, Zosimos, Jordanes, Johannes Malalas, Jahannes Biclarensis, Isidor von Sevilla und Julian von Toledo. Es ist allerdings fraglich, ob Zosimos zu dieser Reihe gezählt werden darf. Die "Neue Geschichte" sollte eher nicht als Weltgeschichte betrachtet werden. In jedem Fall gibt der Verfasser nur die wichtigsten bibliografischen Daten an. Der Aufsatz hat enzyklopädischen Charakter und kann bestenfalls als eine sehr allgemeine Einführung zur Universalgeschichtsschreibung dienen. Es erfolgen weder eine Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur noch eine Analyse speziellerer Fragen. [1]
Der Beitrag von Ch. Gnilka (27-46) behandelt das Verhältnis der frühen Christen zum Greisenalter. Anhand einer ausführlichen Analyse eines Briefes von Hieronymus an Paulus von Concordia (Hier. epist. 10,1 f.) und einer Stelle aus dem Brief des Sulpicius Severus über Martin von Tours (Sulp. Sev. epist. 3,9-13) zeigt Gnilka die Einstellung der Kirchenväter zum Greisenalter auf. Es handelt sich dabei um kulturhistorische Überlegungen zu gewissen Aspekten der Mentalität der frühen Christen. Der Verfasser zeigt klar und überzeugend, was in der Einstellung der Christen 'neu' war. Darüber hinaus enthält der Aufsatz die komplette Bibliografie zum behandelten Thema.
Im Fall der Studie von D. O'Meara (47-60) haben wir es mit einem nicht völlig originellem Beitrag zu tun. Es handelt sich hier, wie der Verfasser selbst betont, um eine leicht veränderte Fassung eines älteren Artikels. [2] Der Verfasser behandelt einige Aspekte der neuplatonischen Metaphysik und zeigt, wie sich Proklos das Göttliche vorstellte und welche Rolle in Proklos' Metaphysik bzw. Theologie die Geometrie spielte. [3] O'Meara nimmt an, dass es Verbindungen zwischen den Architekten der Hagia Sophia (Anthemios von Tralles und Isidoros von Miletos) und Proklos' Schule in Athen gegeben habe und dass in der Struktur der Hagia Sophia die Konzepte und Vorstellungen von Proklos mittelbar zu erkennen seien (58-60).
Mit der Hagiografie beschäftigt sich nur Ph. Régerat (61-78). Régerat behandelt die "Vita Severini" des Eugippius vor dem Hintergrund der Hagiografie des 4. und 5. Jahrhunderts und geht der Frage nach, wie sich ein entworfenes Ideal des Heiligen mit der historischen Situation der Donauregion im 5. Jahrhundert verbindet. Régerat zeigt, dass von Eugippius besonders das politische Wirken des Gottesmannes in einem sozialen Kontext hervorgehoben wird. Im Vordergrund steht das häufige Eingreifen des Severinus in gesellschaftliche Angelegenheiten und Probleme, während das gesellschaftliche Engagement der einzelnen Heiligen in den im Osten verfassten Viten eine deutlich geringere Rolle spielte.
Der letzte Aufsatz ist erneut der Historiografie gewidmet. Bei F. Winkelmanns Studie (79-99) handelt sich abermals um eine gekürzte Fassung eines älteren Aufsatzes. [4] Winkelmann konzentriert sich auf Eusebios von Kaisareia, Laktanz und Praxagoras sowie auf die anonyme "Origo Constantini imperatoris" (der erste Teil der so genannten Excerpta Valesiana) und kann insofern als nützliche Einführung zur Geschichtsschreibung der Epoche Konstantins dienen. Zu Recht hebt Winkelmann die besondere Rolle des Eusebios hervor, der auf die Entwicklung der christlichen Historiografie einen großen Einfluss ausgeübt hat. Die Berücksichtigung der "Origo Constantini imperatoris" im Kontext der Historiografie in Konstantins Epoche erweckt jedoch Zweifel, weil dieses Werk wahrscheinlich erst nach dem Tod Konstantins verfasst worden ist. Sinnvoll wäre es gewesen, auch die anderen Geschichtsschreiber wie Bemarchios und Eustochios von Kaisareia in Kappadokien zu berücksichtigen, die aus der Suda bekannt sind. Sie schrieben in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts, waren Heiden, Kaiser Konstantin gegenüber jedoch positiv eingestellt und übten scharfe Kritik an den Feinden Konstantins.
Es ist schwierig, diesen Sammelband zu beurteilen. Dem Buch fehlt es an innerer Kohärenz, es gibt keine Bezüge zwischen den einzelnen Aufsätzen. Zwei Aufsätze beziehen sich auf die spätantike Historiografie, einer auf die Hagiografie, ein weiterer auf Philosophie, einer schließlich auf kulturhistorische und soziale Vorstellungen und Ideen. Die Beiträge zur Historiografie sind als Überblicke konzipiert. Sie bilden nur eine allgemeine Einführung in die jeweilige Problematik, aber leider nicht mehr. [5] Die anderen behandeln hingegen die konkreten Fragen aus unterschiedlichen Bereichen. Das Einzige, was alle diese Aufsätze verbindet, ist die Spätantike. Wir haben es somit mit fünf unterschiedlichen Aufsätzen zu tun, nicht hingegen mit einem Buch. Forscher, die sich mit der spätantiken Historiografie oder Hagiografie beschäftigen, könnten enttäuscht sein, weil sie in diesem Sammelband wenig für ihre Arbeiten finden. Kritisch muss man die Tatsache beurteilen, dass zwei Aufsätze bereits früher erschienen sind. So entsteht die Frage, zu welchem Zweck fast dasselbe zweimal in verschiedenen Sammelbänden veröffentlicht wird? Zusammenfassend kann man feststellen, dass nur die Einzelbeiträge zu den speziellen Fragen nützlich sein dürften. Es handelt sich insbesondere um die Texte von Gnilka und von O'Meara, die sehr informativ und tiefgründig sind. Das Buch als Ganzes jedoch trägt zur Erforschung der Spätantike grundsätzlich wenig bei.
Anmerkungen:
[1] Besonders im Bereich der frühbyzantinischen Chronografie ist noch viel zu tun, dazu vgl. E. Jeffreys / B. Croke / R. Scott: Studies in John Malalas, Sydney 1990.
[2] D. O'Meara: Geometry and the Divine in Proclus, in: L. Bergmans / T. Koetsier (Hg.): Mathematics and the Divine, Amsterdam 2004.
[3] Zu Proklos vgl. L. Siovranes: Proclus. Neo-Platonic Philosophy and Science, Edinburgh 1996; W. Beierwaltes: Proklos. Grundzüge seiner Metaphysik, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1979.
[4] F. Winkelmann: Historiography in the Age of Constantine, in: G. Marasco (Hg.): Greek and Roman Historiography in Late Antiquity, Leiden / Boston 2003, 3-41. Hier auch eine ausführlichere Bibliografie.
[5] Bessere Einführung zur spätantiken Historiografie bieten jetzt D. Rohrbacher: The Historians of Late Antiquity, London / New York 2002, und G. Marasco (Hg.): Greek and Roman Historiography in Late Antiquity, Leiden / Boston 2003, an.
Dariusz Brodka