Jörg Rüpke: Fasti sacerdotorum. Die Mitglieder der Priesterschaften und das sakrale Funktionspersonal römischer, griechischer, orientalischer und jüdisch-christlicher Kulte in der Stadt Rom von 300 v.Chr. bis 499 n.Chr. (= Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge; Bd. 12, 1-3), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2005, 3 Bde., 1860 S., 1 CD-ROM, ISBN 978-3-515-07456-8, EUR 140,00
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Es ist schon ein monumentales Werk, das hier anzuzeigen ist. Am ehesten vergleichbar ist es, zumindest wenn man die Bände I und II für sich betrachtet, mit der großen Arbeit von T. Robert S. Broughton zu den Magistraten der römischen Republik. [1] Daher ist zu befürchten, dass die beiden prosopografischen Bände ein ähnliches Schicksal wie das Werk Broughtons haben werden: Man konsultiert sie gerne, man schimpft, wenn man wider Erwarten etwas, das man zu finden hoffte, nicht oder nur mit Fehlern behaftet findet. Aber man würdigt in der Regel kaum den enormen Einsatz an Arbeit und Intellekt, die hinter der Präsentation solcher Arbeiten stecken.
Band I (9-646) steht in seiner konzeptionellen Anlage eindeutig in der Tradition Broughtons, obwohl dessen Jahresfasten der römischen Magistrate eine wesentlich deutlicher konturierte Gruppe umfasste. So ist durch die auf ein Jahr limitierte Dauer der magistratischen Amtsbekleidung wesentlich mehr Sicherheit bei der Zuordnung in ein bestimmtes Jahr gegeben. In der Sammlung Rüpkes findet sich unter einem Jahr (z. B. 81 n. Chr.) auf knapp zwei Seiten (238-239) eine Vielzahl von Namen aufgeführt, deren Funktionen vom amtierenden pontifex maximus (dessen Amtszeit ist in der Regel genau bekannt) bis zum aedituus des Concordia-Tempels reicht. Zumindest in den niedrigeren Rängen sind die Personen eher zufällig für dieses Jahr gesichert.
Pflichtlektüre für jeden ernsthaften Benutzer sind die Ausführungen hinsichtlich der Aufnahmekriterien für diese Sammlung (19-38), die man genau studieren sollte, um vor Überraschungen sicher zu sein. Während die Kriterien für die senatorischen und ritterlichen Priesterämter unstrittig sind, kann man vor allem bei den rangniederen Funktionen, die sich in der Gruppe des 'sakralen Funktionspersonals' wieder finden, durchaus anderer Meinung sein. Hat ein Hausmeister (aedituus) irgendwelche sakrale Funktionen? Hier hat man die Aufnahmekriterien sehr liberal ausgelegt, was vieles ins Netz gespült hat, was der Rezensent überhaupt nicht aufgenommen hätte. Aber hier wird wohl jeder ernsthafte Benutzer sein eigenes Selektionsprinzip entwickeln müssen und sich das heraussuchen, was er wirklich braucht. Die für solche Aktionen zwingend notwendige Materialbasis wird durch Rüpkes Sammlung auf jeden Fall geliefert.
Band II des durchpaginierten Werkes (also die Seiten 655-1388) liefert insgesamt 3590 knappe biografische Notizen zu den verschiedenen Priestern aus Band I. Dabei ist es für den aktuellen Stand unseres Wissens schon sehr ernüchternd, wenn sich in den meisten Fällen lediglich ein knapper Verweis auf eine einzige Inschrift oder Quellenstelle findet, in der dieser Namen nachgewiesen werden konnte.
Damit ist auch ein kleines Dilemma dieser Sammlung angesprochen, das Problem der Priesternamen, die durch den Kontext ihrer einzigen Erwähnung als fiktiv angesehen werden müssen oder zumindest dubios sind. Ich habe mir willkürlich die Behandlung des Klerikers Fabianus (2) und des möglichen pontifex Fabius herausgegriffen, die zwischen den Nummern 1579 und 1580 aufgeführt werden. Beide werden von den Bearbeitern als fiktiv eingestuft und erhalten daher keine eigene Nummer, was die Zahl der von Rüpkes Team behandelten Priester noch deutlich erhöht. Die Gründe für die Einstufung werden in einem kleinen Artikel mit Verweis auf die einschlägige Literatur dargelegt.
Für den weniger an der prosopografischen Detailforschung interessierten Benutzer dürfte vor allem Band III (1355-1860) nützlich sein, der neben den methodisch notwendigen Informationen auch so etwas wie eine Organisations- und Arbeitsgeschichte römische Priester liefert. Eine Reihe der hier angesprochenen Themen war der Fachwelt bereits durch frühere, allerdings oft an sehr abgelegenen Plätzen vorgelegte Publikationen Rüpkes bekannt, vieles ist aber offensichtlich eigens für diese Publikation geschrieben worden. Dies ist der Band, der in den Augen des Rezensenten auf die Dauer sicherlich die größte Wirkung in der Fachwelt erzielen dürfte. In einigen Belangen hat man hier dank der zusammengetragenen Informationsfülle fast einen kleinen 'Wissowa redivivus' vor sich. Trotzdem ist es schon sehr ernüchtern, wie oft man bei der Lektüre feststellen muss, wie gering und vor allem wie zufällig unsere Kenntnis ist, wenn es um das Funktionieren der römischen Religion geht.
Wenn dem Rezensenten etwas generell problematisch erscheint, dann ist die Verwendung des von Rüpke fast durchgehend verwendeten Begriffs 'Kultspezialist' für Priester. Natürlich sollte jeder Priester in der Regel besondere Kenntnisse für seine Arbeit nachweisen können, doch sind damit sicherlich nicht alle Aspekte beschrieben oder angesprochen, die antike Priester selbst in der regionalen Beschränkung Rüpkes aufwiesen.
Der Rezensent ist der Überzeugung, dass antikes Priestertum doch etwas komplexer ist, als es nach dem Bild dieser Sammlung scheinen könnte. Die Spanne reicht von den priesterlichen Kompetenzen, über die jeder römische Amtsträger automatisch als Resultat des imperium cum auspiciis verfügte, bis hin zu den Vertretern orientalischer Kulte, die sogar eine besondere körperliche Eignung nachweisen mussten (Beschneidung), bevor sie überhaupt amtieren durften. Zwischen diesen extremen Positionen sind praktisch alle Varianten von Priestertum möglich.
Trotz gelegentlicher Vorbehalte ein 'opus magnum', dessen Erfolg am ehesten durch die niedrigen Bibliotheksetats behindert werden dürfte.
Anmerkung:
[1] T. Robert S. Broughton: The magistrates of the Roman republic, 3 Vols., New York 1951-1986.
Peter Herz