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Matthias Manke / Ernst Münch (Hgg.): Verfassung und Lebenswirklichkeit. Der Landesgrundgesetzliche Erbvergleich von 1755 in seiner Zeit, Rostock: Schmidt-Römhild 2007
Matthias Manke / Ernst Münch (Hgg.): Unter Napoleons Adler. Mecklenburg in der Franzosenzeit, Rostock: Schmidt-Römhild 2009
Wolfgang Huschner / Ernst Münch / Cornelia Neustadt u.a. (Hgg.): Mecklenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte, Kommenden und Prioreien, Rostock: Hinstorff 2016
Kurz nach seiner Edition des Rostocker Grundregisters [1] wandte sich Ernst Münch, Professor für Mecklenburgische Landesgeschichte an der Universität Rostock, einer vergleichbaren Wismarer Quelle zu, die ihr Rostocker Pendant an Umfang und Aussagekraft sogar noch übertrifft. Verfasst vom Wismarer Bürgermeister Anton Scheffel während der Zeit der dänischen Besetzung Wismars (1675-1680), war diese Kompilation ursprünglich intendiert als Hilfsmittel für innerstädtische Grundstücksgeschäfte. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts gab es in Wismar zahllose Prozesse wegen unklarer Besitzverhältnisse an Immobilien, da vor allem im 16. und 17. Jahrhundert eine Vielzahl von Besitzveränderungen vorgegangen, kleinere Grundstücke für repräsentative Neubauten zusammengelegt und Besitzveränderungen während des Dreißigjährigen Krieges und in der frühen Schwedenzeit nur nachlässig vermerkt worden waren. Scheffel, der nicht nur als Bürgermeister zwischen 1663 und 1672 im Ratsgericht, sondern auch als Assessor am schwedischen Oberappellationsgericht, dem Wismarer Tribunal, mit einer Vielzahl dieser Prozesse befasst war, nutzte die Zeit seiner temporären Rückkehr auf den Bürgermeisterposten, um die Eigentumsverhältnisse aus dem Ratsarchiv zu rekonstruieren und sie ein für allemal festzuhalten. In einer beispielgebenden Arbeitsleistung sah er zwischen März und Oktober 1677 alle einschlägigen Papiere im Ratsarchiv durch und schuf einen Entwurf, bis zum Ende des Jahres 1680 die Reinschrift des Grundbuches. Letztere bildet die Grundlage für die Edition und ist auf 499 beidseitig beschriebenen Blättern überliefert, wobei pro Seite jeweils zwei Grundstücke bzw. Gebäude eingetragen sind und der nötige Platz für die Angabe von Besitzerwechseln gelassen wurde. Dieser Platz war zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf vielen Seiten erschöpft, so dass neue "Hausbücher" angelegt werden mussten.
Obwohl Scheffel angetreten war, das Wismarer Stadtbuchwesen zu vereinfachen und zu vereinheitlichen, änderte er bei der Aufnahme der Grundstücke doch mehrfach seine Vorgehensweise. Die meisten Straßen nahm er in alphabetischer Reihenfolge auf, einige jedoch auch nach den Himmelsrichtungen bzw. nach ihrer Nachbarschaft. Dieses "System" wird umso verwirrender, als er den Wechsel zwischen den verwendeten Methoden in seinem Vorwort nicht erläutert oder begründet. Umso dankbarer folgt der Nutzer den geduldigen und gründlichen Versuchen des Herausgebers, Licht in das Dunkel der Wismarer Systematisierungsversuche zu bringen, und vergleicht mit ihm das verschiedenartige Vorgehen Scheffels zwischen Entwurf und Reinschrift.
Scheffel folgt bei seiner Aufnahme der Gebäude dem folgenden Muster: In der Kopfzeile werden auf jeder Seite Straßenname und Straßenseite mit Angabe der Himmelsrichtung genannt. Es folgen die Nummern des Grundstücks bzw. Gebäudes, Angaben zur früheren (vor 1680) und jetzigen (1680) Qualität der Immobilie (Bude, Brauhaus, wüste Stelle, Torweg etc.), die Angabe der Eigentümer in chronologischer Reihenfolge, auf der Immobilie haftende Ansprüche und Renten, der Zeitpunkt ihrer Eintragung und eventuellen Tilgung. Die Edition modernisiert und systematisiert diese Einträge, indem sie in der Kopfzeile jeder Seite die Straße nennt, zu Beginn jeder Reihe Himmelsrichtung und Ausgangspunkt angibt, danach die vom Herausgeber vergebene neue durchlaufende Nummerierung der Grundstücke, die Nummerierung bei Scheffel in Klammern, die Seite im Grundbuch und die Nummer im neuen Stadtbuch ab 1838 sowie auf dem Glashoff-Plan von 1833, unter der die Immobilie verzeichnet wurde (1), die Qualität der Immobilie vor 1680 (2) und um 1680 (3), die Bezüge zwischen dem angegebenen und anderen Grundstücken (4), die Besitzer (5) und die Ansprüche (6) in chronologischer Reihenfolge untereinander auflistet. Divergierende Angaben in Entwurf und Reinschrift werden quellenkritisch vorbildlich miteinander verglichen, nötige Nachträge in die Reinschrift übernommen und kommentiert.
Um die Grundstücke zu finden, sind der Edition Kartenausschnitte mit den Plänen des Subrektors Andreas Pauli, der Glashoff-Plan von 1833 sowie für die Stadtfeldmark Karten aus dem Archiv der Hansestadt Wismar beigegeben worden. In diesen Karten sind die Grundstücksnummern verzeichnet, so dass man das interessierende Grundstück vergleichsweise einfach herausfinden kann. Dieses System bildet den Anlass für die einzige wesentliche Kritik des Rezensenten. Für "normale" Nutzer wäre eine Konkordanz zwischen den heutigen Grundstücken und denen auf den Karten gezeigten von 1838 sehr hilfreich gewesen. Unter den jetzigen Umständen ist es nicht leicht, das gewünschte Gebäude ausfindig zu machen, eine letzte diesbezügliche Anstrengung des Bearbeiters hätte die Benutzbarkeit des Werkes deutlich erleichtert.
Ungeachtet des Buchtitels umfassen die Einträge in zahlreichen Fällen Besitzwechsel zwischen dem frühen 16. und dem späten 19. Jahrhundert, in einem sogar seit 1395 (!), die Rentenansprüche datieren häufig bis in das 15. Jahrhundert zurück und betreffen zumeist geistliche Einrichtungen. Der Rezensent hätte sich einen deutlichen Verweis in der Titelei auf den tatsächlichen zeitlichen Umfang des Grundbuches gewünscht, da viele Mittelalterhistoriker die sehr empfehlenswerte Edition unter diesen Umständen nicht in die Hand nehmen werden.
Dies wäre sehr schade, denn nach den Editionen der beiden älteren Stadtbücher durch Friedrich Techen [2] und Lotte Knabe [3] eröffnen sich der Stadtgeschichtsforschung mit Hilfe der 1807 regulären Ein- und der 12 Nachträge im vorliegenden Grundbuch, das durch Straßenregister, Ortsverzeichnis und Personenregister zuverlässig erschlossen ist, faszinierende Möglichkeiten u.a. zur Rekonstruktion des mittelalterlichen Stadtbildes Wismars, zur Sozialtopographie der Stadt, für prosopographische Fragestellungen, zur Finanzierung der Kirchen und deren karitativer Einrichtungen, für Besitzerwechsel oder konjunkturelle Fragen. Der sehr aktiven Wismarer Bauforschung ist dieses Werk ein willkommenes Hilfsmittel. Der Herausgeber sowie Frank Braun (Wismar) geben in ihrer Einleitung zahlreiche instruktive Hinweise zu Forschungsperspektiven; es bleibt zu hoffen, dass diese in den kommenden Jahren genutzt werden. Auf diese Weise sollte die Wismarer Stadtgeschichte einen erheblichen Schub erhalten und die zwar verdienstvollen, aber doch in vielen Fragen veralteten Stadtgeschichten Friedrich Crulls und Friedrich Techens berichtigt und um neue Fragestellungen ergänzt werden können.
Interessant ist beispielsweise die Entwicklung des für die Wismarer Wirtschaft bedeutenden Brauwesens. So lassen sich für das Ende des 15. Jahrhunderts 180 Brauhäuser nachweisen, deren Zahl um 1600 auf 120, 1680 auf 100 gesunken war. Mit Hilfe der Ratsakten sowie hunderter Prozessakten allein mit Beteiligung der Brauerkompanie, die im Archiv der Hansestadt Wismar überliefert sind, lässt sich die rein quantitative Aussage des Grundbuches qualitativ untersetzen. Die Gründe für den Niedergang des Brauwesens werden sichtbar, wenn man zum einen um die Überregulierung durch Brauerkompanie und Rat weiß, die Innovationen jahrzehntelang weitgehend verhinderte, und zum anderen das Wegbrechen des Mecklenburger Marktes für Wismarer Bier durch die Schwedenherrschaft über die Stadt und ihre Umgebung in Rechnung stellt. Wie im genannten Fall ergeben sich für die Stadtgeschichtsforschung zahlreiche weitere Möglichkeiten zur Anknüpfung an und Auswertung dieser beispielgebenden Edition. Interessant ist das Werk nicht nur für die Wismarer oder mecklenburgische Geschichte, die teilweise jahrhundertealten Beziehungen zu Braunschweig (8 Einträge), Hamburg (27), Lübeck (26) oder Stockholm (4) werden sichtbar und erweitern das Feld der Interessenten für diese empfehlenswerte Veröffentlichung. Wismar ist mit dieser Edition von der Zugänglichkeit der Quellen her nun in eine Reihe zu stellen mit Anklam, Bozen, Bergedorf, Greifswald, Limburg, Preßburg (Bratislava), Regensburg, Rietberg, Salzwedel, Stralsund, Stuttgart, Sulza oder Weimar, die alle über neuere Stadtbucheditionen verfügen. Die Veröffentlichung Münchs rangiert qualitativ dabei durchaus auf den vorderen Rängen.
Anmerkungen:
[1] Ernst Münch (Hg.): Das Rostocker Grundregister (1600-1820) (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Mecklenburg, Reihe C: Quellen zur mecklenburgischen Geschichte; Bd. 2/1-2/III), Rostock 1998-1999.
[2] Friedrich Techen (Hg.): Das älteste Wismarer Stadtbuch von etwa 1250 bis 1272, Wismar 1912.
[3] Lotte Knabe (Hg.): Das zweite Wismarer Stadtbuch 1272-1297 (= Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte, Neue Folge; Bd. 14), Weimar 1966.
Nils Jörn