Stefan Rebenich: Die 101 wichtigsten Fragen: Antike (= Beck'sche Reihe; 1689), München: C.H.Beck 2006, 160 S., 12 Abb., 2 Karten, ISBN 978-3-406-54105-6, EUR 9,90
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Matthias Gelzer: Caesar. Der Politiker und Staatsmann. Neudruck der Ausgabe von 1983 mit einer Einführung und einer Auswahlbibliographie von Ernst Baltrusch, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2008
Peter Derow / Robert Parker (eds.): Herodotus and his World. Essays from a Conference in Memory of George Forrest, Oxford: Oxford University Press 2003
Klaus Tausend: Im Inneren Germaniens. Beziehungen zwischen den germanischen Stämmen vom 1. Jh. v. Chr. bis zum 2. Jh. n. Chr., Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2009
Jeder, der unterrichtet, weiß, wie hilfreich es manchmal sein kann, einen komplexen und deshalb schwer zugänglichen Sachverhalt in Fragestellungen aufzugliedern. Es ist daher eine gute Idee des Beck-Verlages gewesen, ein knappes und allgemein verständliches Handbuch in Form eines Fragenkataloges zu konzipieren, und nicht, wie sonst üblich, als dozierende Darstellung oder als Lexikon. Mit Stefan Rebenich als Autor hat ein souveräner Kenner der Materie die Aufgabe übernommen, die Antike als Ganzes auf diese Weise vorzustellen, nach eigener Aussage zwar "mit einem Augenzwinkern" und gewiss unter all den Vorbehalten, unter die man ein solches Experiment notwendigerweise wird stellen müssen. Gleichwohl hegt der Autor (und sicher auch der Verlag) die Hoffnung, "ein möglichst großes Publikum zu erreichen" und "Neugierde und Interesse für diese faszinierende Epoche wecken zu können", er hat mithin einen ernsthaften Anspruch, und dies ist eine hinreichende Rechtfertigung für eine ebenso ernsthafte Rezension.
Das Buch ist thematisch gegliedert. In insgesamt zehn Rubriken werden auf rund 150 Seiten die "101 wichtigsten Fragen" abgehandelt, wobei versucht wurde, die einzelnen Antworten ungefähr gleich kurz zu halten; sie umfassen daher jeweils etwa eine bis zwei Druckseiten. Auch die Verteilung der Fragen auf die verschiedenen Sachbereiche erscheint ziemlich symmetrisch: Einem kurz gefassten Einleitungsteil zur Antike als Epoche und einem Epilog zum Nachleben, die sich in zwei und in drei Fragen gliedern, stehen im Hauptteil acht Großabschnitte mit je genau zwölf Unterpunkten (mit einer Ausnahme, siehe unten) gegenüber. Rebenich beginnt mit der Politik, geht dann zur Gesellschaft über, und befasst sich an dritter Stelle mit der Religion. Es folgen die Themen "Wirtschaft, Technik und Militär", "Kunst und Literatur", "Bildung und Wissen" und "Lebenswelten und Lebensräume" - abgerundet wird der Hauptteil durch die Behandlung bedeutender historischer, aber auch einiger mythischer Persönlichkeiten der Antike. Damit ist allen wesentlichen Forschungsrichtungen Rechnung getragen. Im Einzelnen geht es um so zentrale Fragen wie "Was ist eine Polis?", "Gab es in der Antike technischen Fortschritt?" und "Wieso ging das römische Reich unter?", daneben aber auch um abgelegenere Dinge wie "War Mehrsprachigkeit ein antikes Ideal?" oder "Verstanden Christen unter Freundschaft etwas anderes als Heiden?" - Interessant sind solche Fragen freilich allemal, und insgesamt gesehen ist das Buch inhaltlich wirklich gelungen! Dennoch hinterlässt es einen zwiespältigen Eindruck. Die Probleme der "101 wichtigsten Fragen", die vor allem in der Gesamtkonzeption liegen, erkennt man am deutlichsten an den wenigen Artikeln, die nicht restlos überzeugen, und an den Gründen hierfür. Ein Beispiel ist die Frage, ob Augustus "der erste römische Kaiser" war. Dahinter verbirgt sich die nicht ganz einfache Struktur der Prinzipatsordnung samt ihren Voraussetzungen und Konsequenzen, ein durchaus komplexer Sachverhalt also, der in der Darstellung Rebenichs jedoch einfach zu knapp behandelt wird, um für Nichteingeweihte noch verständlich zu sein. Hier rächt sich der allzu schematische Aufbau, besonders die Beschränkung des Umfangs der einzelnen Lemmata auf eine bis zwei Seiten, auf denen man eben doch nicht jedes Thema erschöpfend abhandeln kann. Der (an sich nicht nötigen) arithmetischen Spielerei, in jeder Rubrik exakt zwölf Fragen unterbringen zu wollen, dürften mehrere nicht ganz einleuchtende Eingruppierungen zu verdanken sein, so etwa, dass die oben genannte Frage zum christlichen Verständnis von Freundschaft nicht in das Kapitel "Religion und Kultus" aufgenommen wurde, sondern bei den sozialen Strukturen, wo sich auch die Frage "Wer waren die ersten Christen?" befindet, während die Frage "Wieso wurden die Christen verfolgt?" im Bereich der Politikgeschichte auftaucht. Dass dort wiederum die Frage "Wer waren die Etrusker?" fehlt, welche dann bei "Kunst und Literatur" gestellt und beantwortet wird, illustriert die grundsätzlichen Schwierigkeiten, die sich einstellen, wenn man von herkömmlichen Ordnungsprinzipien abweicht. Vielleicht ist es bei einem so umfassenden Gegenstand wie dem Altertum mit nicht wenigen Einzelpunkten, die sich einer eindeutigen Einordnung entziehen, doch sinnvoller weil logischer, entweder chronologisch oder einfach ganz stur alphabetisch vorzugehen. Das Gefühl, dass ein anders gewählter roter Faden besser gewesen wäre, wird im Übrigen dadurch verstärkt, dass Rebenich innerhalb einer Rubrik zumeist mit griechischen Fragen anfängt und danach Römisches bespricht, wodurch aufs Ganze gesehen der Eindruck eines mehrmaligen Hin- und Herspringens entsteht. Fazit: Inhalt überwiegend gelungen, Konzept im Prinzip interessant, aber: Die Umsetzung des Konzeptes ist nicht restlos überzeugend! Da, wie das Vorwort verrät, die "101 wichtigsten Fragen" zur Antike den Auftakt zu einer neuen Reihe bilden sollen, sei deshalb an dieser Stelle dafür plädiert, in Zukunft überschaubarere und homogenere Themenbereiche auf diese Weise anzugehen, denn ein größeres Maß an Kohärenz des Gegenstandes erleichtert es zweifellos, sachlich zu gliedern, ohne dabei zu viele verschiedene Dinge in einen Topf zu werfen. Und: beim nächsten Mal bitte richtig durchzählen und wirklich nur 101 Fragen stellen, und nicht 102 (die Nummer 86 wurde zweimal vergeben) - wenn schon, denn schon!
Hartmut Blum