Werner Telesko: Einführung in die Ikonographie der barocken Kunst, Wien: Böhlau 2005, 286 S., 66 s/w-Abb., ISBN 978-3-8252-8301-8, EUR 24,90
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Stefanie Lieb: Der Rezeptionsprozeß in der neuromanischen Architektur. Studien zur Rezeption von Einzelformen in restaurierter romanischer und in neuromanischer Architektur, Köln: Kunsthistorisches Institut 2005
Livia Cárdenas: Die Textur des Bildes. Das Heiltumsbuch im Kontext religiöser Medialität des Spätmittelalters, Berlin: Akademie Verlag 2013
Christian Horn: Der aufgeführte Staat. Zur Theatralik höfischer Repräsentation unter Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen, Tübingen / Basel: Francke Verlag 2004
Werner Busch / Martin Geck: Beethoven-Bilder. Was Kunst- und Musikgeschichte (sich) zu erzählen haben, Stuttgart: J.B. Metzler 2019
Werner Telesko / Sandra Hertel / Stefanie Linsboth (Hgg.): Die Repräsentation Maria Theresias. Herrschaft und Bildpolitik im Zeitalter der Aufklärung, Wien: Böhlau 2020
Werner Telesko: Maria Theresia. Ein europäischer Mythos, Wien: Böhlau 2012
Wer im Moment neue kunstwissenschaftliche Studienordnungen ausarbeitet, der plant sicherlich zuerst eine Vielzahl von Propädeutika, Einführungen, Überblicksvorlesungen etc. Derartige Veranstaltungen lassen sich zwar leicht fordern, sie sind aber nur schwer zu konzipieren. Mit dem Abstraktionsgrad steigt auch der Schwierigkeitsgrad - und vor allem erreicht man sehr bald ein erhebliches Spekulationsniveau. Außerdem werden sich wahrscheinlich die wenigsten Studienanfänger für allzu abstrakte Überlegungen begeistern können. Ein barocker Kupferstich aus der nächstgelegenen Grafiksammlung zieht in jedem Proseminar zweifellos erheblich mehr Interesse auf sich als etwa Überlegungen zu den "Bedingungen der Möglichkeit barocker Kunst". Die Erfahrung lehrt: Einführungen sollten so konkret wie möglich sein. Nur vom konkreten Objekt wird man weiterführende Schlüsse ziehen können. Werner Teleskos "Einführung in die Ikonographie der barocken Kunst" ist - gerade vor diesem Hintergrund - ein Musterbeispiel, wie man anhand exemplarischer Werke in ein komplexes und großes Themengebiet einführen kann.
Telesko erläutert seine Vorgehensweise in einer ausführlichen Einleitung (3-45), in deren Zentrum das Medium der Druckgraphik steht. Sie hatte in den Auseinandersetzungen der Reformationszeit eine bis dahin nicht gekannte Bedeutung erlangt, und sie diente auch weiterhin dazu, komplexe Inhalte einem größeren Publikum zu vermitteln. Einen besseren Zugang zum Thema hätte man nicht finden können, denn dem Leser wird nicht nur vermittelt, welch große Rolle etwa die Emblematik spielt, ihm wird vor allem klar gemacht, wie sehr es bei einer angemessenen Beschäftigung mit barocker Ikonographie eben auf die Kenntnis der Primärtexte ankommt. Man kommt auf diesem Gebiet nicht weit, wenn man nicht den einen oder anderen barocken Folianten aufschlägt.
Das folgende Kapitel führt diese Gedanken anhand eines besonders interessanten Gebietes weiter: "Barocke Ikonographie und Buchillustration: Zu Prinzip und Methoden der Illustration in gedruckten Bibelausgaben vom 17. bis zum 19. Jahrhundert" (47-60). Im Zentrum stehen die bekannten Kupferstiche Matthäus Merians d. J. Telesko stellt hier die protestantische bzw. die konfessionsübergreifende Bildsprache der Zeit heraus. Das folgende Kapitel (61-76), das sich dem "Thesenblatt" zuwendet und damit einen dezidiert katholischen Schwerpunkt hat, ergänzt diese Sicht ganz hervorragend. Dem Verfasser gelingt es dabei, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, denn es geht ihm nicht nur um die Gattung der Thesenblätter als solche, er betrachtet sie vielmehr als ein Beispiel für frühneuzeitliche 'Mediengeschichte' und es gelingt ihm, anhand des Thesenblattes zu zeigen, welche Bedeutung das rhetorische Denken für die barocke Ikonographie haben kann. Wie wenig Telesko aber die Rhetorik überschätzt, wird erkennbar, wenn er anschließend Fragen der Typologie behandelt (77-90). Seit der Antike hat man die Ereignisse des Alten Testaments als Vorausverweise auf das Neue betrachtet und diesen zentralen exegetischen Gedanken zur Grundlage unzähliger Bildprogramme und ikonographischer Anspielungen gemacht, angefangen bei Ochs und Esel an der Weihnachtskrippe bis hin zum Schädel Adams unter dem Kreuz. Typologie als - wenn man so sagen darf - Grundgesetz der christlichen Ikonographie beherrscht natürlich auch die Zeit zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert. Dieselben Themen werden ungebrochen tradiert, können sich aber auch durchaus wandeln, indem sie vor allem den Aspekt der Geschichte stärker herausstellen.
Nach diesen Kapiteln, in denen Telesko vor allem graphische Werke als Beispiele herangezogen hat, wendet er sich den großen Kirchenausstattungen zu. Am Beginn stehen die Stiftskirche Altenburg (91-109) und die Stiftskirche Wilhering (111-141). Hier wird gewissermaßen angewendet, was in den ersten Kapiteln eingeführt wurde. Sehr deutlich stellt Telesko aber auch die gestalterischen Leistungen heraus, denn gerade bei einem so genialen Freskanten wie Paul Troger ist es besonders augenscheinlich, wie sehr inhaltliche und formale Fragen letztlich immer miteinander verbunden sind. Altenburg und Wilhering sind Klosteranlagen, die von Benediktinern bzw. Zisterziensern erbaut wurden, und tatsächlich kommt den Kirchen dieser alten Orden für den österreichisch-süddeutschen Barock eine zentrale Bedeutung zu. Das Bild wäre jedoch nicht vollständig, wenn nicht auch an die Jesuiten gedacht würde, die seit dem späten 18. Jahrhundert gern als die eigentlichen Anreger des Barocks gesehen werden. Telesko bleibt auch hier im Bereich der österreichischen Kunst und untersucht in einem weiteren Kapitel das Freskenprogramm der Wiener Jesuiten- bzw. Universitätskirche (143-161). Wiederum verbindet er gestalterische, diesmal besonders architektonische und ikonographische Aspekte. Da die Jesuiten zurzeit ein sehr modisches Thema sind, fällt die unprätentiöse und sachliche Vorgehensweise Teleskos besonders auf. Statt für hochspekulative Theorien interessiert er sich - methodisch immer sehr reflektiert - etwa für die verschiedenen Inschriften, deren Verankerung in der alten katholischen Liturgie er sehr kenntnisreich hervorhebt. Der exemplarische Charakter der vorliegenden Einführung wird gerade in diesem Kapitel eindringlich deutlich.
Wo endet das Zeitalter des Barock? Telesko beschäftigt sich nicht mit wenig fruchtbaren Epochenabgrenzungstheorien, aber er bringt zwei Kapitel, in denen dieses Thema sehr sachlich behandelt wird - wie nicht anders zu erwarten, anhand bedeutender Beispiele. Aufklärung in der barocken Deckenmalerei ist ein Thema, das schon seit einiger Zeit die Aufmerksamkeit der Forschung erregt. Zu den bedeutendsten Werken, die in diesem Zusammenhang angeführt werden können, gehört das Deckenbild im Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien (163-174). Bekanntermaßen stammt das Programm dieses, heute nicht mehr im ursprünglichen Zustand erhaltenen Freskos von Pietro Metastasio. Telesko geht den einzelnen Bestandteilen nach und charakterisiert sie in ihrer bemerkenswerten, weitgehend neuen Künstlichkeit.
Den Ausklang des vorliegenden Buches bildet ein Kapitel mit der Überschrift: "Die Epochenschwelle der Zeit 'um 1800' und das Ende der barocken 'Heilsgeschichte'" (175-184). Telesko nennt hier einige entscheidende Aspekte, von denen er vor allem die Historisierung der Religion sowie ein neues hoch ambitioniertes Verständnis von Kunst herausstellt. Am Ende steht Caspar David Friedrichs "Kreuz im Gebirge".
Nach diesem letzten Kapitel folgen die reichen Anmerkungen, aus denen hervorgeht, wie umfassend Telesko mit dem gegenwärtigen Forschungsstand vertraut ist. Hervorzuheben ist aber besonders die umfangreiche Auswahlbibliographie (237-276), die eine echte Fundgrube darstellt. Der Verfasser scheut sich dabei nicht, auch auf einige wichtige zeitgenössische barocke Werke hinzuweisen. Ganz am Ende findet man ein Personen-, ein Orts- und sogar ein sehr nützliches Sachregister.
Ein möglicher Haupteinwand gegen jede exemplarische Vorgehensweise lautet, der Verfasser habe nicht die richtigen Beispiele gebracht. Tatsächlich hat Telesko einen eindeutigen österreichischen Schwerpunkt gesetzt. Wäre aber etwas gewonnen worden, wenn er statt der Altenburger Fresken sizilianischen Stuck herangezogen hätte? Sicherlich nicht. Es wäre aber auch nichts gewonnen worden, wenn er sich in unfruchtbare Diskussionen etwa über die Deutung mancher Werke Berninis eingelassen hätte. Bedenkt man außerdem die Frage des sicher weitgehend deutschsprachigen Zielpublikums, wird man die Schwerpunktwahl Teleskos uneingeschränkt begrüßen können.
Hervorzuheben ist nicht zuletzt die klare und verständliche Sprache des Verfassers, der übrigens die alte deutsche Rechtschreibung verwendet.
Die "Einführung in die Ikonographie der barocken Kunst" kann in jeder Hinsicht empfohlen werden.
Christian Hecht