Simon Swain / Mark Edwards (eds.): Approaching Late Antiquity. The Transformation from Early to Late Empire, Oxford: Oxford University Press 2004, XIII + 487 S., ISBN 978-0-19-926714-9, GBP 75,00
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Die Entstehung des Buches geht auf Kolloquia in Oxford and Warwick zurück, zu denen bekannte Spezialisten eingeladen wurden, um, wie im Untertitel zum Ausdruck gebracht wird, Entwicklungen von der hohen Kaiserzeit bis zum spätantiken Imperium Romanum nachzuspüren. Basierend auf diesen Vorträgen sind die Beiträge in diesem Sammelband erschienen, der sich laut Simon Swains Einleitung nicht zum Ziel gesetzt hat, eine Enzyklopädie oder Handbuch zu sein, sondern "key themes - aspects of the economy, provincial organization, the law, the army, the Church, the arts, literature, philosophy" (1) zu diskutieren. Dementsprechend haben die beiden Herausgeber sich auch bemüht, führende Wissenschaftler aus den Disziplinen Archäologie, Alte Geschichte, Altphilologie, Jura, Patristik etc. zu versammeln, um Fragen der Reichsentwicklung von ca. 200 bis 400 n.Chr. unter verschiedenen Gesichtspunkten zu beleuchten. Die vierzehn Beiträge (außer den unten genannten bzw. besprochenen Abhandlungen haben Colin Adams, Peter Garnsey, Michael Whitby, Jaś Elsner, Susan Walker, Alan Cameron und John Dillon Aufsätze beigesteuert), bereichert durch zahlreiche schwarz-weiß Abbildungen im Text und vier Farbtafeln, können hier nicht alle im einzelnen besprochen werden. Die knappe Auswahl, die deshalb im folgenden vorgenommen wurde, ist zwangsläufig subjektiv.
Die Einleitung dient, wie Swain selbst zugesteht, lediglich dazu, die Kapitel einzuleiten und die Hauptargumente herauszugreifen. Im ersten Beitrag des Bandes, "Economic Change and the Transition to Late Antiquity", warnt Richard P. Duncan-Jones den Leser, generalisierende und simplifizierende Schlüsse - wie in der Vergangenheit durchaus geschehen - bezüglich der römischen Wirtschaft beim Übergang zur Spätantike zu ziehen. Duncan-Jones konzentriert sich auf die Zeit des 3. Jahrhunderts, allerdings unter partieller Einbeziehung der vorangegangenen und nachfolgenden Jahrhunderte. Duncan-Jones' Hauptaugenmerk liegt auf der Interpretation archäologischer Zeugnisse, die er regional ausdifferenziert. Er bietet eine Übersicht (inklusive Graphiken) archäologischer Evidenzen in Italien, den gallischen und germanischen Provinzen und Afrika. Während fast überall im Westen wirtschaftliche Einbrüche sichtbar gemacht werden können, konnte Afrika, durch das Mittelmeer vor den Kriegen und Invasionen des 3. Jahrhunderts geschützt, in einigen Handelsbereichen eine im Westen dominierende Stellung im mediterranen Überseehandel einnehmen (37f). Im Osten scheinen vor allem die Siedlungen in Syrien prosperiert zu haben; andere Regionen wie Griechenland und Ägypten konnten sich nach einem deutlichen Tief im Prinzipat zur Spätantike hin zumindest wieder erholen. Zusammenfassend hebt Duncan-Jones vor allem hervor, dass zwar im 3. Jahrhundert Veränderungen der wirtschaftlichen Bedingungen stattgefunden haben, diese aber regional zu unterschiedlich verlaufen sind, als dass sich ein homogenes Gesamtbild für das Imperium Romanum entwerfen lasse (50-52).
Tony Honoré weist in seinem Beitrag "Roman Law AD 200-400: From Cosmopolis to Rechtstaat?" auf die hohe Beständigkeit des römischen Privatrechts zwischen der hohen Kaiserzeit und dem Tode Theodosius I. hin (110). Der Stellenwert von Recht und Gesetz verschob sich allerdings - zumindest im Osten des Imperium Romanum - zugunsten des "einfachen Mannes" (132). Die Anzahl der Rechtsanwälte stieg und damit war ihr Beistand auch in kleineren Provinzstädten für mehr Menschen erreichbar. Honoré konstatiert, dass das Rechtssystem in der Osthälfte des römischen Reiches ausgezeichnete Arbeit leistete, und deshalb umgekehrt auch zentral für das Funktionieren des römischen Staates in der Spätantike war.
Neil McLynn thematisiert ein Problem, das mit der Hinwendung Konstantins zum Christentum entstand, aber erst unter seinen Nachfolgern virulent wurde: "The Transformation of Imperial Churchgoing in the Fourth Century". Wie sollten sich der Kaiser als Repräsentant der weltlichen Macht und der Bischof als geistlicher Würdenträger im Kirchenraum begegnen? Wie konnte räumlich und liturgisch der Kaiser in die Messe miteinbezogen werden? Konstantin betrat zum ersten Mal sechs Wochen vor seinem Tod eine Kirche (236), seine unmittelbaren Nachfolger zeichneten sich zwar auch nicht als regelmäßige Kirchgänger aus, aber begannen durchaus ihre Rivalität in der Demonstration christlicher Frömmigkeit auszudrücken (245). Damit begann eine Annäherung an die Bischöfe und das Problem entstand, inwieweit auch die Kaiser sich der episkopalen Autorität zu unterwerfen hatten. Kaiser Valens' Eintritt in Basilius von Caesareas Kirche zeigt die Unsicherheit bezüglich der liturgischen Rolle des Kaisers, durch die anfangs solche Zusammentreffen geprägt waren (254). Hier wird aber auch deutlich, dass beide Machtbereiche sich gegenseitig kontrollieren bzw. legitimieren konnten: der Bischof den Kaiser durch die Akzeptanz der kaiserlichen Gaben, der Kaiser den Bischof durch Einnahme der Kommunion. McLynn sieht die sich verändernde zeremonielle Verzahnung zwischen Kaiser und Bischof zu Recht als zentral an für das Verständnis des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat.
Die Herausgeber Simon Swain und Mark Edwards steuern selbst auch Beiträge bei, Edwards deren sogar gleich zwei: "Romanitas and the Church of Rome" und "Pagan and Christian Monotheism in the Age of Constantine". Edwards erster Beitrag beschäftigt sich mit der Stellung Roms und der stadtrömischen Kirche im Gefüge des römischen Staates bis zu Konstantin dem Großen. Der zweite Aufsatz setzt in der Zeit Konstantins ein und diskutiert das kontroverse Thema "heidnischen Monotheismus", dessen Existenz Edwards verneint. Hingegen sieht er die Hinwendung Konstantins zum christlichen Monotheismus als genuin an und setzt sich instruktiv mit Fragen nach Autokratie und Monotheismus im konstantinischen Machtgefüge auseinander. Swain widmet sich in seinem Beitrag "Sophists and Emperors: The Case of Libanius" dem bedeutendsten nicht-christlichen Sophisten des 4. Jahrhunderts, seinem Verständnis von politischer Einmischung und seinem Idealbild vom letzten heidnischen Kaiser Julian (361-363).
Unklar bleibt, nach welchen Kriterien die Herausgeber die einzelnen Beiträge zusammengestellt haben. Weder läßt sich in Auswahl oder Anordnung der Beiträge eine Systematik erkennen, noch haben sich die Herausgeber bemüht, in der Einleitung gemeinsame Klammern für die Aufsätze zu finden. Simon Swains "What was new in this period"? (1) ruft förmlich nach Beliebigkeit, so dass im Endeffekt Fragen behandelt werden, die sich mehr oder weniger über knapp vier Jahrhunderte (vom Ende des 2. Jahrhunderts bis ins 6. Jahrhundert hinein) erstrecken und inhaltlich wenig Beziehung zueinander aufweisen. Der Individualität der einzelnen Beiträge wurde an manchen Stellen auch formal ein zu hoher Stellenwert eingeräumt. So ist unverständlich, warum Emanuele Papis Beitrag "A new golden age? The northern Praefectura Urbi from the Severan to Diocletian" fast keine Fußnoten aufweist (stattdessen werden die Referenzangaben fast ausschließlich in Klammern in den Haupttext gesetzt) und im Gegensatz auch zu nicht-archäologischen Beiträgen auf Abbildungen fast vollständig verzichtet, die sich wohl nicht nur der Archäologe gewünscht hätte.
Insgesamt präsentiert das Buch aber eine nützliche Sammlung von Aufsätzen, die versuchen, sich der Spätantike aus verschiedenen Disziplinen wie auch von verschiedenen chronologischen Blickpunkten zu nähern. Die Beiträge verdeutlichen wichtige Entwicklungen, die im 3. und 4. Jahrhundert stattfanden bzw. sich gerade durch das Zusammenspiel von Staat und aufstrebendem Christentum neu konstituierten und auch die folgenden zwei Jahrhunderte der Spätantike bestimmten. Der Leser möchte diese zum Teil exzellenten Aufsätze nicht missen, auch wenn durch das Fehlen einer spezifischen Fragestellung oder eines methodischen Ansatzes der Sammelband ein Konvolut recht disparater Essays bleibt.
Volker Menze