Elizabeth Hartley / Jane Hawkes / Martin Henig (eds.): Constantine the Great. York's Roman Emperor, Aldershot: Lund Humphries 2006, 280 S., 250 colour, 20 b&w ill., 10 maps, 2 tables, ISBN 978-0-85331-928-3, GBP 50,00
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Der mit ausgezeichneten Abbildungen ausgestattete Band hat einen irreführenden Untertitel. Konstantin I. ließ sich zwar 306 in Eburacum (York) von seinen Truppen zum Augustus in der so genannten Zweiten Tetrarchie akklamieren, doch wurde er hierdurch nicht "York's Roman Emperor". Die von den Herausgebern vorgenommene 'Zuordnung' Konstantins ist aber durchaus verständlich, da es sich um einen Begleitband zu einer großen Ausstellung des York Museums and Gallery Trust handelt, die an den Herrschaftsantritt des Kaisers vor 1700 Jahren erinnern soll. Dementsprechend sind die einzelnen Beiträge für ein interessiertes breiteres Publikum konzipiert.
Die Verfasser bieten mit ihren erläuternden Essays insgesamt eine erfreuliche Kombination von allgemein verständlicher Darstellung und einer wünschenswerten Beachtung der erforderlichen wissenschaftlichen Standards. Zum Verständnis der Persönlichkeit und der Leistungen Konstantins ist seine Herrschaft natürlich einzuordnen in die Geschichte des Imperium Romanum. Zudem bildet seine Hinwendung zum Christentum selbstverständlich eine Leitlinie für die Würdigung seiner historischen Bedeutung. Diese Aspekte werden in den beiden Beiträgen von Averil Cameron sachkundig erörtert (18-30 und 96-103). In neueren Forschungen zu Konstantin wird vor allem die so genannte Konstantinische Wende kontrovers diskutiert. So werden einerseits seine machtpolitischen Interessen im Verlauf seiner Begünstigung des Christentums akzentuiert, während andere Forscher in seiner 'Religionspolitik' eine persönliche Option für den Christengott sehen. Schwierige Probleme sind sowohl die verschiedenen Berichte über eine (angebliche) Vision Konstantins als auch die heidnischen Symbole in der propagandistischen Präsentation des Herrschers bis in die Zeit seines Sieges über Licinius. Cameron ist bemüht, in diesen Streitfragen zu einem abgewogenen Urteil zu kommen. Nach ihrer Auffassung glaubte Konstantin, dass Gott ihm die Aufgabe der Förderung des Christentums übertragen habe. Es sei für ihn aber nicht möglich gewesen, diesen Auftrag in den zeitlichen Grenzen seiner Herrschaft auszuführen. Aus der zeitgleichen Verwendung christlicher und paganer Symbole ist freilich zu schließen, dass Konstantin sowohl Christen als auch Heiden erreichen wollte. Mit den unterschiedlichen Berichten über eine Vision Konstantins bei Laktanz (De mortibus persecutorum 44,3-6) und Eusebios (Vita Constantini 1,28-29) lässt sich jedenfalls die These von einer 'Bekehrung' des Herrschers vor der Schlacht an der Milvischen Brücke am 28. Oktober 312 nicht verifizieren. Fraglich ist aber auch, ob er unmittelbar nach seinem Sieg über Maxentius überzeugt war, dass ihm nur die Wirkungsmacht des Christengottes zum Erfolg verholfen habe, wie Eusebios (Historia ecclesiastica 9,9,10-11) berichtet. Dass er nach Ausschaltung des Maxentius sich im Rückgriff auf die traditionelle Selbstdarstellung römischer Kaiser als Friedensherrscher zum Wohle des Reiches feiern ließ, dokumentiert eindrucksvoll die Darstellung seiner Ansprache an das Volk auf dem Konstantinsbogen in Rom. Die Konstantinische Wende ist eher als längerer Prozess zu verstehen, der die Ausbreitung des Christentums entscheidend begünstigte.
'Religiöse Vielfalt' bestand aber nach wie vor im Imperium Konstantins, wie in dem vorliegenden Band Martin Henig darlegt (85-95). Er verdeutlicht, dass die Verbindung Konstantins mit Sol invictus keineswegs überraschend ist. Dass der Kaiser in der Rolle eines Garanten von Recht und Gerechtigkeit sich in traditionellen Bahnen bewegte, erörtert Simon Corcoran in einem Essay über "Kaiser und Bürger" in der Ära Konstantins (41-51).
Die weiteren Aufsätze stehen verständlicherweise in einem engeren Bezug zur Konstantin-Ausstellung des Jahres 2006 in York, die abschließend in einem umfangreichen Katalog zu den insgesamt 276 Exponaten hervorragend dokumentiert wird. Hervorzuheben sind auch ein gewissermaßen als Lesehilfe dienendes Glossar, ein Verzeichnis der relevanten antiken Autoren und ihrer Werke sowie die reichhaltigen Literaturangaben.
Karl-Wilhelm Welwei