Rezension über:

Wout Troost: William III, the Stadholder-King. A Political Biography. Translated by J.C. Grayson, Aldershot: Ashgate 2005, xvii + 361 S., 26 b&w ill., 5 maps, ISBN 978-0-7546-5071-3, GBP 55,00
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Rezension von:
Matthias Pohlig
Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Ute Lotz-Heumann
Empfohlene Zitierweise:
Matthias Pohlig: Rezension von: Wout Troost: William III, the Stadholder-King. A Political Biography. Translated by J.C. Grayson, Aldershot: Ashgate 2005, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 10 [15.10.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/10/7902.html


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Wout Troost: William III, the Stadholder-King

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Die historische Biografie ist und bleibt ein merkwürdiges Genre. So gehört es zu ihren anscheinend unverrückbaren Konventionen, dass am Ende eine Art moralisches Urteil darüber zu stehen hat, ob die beschriebene Person etwa als "groß", "gut", "positiv" oder "negativ" zu gelten hat. Die hier anzuzeigende Biografie Wilhelms III., des oranischen Statthalters und englischen Königs, kommt trotz einigem Lavieren schließlich zu einem positiven Urteil. Der niederländische Historiker Wout Troost, ein guter Kenner der irischen, britischen und europäischen Politik Wilhelms, hat seine Biografie 2001 in niederländischer Sprache publiziert. Jetzt liegt sie in englischer Übersetzung vor. 2002 erschien Tony Claydons "William III", zu dessen Darstellung sich Troost aber laut seinem neuen Vorwort nicht im Widerspruch sieht: Konzentriert sich Claydon, wie überhaupt die britische Forschung, eher auf die Glorious Revolution und die Zeit nach 1688, so legt Troost den Schwerpunkt eher auf die niederländische Zeit Wilhelms. Doch insgesamt ist seine Biografie die erste kürzere, also insgesamt lesbare Darstellung von Wilhelms Leben, die sowohl seine niederländische als auch seine englische Zeit angemessen berücksichtigt. Schon dies ist ein großes Verdienst von Troosts Buch.

Dass überhaupt in so kurzer Zeit zwei Biografien Wilhelms erscheinen - hinzuzuzählen ist noch der ebenfalls von Claydon stammende kürzere Überblick im Oxford Dictionary of National Biography von 2004 -, ist bereits für sich eine Überraschung. Denn der Niederländer Wilhelm ist in Großbritannien ein eher unpopulärer König und wissenschaftlich offenbar weit weniger attraktiv als seine Stuart-Vorgänger. Unpopulär war Wilhelm bereits kurze Zeit nach seinem Amtsantritt: Seine niederländische Entourage und sein kühles Auftreten verprellten auch die wohlmeinenden unter den englischen Politikern. Die Rolle Wilhelms in der Glorious Revolution wurde gern minimiert, um die parlamentarische Erfolgsgeschichte Englands nicht zu relativieren. Doch Wilhelm III. war eben mehr als englischer König: Er herrschte faktisch über zwei wichtige europäische Staaten, stand im Zentrum der europäischen Diplomatie und brachte die beiden Großen Allianzen gegen Ludwig XIV. von 1689 und 1701 zusammen.

In dieser Hinsicht ist es instruktiv, nicht nur die halbierte Lebensgeschichte zu lesen, sondern die niederländischen Erfahrungen und Prägungen Wilhelms in konstitutiver Weise einzubeziehen. Breit schildert Troost die familiären Prägungen und dynastischen Ansprüche, die Wilhelm als Erben der Oranierdynastie mitgegeben wurden. Lebensbereiche, die über die Politik hinausreichen, werden nur sehr knapp behandelt; dies gilt etwa für die umstrittene Frage nach Wilhelms homosexuellen Liebschaften. Aufschlussreich ist dagegen die Schilderung des Verhältnisses Wilhelms zu seinem politischen Rivalen Johan de Witt, den ihm die Generalstaaten zeitweise als Lehrer und Kontrollinstanz zur Seite stellten. Differenziert zeichnet Troost nach, wie sich in den Jahrzehnten zwischen 1650 und 1700 die Gewichte zwischen eher republikanischen und eher monarchischen Interpretationen des niederländischen Gemeinwesens immer wieder verschoben. Deutlich wird, welchen dynastischen Ehrgeiz Wilhelm mitbrachte, und auch, wie sich der schrittweise Wiederaufstieg der Oranier nach der statthalterlosen Zeit ab 1650 vollzog. Auch kann Troost insgesamt plausibel machen, dass es die niederländischen Politikerfahrungen waren, die Wilhelm in sein politisches Handeln in England, Schottland und Irland einbringen konnte. Wenn er aber, wohl zurecht, die ideologischen Parteigegensätze innerhalb der niederländischen Politik als weniger wichtig einschätzt als die lokalen Interessen unterschiedlicher Faktionen, so wäre mindestens anzufragen, ob sich nicht die politische Landschaft Englands mit ihrer beginnenden parteipolitischen Institutionalisierung doch entscheidend von der alteuropäischen Republik der Generalstaaten unterschied.

Troost bewegt sich fast durchweg auf der Höhe der aktuellen Forschung, die er im Hinblick auf seinen Protagonisten kompetent auswertet. Dennoch erscheint in dieser "political biography" der Begriff des Politischen traditionell sehr eng, vielleicht zu eng. Die religiöse Selbststilisierung und Propaganda, die Wilhelm in England ausbildete und auf die Claydon besonders stark hinweist, kommt bei Troost zu kurz. Auch wäre der Begriff der "religious toleration" dem Begriff der "tolerance" - der möglicherweise der Übersetzung geschuldet ist - vorzuziehen. Selbst wenn Troost überzeugend darlegt, dass die nordirischen Protestanten sich zu Unrecht emphatisch auf den Oranier beziehen, war Wilhelm sicher nicht im modernen Sinne tolerant. Gerade weil Troost so souverän mit der Forschungsliteratur umgeht, erstaunt eine öfter geäußerte Einschätzung: Wilhelm und sein Hauptgegner, Ludwig XIV., so Troost, hätten seit spätestens 1680 an ihrem einmal formierten Bild des jeweiligen Gegners festgehalten; während eigentlich beide auf Frieden aus gewesen seien, hätten sie im Kontrahenten immer nur den Kriegstreiber sehen können - zumal Ludwig XIV. seit dem Nijmegener Frieden eine defensive Außenpolitik betrieben habe, wenn er auch wohl die falschen Signale ausgesendet habe. Mir scheint diese Einschätzung weit übertrieben: Natürlich agierte Ludwig nach 1679 nicht mehr in derselben rücksichtslos expansiven Manier wie zuvor - aber in den Réunionen, den Verheerungen des Pfälzischen Kriegs und den diplomatischen Schlichen der Jahre 1700-1702 vor allem "wrong signals" (155) zu sehen, ist nicht überzeugend.

Da Troosts Buch nach einigen, vor allem chronologisch orientierten, Kapiteln in der zweiten Hälfte systematischen Problemen nachgeht - etwa dem Herrschaftsstil Wilhelms in England, seiner Rolle in den Konflikten mit Schottland und Irland -, klingt es etwas unvermittelt aus. Dass Wilhelm überhaupt gestorben ist (am 19. März 1702), bleibt genauso randständig wie seine Haltung zu seiner Nachfolgerin Anne und die Verhandlungen, die Wilhelm führte und führen ließ, um die Große Allianz von 1701 zu schmieden. Vor allem aber hätte eine kurze Diskussion von Wilhelms Tod und der Legenden, die sich darum ranken, das Jakobitenproblem, das zu einer Obsession der englischen Politik der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde, angemessen eingeführt: Denn wenn Wilhelm auch nicht, wie die Fama es will, bei einem Jagdunfall ums Leben kam, sondern wenige Wochen später an einer Lungenentzündung starb, so sprachen doch englische Jakobiten einen Toast auf den "little gentleman in the black velvet waistcoat", also den Maulwurf, über dessen Hügel Wilhelm gestürzt sein soll.

Für die Jakobiten ein Usurpator, für die legitimistischen Tories kaum besser als Cromwell, für die Radikaleren unter den Whigs ein kleines Übel im Rahmen einer Erfolgsgeschichte des englischen Parlaments - es ist schon nachvollziehbar, warum die Engländer mit diesem König nicht viel anfangen konnten und wollten. Und doch: Im europäischen Kontext, den Troost auch in seinen dynastischen Verflechtungen sehr deutlich zeichnet, kann man den Oranier als groß und bedeutend bezeichnen - um der biografischen Konvention Genüge zu tun. Vor allem aber war er eine politische Schlüsselgestalt der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und eine persönlich sehr reservierte, um nicht zu sagen: problematische Gestalt, die Troost alles in allem plastisch schildert.

Matthias Pohlig