Neil de Marchi / Hans J. van Miegroet (eds.): Mapping Markets for Paintings in Europe 1450-1750 (= Studies in European Urban History (1100-1800); Vol. 6), Turnhout: Brepols 2006, XIII + 458 S., ISBN 978-2-503-51830-5, EUR 64,00
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"Mapping Markets for Paintings" ist ein Buch über die Märkte und Produktionsbedingungen von Kunst, besonders von Gemälden. Es versucht, die Sichtweisen von Kunsthistorikern einerseits und Wirtschaftswissenschaftlern und -historikern andererseits zusammenzuführen. "Mapping Markets for Paintings" ist auch ein verlockender Titel, der Assoziationen hervorruft. Doch wer sich nun Karten ausmalt, in denen er komplexe Werkwanderungen durch die Dimensionen von Raum und Zeit nachverfolgen kann, wie es das Projekt ursprünglich angestrebt hatte (11, 302/3), wird enttäuscht sein von diesem Buch. Das liegt vor allem daran, dass - obwohl ein guter Teil der beteiligten Kunsthistoriker aus dem Museumsbereich kommt - die Ebene der klassischen Provenienzforschung, wie sie seit jeher in Museen betrieben wird, und wie sie durch den Getty Provenance Index und durch die durch ihn geförderte Forschung systematisiert wird, aus dem Buch praktisch ausgeschlossen ist. Es ist auch eine Folge davon, dass eine Großzahl der Autoren Gemälde als eine Produktart wie jede andere behandelt, ohne jene Singularität des je einzelnen Werkes zu thematisieren, welche gerade ein wesentliches Merkmal des doppelten Marktes von Gemälden ist.
Was aber ist das Buch, wenn denn so abgesteckt ist, was es nicht leisten kann? Eine Aufsatzsammlung, die das Themenfeld in einem weiten zeitlichen und topografischen Rahmen - von der Frühen Neuzeit bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert, von den Niederlanden über Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland bis zur Entstehung des Auktionswesens - absteckt. Wesentliche Fragen der Entwicklungsgeschichte von Produktion und Handel mit Gemälden werden dabei abgehandelt. Eine umfassende Geschichte dieses Marktes aber kann das Buch nicht bieten. Zu unterschiedlich sind die Ansatzpunkte und Fragestellungen. Diese Unterschiedlichkeit der Beiträge kann auch nicht dadurch aufgelöst werden, dass man sie in eine durchgehend gleiche Struktur der Gliederung mit Einleitung und Schlussforderung gezwängt hat und jeder Aufsatz noch dazu von den Herausgebern auf ein bis zwei Seiten kommentiert wird. Das führt einerseits zu Wiederholungen in den Aussagen, andererseits drängen die Kommentierenden den Beiträgen gelegentlich recht gewollt eine Interpretation auf, die nicht immer der Klärung und dem besseren Verständnis dient.
Eine Grundtendenz, die sich dennoch in vielen der Aufsätze herauskristallisiert, ist die Infragestellung der Regulationsmechanismen der zünftisch organisierten Produktion und Vermarktung von Gemälden in ihren verschiedenen Aspekten. Wo bisher ein durch die Zunftgesellschaft reglementierter Markt angenommen wurde, werden nun die Freiheitsprinzipien eben dieses selben Marktes stärker betont. Dabei erstaunt, wie leichtfertig von einigen der Autoren Begriffe wie "Industrie", "freier Markt" und "Massenproduktion" (19, 21, 23, 99) im Zusammenhang mit Gemälde verwendet werden, oder davon gesprochen wird, Gemälde seien für "alle Schichten der Gesellschaft" erschwinglich gewesen (135, ähnlich: 77).
Die dem Prinzip "Aufsatzsammlung" inhärente Spannung lässt nicht nur kein einheitliches Bild der Entwicklung des europäischen Kunstmarktes entstehen, sie bringt auch eine unterschiedlich profunde Durchdringung des Themas mit sich. Aus der Sicht der Venedigforschung - und das ist die einzige, aus welcher der Rezensent sich ein Urteil anmaßt - seien hier beispielhaft einige Kommentare und Korrekturen angebracht: Die in dem Buch mehrmals zitierte Quelle, die von der Ausbeutung armer Maler durch die Inhaber von regelrechten Bilder-"botteghe" berichtet (zit. 127), scheint einerseits überbewertet, andererseits fehlinterpretiert (die Kommentare der Hrsg. 132, 327) zu sein. Federico Montecuccoli degli Erri selbst, der die Dokumente ans Licht gebracht hat, hat eine weit differenziertere Bewertung geliefert. Demnach dokumentiert sich in den Quellen nicht ein Konflikt zwischen dem, was die Maler mit der Gründung des eigenen Collegio dei Pittori beabsichtigt hätten, und der Tätigkeit der "bottegheri", die ja selbst zumindest zum Teil praktizierende Maler waren, sondern ein offenbar innerhalb der Zunft nicht ausgetragener Widerspruch zwischen wirtschaftlich erfolgreichen und weniger glücklich reüssierenden, in Abhängigkeit geratenen Kollegen. Der von den Herausgebern gegebene Verweis auf die Glasbläserzunft (133) ist insofern irreführend, als es dort innerhalb der "arte" bereits seit Jahrhunderten eine Unterscheidung zwischen ofenbesitzenden Meistern und für diese arbeitenden Mitgliedern gab. Auch dass der Bilderverkauf auf Straßen und Plätzen jenseits der im Collegio organisierten Händler verlief, wie Shaw annimmt, ist wohl kaum beweisbar; die von Cecchini nun wirklich kartografierten Verkaufsorte des venezianischen Kunstmarktes jedenfalls bestätigen das keineswegs.
Andererseits gab es in der "Republic of Painting" (Loh, 237ff.) auf dem Gebiet der Vedutenmalerei, auf dem gerade - glaubt man Montecuccoli - die "bottegheri" tätig waren, mit der Zusammenarbeit zwischen Canaletto und Joseph Smith ein neues Modell der Vermarktung von Gemälden, das für beide Seiten so fruchtbar war, dass mit ihm in den Dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts eine wahre Modewelle der venezianischen Vedute ausgelöst wurde. Während Jean-Baptiste Pater zeitgleich in Paris Gemälde für eine Grafikwerkstatt anfertigte, um sie in Kupferstiche übersetzen zu lassen, benutzten Smith und Canaletto die Stiche nach den ersten Originalen des Vedutisten, um den europäischen Markt für weitere Gemälde vorzubereiten. Dass von diesen Vorbildern gerade wieder die massenhafte Produktion von Bildern durch Nachahmer am unteren Ende des Marktes profitierte, sollte in einem Buch, das sich so stark der Ausbreitung von Gemälderezeption widmet, wieder ins Gedächtnis gerufen werden, auch wenn der Fakt - vielleicht schon zu lange - bekannt ist und die Innovation selbst im preislich und qualitativ oberen Bereich des Marktes angesiedelt war. Viel zu wenig auch wird gesprochen von der Tätigkeit von Malern als Gutachter, Vermittler und Restauratoren auf dem "zweiten" Markt von Gemälden, demjenigen alter Kunst, welcher in dem Buch gelegentlich ebenso falsch wie unangemessen als ein "Recycling" bezeichnet wird (288, 402).
Markt, das ist per definitonem der Ort des Tausches, der Ort, an dem Angebot und Nachfrage, Produkt und Käufer zueinander finden. Die Nachfrageseite, sowie die Frage der Preisbildung ist in "Mapping Markets for Paintings" gegenüber der Produktionsseite vernachlässigt. Dabei wäre es durchaus notwendig, den Begriff des "Sammlers", wie er in der Literatur oft allzu pauschal benutzt wird, zu differenzieren. Die Einführung einer Kategorie des "Verbrauchers" von Gemälden, wie Falomir es vorschlägt (161, und der folgende Kommentar der Hrsg.), der Gemälde angeblich nur aus repräsentativen Gründen anhäuft, ohne eigentliche Kennerschaft zu entwickeln, greift aber sicherlich zu kurz. Ohne deshalb jeden Bilderkäufer zum Connoisseur adeln zu wollen, wird der Beweis des Fehlens eines "klar erkennbaren ästhetischen Interesses" (142) kaum jemals zu führen sein, selbst dann nicht, wenn Bilder ohne erkennbares Auswahlkriterium in Blöcken angekauft wurden. Die an sich äußerst vielschichtige Figur "des Sammlers", aber wird - das ist richtig - begrifflich noch stärker von Personen wie einem Auftraggeber, der mit seiner Kommission genau definierbare Zwecke verfolgt, oder einem Kunsthändler, der seine Erwerbungen als Sammlung veröffentlicht, zu trennen sein.
Heiner Krellig