Rezension über:

Angela Taeger: Ludwig XVI. (1754-1793), Stuttgart: W. Kohlhammer 2006, 191 S., ISBN 978-3-17-018475-6, EUR 17,00
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Rezension von:
Thomas Nicklas
Institut für Geschichte, Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg
Redaktionelle Betreuung:
Susanne Lachenicht
Empfohlene Zitierweise:
Thomas Nicklas: Rezension von: Angela Taeger: Ludwig XVI. (1754-1793), Stuttgart: W. Kohlhammer 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 2 [15.02.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/02/12359.html


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Angela Taeger: Ludwig XVI.

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Während ihm der französische Nationalkonvent den Prozess machte, der mit einem absehbaren Todesurteil endete, verfasste Ludwig XVI. ein Testament, in dem es nach monarchischem Herkommen nicht an Ermahnungen für den Thronfolger fehlte, "sollte er das Unglück haben, König zu werden." (158)

Von diesem "Unglück, König zu sein," war der Bourbone selbst tief durchdrungen, es lähmte und beunruhigte ihn ständig. Unter diesem Vorzeichen stand sein mit 38 Jahren kurzes Leben, das menschlich glücklos und politisch katastrophal verlief. Woher kam so viel Unglück? Bereits die Ausbildung des späteren Königs war geprägt von Gedanken, die sich auf den Telemach-Roman des Erzbischofs von Cambrai Fénelon zurückführen ließen. Im Telemach war die Rede von dem "malheur d'être roi", (18) das alle erwartete, die das Schicksal dazu bestimmte, ein gekrönter Sisyphos zu sein. Aus dem Gefühl tiefer Entmutigung heraus gehörte Ludwig XVI. zu denen, die jeden Verlust antizipierten, noch ehe etwas verloren war.

Sein mit aufwendiger Bild- und Textpropaganda orchestrierter Versuch, sich nach der Thronbesteigung 1774 als guter König in der Nachfolge des ersten Bourbonen Heinrich IV. zu inszenieren, schlug fehl. Ludwig XVI. erschien den Untertanen, den Eliten und sich selbst daher immer mehr als schwacher König, der keiner Erwartung mehr gerecht wurde, die sich an einen absoluten Herrscher Frankreichs richtete. Sein Verhalten nach dem Ausbruch der Revolution 1789 zeigte vollends, dass der Bourbone jede Chance zu versäumen imstande war, um die Monarchie oder auch nur sein eigenes Leben zu retten. Nach seinem Sturz 1792 klangen die Anklagen Robespierres und Saint-Justs, dass jeder König ein schuldig Geborener sei ("Das Königtum ist ein Verbrechen an der Menschlichkeit!") (149) wie ein Echo auf Ludwigs eigene Überzeugung, dass jeder König ein unglücklich Geborener sei.

Angela Taeger hat in ihrer kurzen Biographie diesen königlichen Leidensweg von den obskuren Anfängen eines gerade nicht für den Thron bestimmten Prinzen bis zum kläglichen, aber mit Würde ertragenen Ende als individuellen und politischen Weg in die Katastrophe dargestellt. Trotz des von Ludwig XVI. immer wieder vorweg genommenen und verantworteten Scheiterns erscheint der Bourbone bei Taeger nicht nur im Lichte eines vorhersehbaren Unterganges: "Ludwig XVI. als Versagenden oder als Karikatur eines absolut herrschenden Monarchen zu präsentieren, trägt wenig zur Entschlüsselung dieser enigmatischen Person, gar nichts zur Klärung ihrer historischen Determiniertheit sowie der besonderen Situation bei, in der die hingebungsvolle Erstarrung in einer überkommenen und bereits überholten Rolle in die Katastrophe führt" (159). Lag das Elend dieses Herrschers schlicht in seiner Unfähigkeit begründet, sich von alten Formen und Formeln zu lösen, um neue zu prägen?

Das Buch reizt zu Zustimmung und Widerspruch gleichermaßen, was für das Buch spricht. Sollte die Hinrichtung von Ludwigs Witwe Marie Antoinette im Herbst 1793 tatsächlich als nachträgliche Legitimation für die Guillotinierung des abgesetzten Louis Capet verstanden werden? Eine männlich-revolutionäre Revanche gar für die einstige Machtusurpation der Königin, die sich an die Stelle eines unmännlich-schwachen Monarchen gesetzt hatte, um so bewährte Geschlechterzuweisungen zu erschüttern? Die Revolution als Restauration männlicher Vormacht? Diese forcierte Gender-Perspektive vermag nicht durchweg zu überzeugen.

Gewissenhafter Kritik wird auch das eine oder andere geringfügige Manko nicht entgehen dürfen. Der revolutionäre Bürgermeister von Paris hieß Pétion (141), wenn schließlich das berüchtigte Manifest des Herzogs von Braunschweig unter dem Namen Braunschweiger Manifest firmiert (142), so irritiert auch das. Stilistisch feinfühlige Leser könnte auch die Bezeichnung "Bratkartoffelverhältnis" für die gewiss von allerlei Hintergedanken auf beiden Seiten bestimmte Beziehung zwischen Ludwig XVI. und der revolutionären Nationalversammlung verstören (143).

Doch bleibt darüber doch die angesichts des ernsten Themas gedämpfte Freude bestehen, dass nun eine in deutscher Sprache verfasste, mutig eigene Akzente setzende und anregende Biographie des letzten absolutistischen Königs von Frankreich vorliegt. Ein Buch aus einem Guss über einen exemplarisch unglücklichen König.

Thomas Nicklas