Angela Behrens: Das Adlige Gut Ahrensburg von 1715 bis 1867. Gutsherrschaft und Agrarreformen (= Stormarner Hefte; Nr. 23), Neumünster: Wachholtz Verlag 2006, 480 S., ISBN 978-3-529-07128-7, EUR 28,00
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Ist von dem nur wenige Kilometer nordöstlich der Hansestadt Hamburg an der Autobahn A 1 gelegenen Ahrensburg die Rede, denkt man in erster Linie an das markante Wasserschloss im Renaissancestil vom Ende des 16. Jahrhunderts, das auch schon mehr als einmal als Filmkulisse diente. Zugleich war es aber über Jahrhunderte hinweg der Mittelpunkt eines bedeutenden holsteinischen Güterkomplexes, genannt "Das Adlige Gut Ahrensburg". Dessen Geschichte vom frühen 18. bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts widmet sich in vorbildlicher Weise die hier zu besprechende Arbeit von Angela Behrens.
Aus der Erkenntnis, dass ein frühneuzeitliches adliges Gut ein mehrdimensionaler Herrschafts- und Wirtschaftskomplex war, bediente sich die Autorin bei ihrer Untersuchung der Methodik und Ansätze verschiedener geschichtswissenschaftlicher Teilbereiche. So fließen in der Arbeit die unterschiedlichen Strömungen der Sozial- und Agrargeschichte mit neueren Ansätzen zur Geschichte des Adels und dessen Transformation seit dem 18. Jahrhundert zusammen. Neben wirtschaftsgeschichtlichen Aspekten behandelt Behrens daher auch mentalitätsgeschichtliche und historisch-anthropologische Fragestellungen. Sie selbst sieht ihre Untersuchung ausdrücklich in Anknüpfung "an die 'neue' Agrargeschichte und die neuesten Forschungsergebnisse zur Gutsherrschaftsgeschichte" (38).
Die eigentliche Arbeit ist in sechs Abschnitte eingeteilt. Im ersten Abschnitt "Einleitung" skizziert Behrens kurz Anlass und Forschungsziel, um dann ausführlich die bisherige agrargeschichtliche Forschung allgemein und speziell zu Schleswig-Holstein zu referieren. Zählen solche Abschnitte in den meisten Qualifizierungsarbeiten meist zu den am "mühseligsten" zu lesenden, so war es diesmal ein regelrechtes Vergnügen. Erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit und zugleich welcher Treffsicherheit Behrens die unterschiedlichen agrargeschichtlichen Forschungsparadigmen darstellt und dabei nicht vergisst, sie in ihren jeweiligen gesamtgesellschaftlichen Kontext zu stellen. Fortgeführt wird der erste Teil mit einigen Schwerpunktthemen zur Agrargeschichte Schleswig-Holsteins im Untersuchungszeitraum, die dann in der eigentlichen Untersuchung eine wichtige Rolle spielen. Dazu zählen u.a. Begriffe wie "Adliges Gut", "Gerichtsherrschaft", "Leibeigenschaft" und "Meliorationen und Agrarreformen". Abschließend skizziert die Autorin den Aufbau der Arbeit und damit die weitere Struktur ihrer Untersuchung. Sie hat sich dabei an den Lebensdaten der Inhaber des adligen Gutes Ahrensburg von 1715 bis 1867 orientiert, was durchaus logisch klingt und durch die Ergebnisse der Arbeit bestätigt wird.
Die folgenden vier Hauptteile bilden die eigentliche empirische Untersuchung. Es ist geradezu unmöglich, auf alle darin angesprochenen Aspekte einzugehen. Mustergültig hat Behrens die in der Einleitung herausgearbeiteten und formulierten forschungsleitenden Fragestellungen umgesetzt, was sonst häufig eine Schwäche von Qualifizierungsarbeiten darstellt. Der erste dieser vier Teile bzw. der zweite Abschnitt der gesamten Arbeit behandelt die Entwicklung des Gutes unter Detlev von Rantzau, der es 1715 erwarb und bis 1758 besaß. Der nächste Abschnitt widmet sich der Wirksamkeit von Heinrich Carl Schimmelmann als nachfolgendem Besitzer in den Jahren 1759 bis 1782. Ihm folgte sein Sohn Friedrich Joseph Schimmelmann für die Jahre 1782 bis 1803, die in Teil 4 behandelt werden. Und im fünften und abschließenden Teil der empirischen Untersuchung ist der Zeitraum 1804 bis 1867 Gegenstand der Betrachtung.
Die Ergebnisse ihrer Untersuchung fasst Behrens dann im Abschnitt sechs "Schlussbetrachtung" zusammen. Während unter Detlev von Rantzau ein massiver Ausbau der Gutswirtschaft zu konstatieren ist, der auch zu Lasten der untertänigen Bevölkerung ging und diese zu widerständigen Aktionen provozierte, wurde das Gut Ahrensburg unter Heinrich Carl Schimmelmann ein Teil von dessen Wirtschaftsimperium. Dies äußerte sich insbesondere in der Anlegung von zusätzlichen Wirtschaftsbetrieben zur Verarbeitung der landwirtschaftlichen Produkte, aber auch zur gewerblichen Produktion. In den landwirtschaftlichen Bereich im engeren Sinne fällt in die Zeit des ersten Schimmelmann v.a. die Verkoppelung der Ländereien, also eine einschneidende Veränderung der Flurverfassung und damit auch der Fruchtfolge und der Arbeitsweise im Ackerbau. Unter seinem Sohn erfolgte schließlich, und das ist durchaus eine Besonderheit unter den adligen Gütern Holsteins, die Auflösung des gutswirtschaftlichen Systems mit der Niederlegung des Ahrensburger Haupthofes und der Vererbpachtung dieser Ländereien und der der Untertanen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Zugleich wurde auch die Leibeigenschaft aufgehoben. Für die Jahrzehnte bis zum Anschluss der Herzogtümer an Preußen 1867 stellte sich heraus, dass die Vollerwerbsbauern die eigentlichen Gewinner der Agrarreformen wurden. Die sozialen Unterschiede zwischen diesen und den landarmen und landlosen Gutsbewohnern vergrößerten sich in diesem Zeitraum deutlich. Die Reaktionen der Gutsherrschaft auf die Pauperisierung der Unterschichten waren zeittypisch: geschlossene Armenfürsorge in einem Werk- und Armenhaus. Sie selbst, die Gutsherren, profitierten in jeder Phase des Untersuchungszeitraums von ihren Maßnahmen. Auch nach den Reformen blieb ihre herrschaftliche Stellung bis zum Anschluss an Preußen und zur dann erfolgenden Bildung von Landgemeinden unangetastet. Eine vollständige Auflösung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses setzte jedoch erst mit der Reallastenablösung ab 1873 ein.
Die Studie von Angela Behrens verknüpft intensive empirische Untersuchungen anhand umfangreicher archivalischer Quellen in vorbildlicher Weise mit den Fragestellungen der neueren Agrar- und Sozialgeschichte. Dadurch gelangt sie zu beeindruckenden Erkenntnissen, die weit über den lokalen Rahmen des von ihr untersuchten Gutes Ahrensburg hinausreichen. Sie bieten sich für vergleichende Studien geradezu an. Und nicht zuletzt ist das Buch in einem überaus lesenswerten Stil verfasst worden.
Dirk Schleinert