Luigi Emilio Longo: Giovanni Messe. L'ultimo Maresciallo d'Italia, Rom: Ufficio Storico dello Stato Maggiore dell'Esercito 2006, 664 S., ISBN 978-88-87940-67-1, EUR 16,00
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Es dürfte nicht viele Offiziere in den europäischen Streitkräften des 20. Jahrhunderts geben, die eine ähnlich steile Karriere gemacht hätten wie Giovanni Messe. Der spätere Marschall von Italien wurde im Dezember 1883 in einer apulischen Kleinstadt geboren, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und wollte zunächst Maurer werden. Doch die Uniform schien ihm größere Chancen für einen sozialen Aufstieg zu bieten als die Maurerkelle und so trat er Ende Dezember 1901 mit dem Ziel in die Armee ein, aktiver Unteroffizier zu werden. Zwischen 1903 und 1905 bewährte sich Messe bei einem italienischen Kontingent in China, ja er machte seine Sache so gut, dass er die Kriegsschule in Modena besuchen und zum Offizier aufsteigen konnte. 1911 wurde er zum Leutnant befördert und verbrachte die nächsten Jahre in Nordafrika, wo er zunächst bei der Eroberung, dann bei der gewaltsamen Pazifizierung Libyens eingesetzt war. Vermutlich hätte Messe seine Laufbahn als verdienter Truppenoffizier beschlossen, wäre Italien nicht 1915 in den Ersten Weltkrieg eingetreten. Die blutigen Schlachten in Norditalien boten ihm jedoch reichlich Gelegenheit sich auszuzeichnen, zuletzt als Kommandeur einer Abteilung der Stoßtruppen, der berühmten Arditi. Bei Kriegsende war Oberstleutnant Messe - mehrfach verwundet und wiederholt ausgezeichnet - ein gefeierter Kriegsheld und dieser Ruhm war es auch, der ihm 1923 eine neue Welt eröffnete. Vier Jahre lang diente er als Adjutant am Hof von König Viktor Emanuel III. und knüpfte dort Verbindungen, die für ihn von kaum schätzbarem Wert waren. Nachdem er den Quirinal 1927 verlassen hatte, kommandierte Messe ein Regiment mobiler Elite-Infanterie, der Bersaglieri, bevor er 1935 zum Brigadegeneral ernannt wurde.
Mit den Kriegen des faschistischen Regimes gewann seine Karriere an Fahrt. Als stellvertretender Divisionskommandeur nahm er 1936 an der Eroberung Abessiniens teil und als stellvertretender Kommandeur des italienischen Expeditionskorps an der Besetzung Albaniens im April 1939. Noch stärker rückte er ins Rampenlicht, als er Ende 1940 das Kommando über ein Armeekorps an der griechisch-albanischen Front übernahm, wo den Italienern nach ihrem schlecht vorbereiteten Angriff vom 28. Oktober ein Debakel drohte. Messe bewältigte diese schwierige Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit sowohl der militärischen als auch der politischen Führung. Wegen seiner Verdienste zum Generale di Corpo d'Armata befördert, wurde er wiederholt für hohe Ämter oder wichtige Kommandos gehandelt. Folgerichtig übernahm er im Sommer 1941 das rund 62.000 Mann starke italienische Expeditionskorps in der Sowjetunion und avancierte damit zum ranghöchsten militärischen Vertreter Italiens an der Ostfront. Messe wollte den Verbündeten beweisen, was das königlich-italienische Heer zu leisten imstande war und holte das Letzte aus seinen drei Divisionen heraus. Dennoch wurde 1942 nicht der auch von den Deutschen geschätzte Messe, sondern Generaloberst Italo Gariboldi zum Oberbefehlshaber der neugebildeten Armata Italiana in Russia ernannt - eine Entscheidung, die Messe nie verwand. Nachdem er sich im Herbst 1942 sowohl mit seinen italienischen als auch mit seinen deutschen Vorgesetzten überworfen hatte, bat er um seine Ablösung. So blieb ihm die Katastrophe erspart, die im Winter 1942/43 über die italienischen Truppen hereinbrach.
Die Missklänge, mit denen Messe von der Ostfront schied, schadeten seiner Karriere nicht. Die staatlich gelenkte Presse förderte und bediente sich seiner Popularität und noch im November 1942 wurde er wegen seiner Verdienste an der Front zum Generaloberst ernannt. Mussolini hielt ihn sogar für einen der zuverlässigsten Generäle im gesamten königlichen Heer und vermutlich war es nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass er im Januar 1943 mit einem neuen Kommando betraut wurde. Als Oberbefehlshaber der 1. italienischen Armee sollte er in Tunesien den letzten Brückenkopf verteidigen, der den Achsenmächten in Nordafrika geblieben war. Und obwohl das Schicksal seiner Divisionen bereits besiegelt war, tat Messe, was er konnte; seine Armee kapitulierte sogar erst dann - und darauf hielt er sich viel zugute -, nachdem die Deutschen bereits die Waffen gestreckt hatten. Unmittelbar zuvor hatte ihm Mussolini noch seine Beförderung zum Marschall von Italien mitgeteilt.
Den Sturz Mussolinis, den Frontwechsel Italiens und die Besetzung seiner Heimat durch die Wehrmacht erlebte Messe in britischer Kriegsgefangenschaft, aus der er im November 1943 zurückkehrte, um das Amt des Generalstabschefs im sogenannten Königreich des Südens zu übernehmen. Damit hatte er eine exponierte Position bei der Organisation des italienischen Beitrags zur Befreiung des eigenen Landes und bei der Bewahrung der Tradition der königlichen Streitkräfte inne; dass er dabei für Kontinuität und nicht für Umbruch stand, braucht kaum eigens betont zu werden. Im Mai 1945 hatte Messe seine Schuldigkeit getan und wurde als sperriges Relikt einer vergangenen Zeit abgelöst. Als politischer - oder besser - politisierter General dachte er freilich nicht daran, sich aufs Altenteil zurückzuziehen. Vielmehr ließ er sich in den Senat und die Deputiertenkammer der neuen italienischen Republik wählen und verteidigte dort das, was er für die Ehre seiner Armee hielt, ebenso mit Klauen und Zähnen wie in seinen bekannten autobiografischen Schriften.
Das Leben des letzten Marschalls von Italien ist es also wert, erforscht und erzählt zu werden. Im Auftrag des Ufficio Storico des italienischen Heeresgeneralstabs hat sich Luigi Emilio Longo, selbst ehemaliger Offizier und Autor zahlreicher militärhistorischer Schriften, an diese Aufgabe herangewagt, zumindest für die Jahre bis 1947. Das Ergebnis ist jedoch enttäuschend und ärgerlich zugleich. Longo lässt nahezu jede Distanz zu seinem "Helden" vermissen und blendet unbequeme Themen mehr oder weniger konsequent aus. Dies gilt etwa für Messes Verhältnis zum Faschismus im Allgemeinen und zu Mussolini im Besonderen sowie für die Rolle des Generals und seiner Truppen auf dem sowjetischen Kriegsschauplatz. Das diesbezügliche Kapitel beschränkt sich auf die bloße Geschichte militärischer Operationen; dass diese im Kontext eines verheerenden rassenideologischen Vernichtungskriegs stattfanden bleibt dem Leser ebenso verborgen wie die Tatsache, dass auch das italienische Expeditionskorps darin involviert war. Longo macht aus seiner Parteilichkeit und seiner Sympathie für das untergegangene königliche Heer, das genau genommen ein königlich-faschistisches Heer war, keinen Hehl. So verwundert es nicht, wenn Vertreter der politischen Linken, die sich in die Militärpolitik des postfaschistischen Staates einschalteten, als zweifelhafte und gefährliche Defätisten beschrieben werden und wenn Longo sich damit schwertut, Messes Entscheidung zu rechtfertigen, nach dem 8. September 1943 mit dem König und seiner Regierung die Seite zu wechseln.
Innere Widersprüche seines Protagonisten werden nur selten aufgedeckt, Lern- und Entwicklungsprozesse bleiben im Dunkeln. Dabei wären die Voraussetzungen günstig gewesen, konnte Longo doch den Nachlass Messe auswerten, der im Archiv des italienischen Heeresgeneralstabs verwahrt wird und überdies auch private Briefe aus den Kriegsjahren in Familienbesitz einsehen. Zitate aus diesen Briefen deuten an, was man daraus hätte machen können. Doch diese Gelegenheit blieb ebenso ungenutzt wie die Chance, die Dokumente aus dem Archiv des italienischen Heeresgeneralstabs durch die deutsche und britische Überlieferung zu ergänzen; genannt seien nur die zentralen Aufzeichnungen der in Gefangenschaft abgehörten Gespräche. Auch die Literaturauswahl lässt zu wünschen übrig, sodass das Buch gleichsam im eigenen Saft der konservativ-traditionalistischen italienischen Militärgeschichte schmort. Giovanni Messe ist eine Figur des Umbruchs und steht für die schwierigen Transformationsprozesse Italiens zwischen Monarchie, Faschismus, Krieg und demokratischer Republik. Es ist zu wünschen, dass sich bald ein anderer Biograf daran macht, die Geschichte des letzten italienischen Marschalls neu zu schreiben - ein Biograf, der dieser Aufgabe gewachsen ist.
Thomas Schlemmer