Gregor Schöllgen: Der Eiskönig. Theo Schöller. Ein deutscher Unternehmer. 1917-2004, München: C.H.Beck 2008, 191 S., 34 Abb., ISBN 978-3-406-57760-4, EUR 19,90
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Mit diesem Band legt der Erlanger Historiker Gregor Schöllgen bereits sein drittes Buch über fränkische Unternehmer und Familienunternehmen vor. Nach Diehl und Brose beschreibt er nun die erstaunliche Karriere des "Eiskönigs" Theo Schöller. [1] Anders als die beiden Vorgänger ist dieses Buch eine reine Unternehmerbiografie, doch ist es nach dem gleichen Muster angelegt. Wiederum handelt es sich um einen knappen, leicht lesbaren Band, der sich an ein breites Publikum richtet und auf wissenschaftliche Standards verzichtet.
"Alle kennen Schöller" - mit diesem Motto ließ der "Eiskönig" höchst erfolgreich für die Produkte seiner Firma werben. Über den Unternehmer selbst ist zu seinen Lebzeiten nicht allzu viel bekannt geworden. Schöllgens Biografie gibt erstmals näheren Einblick in eine Karriere, in der sich das westdeutsche "Wirtschaftswunder" geradezu personifizierte. Aus bescheidenen Anfängen stieg Schöller in den fünfziger und sechziger Jahren zum zweitgrößten Speiseeishersteller der Bundesrepublik auf. Zu der Geschäftsidee, die seinen Erfolg begründete, war der Nürnberger Handwerkersohn schon vor dem Krieg gekommen, nachdem er beim Besuch eines Varietés in Berlin eine neue, in den USA erfundene Delikatesse kennengelernt hatte: Eis am Stiel. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Karl hatte Theo Schöller 1937 eine Lizenz des Münchner Unternehmers Josef Pankhofer (Jopa-Eiskrem) für die Herstellung von "Eis am Steckerl" erworben. Der Krieg verhinderte einen Ausbau dieser Produktion. Theo Schöller wurde eingezogen, sein Bruder betrieb die Firma mit der Fertigung von Gefrierkonserven und Tiefkühlkost für die Wehrmacht weiter, ab 1942 auch unter Einsatz von Zwangsarbeiterinnen.
Schöllgen verzichtet auf Quellennachweise und begnügt sich damit, in einem zweiseitigen Anhang die Quellenlage zu schildern. Schon dadurch entspricht der Band mehr dem Muster der traditionellen Firmengeschichtsschreibung als den Ansprüchen der heutigen Unternehmensgeschichte. Noch deutlicher zeigt sich dies in der unreflektierten und vollkommen unkritischen Darstellung des "Eiskönigs", dessen Werdegang hier als eine Art Heldenepos beschrieben wird. Schöllgen liegt sicherlich nicht falsch, wenn er Theo Schöller herausragende unternehmerische Fähigkeiten und Erfolge bescheinigt. Doch erfährt der Leser kaum Tiefgründiges über die Persönlichkeit Schöllers. Über die Schattenseiten, die es auch bei dieser Erfolgsgeschichte gab, wird leichtfüßig hinweggegangen.
So gelang es Schöller zwar, seine Unternehmensgruppe in den siebziger und achtziger Jahren weiter auszubauen. Doch die mit großen Erwartungen verknüpfte Übernahme der Südmilch Eiskrem- und Tiefkühlkost GmbH & Co. wurde zu einem Debakel. Nach 1990 verkalkulierte sich Schöller bei der Expansion nach Osteuropa. Er musste seine Firmengruppe an die Südzucker AG verkaufen, von der sie später an den Nestlé-Konzern abgegeben wurde. Schon vorher hatte sich der "Eiskönig" damit abfinden müssen, dass es ihm nicht vergönnt war, sein Lebenswerk einem seiner Kinder zu übergeben. Schöllgen leitet auch daraus noch ein Lob ab, indem er feststellt, "dass ein Unternehmer wie Theo Schöller gar keinen Nachfolger haben kann." Schöller selbst dürfte es anders gesehen haben. Er hat sich stets als Familienunternehmer verstanden, doch von seinen vier Kindern, die alle aus der ersten, geschiedenen Ehe stammten, trat nur die jüngste Tochter für kurze Zeit in die Firma ein. Theo Schöller regelt die Nachfolge schließlich, indem er 1988 gemeinsam mit seiner zweiten Frau Friedl Schöller geb. Hönle, einer langjährigen Mitarbeiterin des Unternehmens, eine Stiftung gründete.
Schöllgens Vorwort kann man entnehmen, dass er von der Schöller-Familienstiftung und Friedl Schöller beauftragt worden ist, diese Biografie zu schreiben. Dagegen wäre nichts zu sagen, wenn sich der Autor um eine unvoreingenommene Darstellung bemüht hätte. Offenbar hat Schöllgen den Auftrag aber als Verpflichtung verstanden, Theo Schöller so zu schildern wie ihn die große Gemeinde der "Schöllerianer" gerne sieht. Ähnlich hat er es auch schon bei den Bänden über Diehl und Brose gehalten. Man kann darüber spekulieren, was einen renommierten Politikhistoriker wie Schöllgen bewegen mag, mit unternehmensgeschichtlichen Veröffentlichungen hervorzutreten, die man eher vom Kommunikationsapparat oder von Pensionären der jeweiligen Firmen erwarten würde. Offenbar sehen Schöllgen und sein Zentrum für Angewandte Geschichte hier eine Marktlücke, die sich durch die Zunahme wissenschaftlicher Standards in der Unternehmensgeschichte eröffnet hat. Schöllgens nächstes Thema ist durch Presseberichte und eine Vorabveröffentlichung in einem Magazin für politische Literatur bereits hinreichend bekannt geworden: der Fall Schaeffler. Es bleibt abzuwarten, ob er hier nach dem gleichen Muster verfahren wird.
Anmerkung:
[1] Gregor Schöllgen: Diehl - Ein Familienunternehmen in Deutschland, 1902-2002, Berlin 2002; ders.: Brose. Ein deutsches Familienunternehmen 1908-2008, Berlin 2008.
Johannes Bähr