Christopher S. Mackay (ed.): Malleus Maleficarum, Cambridge: Cambridge University Press 2006, 2 vol., viii + 720 S. + v + 615 S., ISBN 978-0-521-85977-6, GBP 155,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Frederick Valletta: Witchcraft, Magic and Superstition in England, 1640-70, Aldershot: Ashgate 2000
Maija Jansson (ed.): Realities of Representation. State Building in Early Modern Europe and European America, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2007
Diethard Sawicki: Leben mit den Toten. Geisterglauben und die Entstehung des Spiritismus in Deutschland 1770-1900, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2002
Noch eine Edition des Malleus Maleficarum? Wieso und für wen? Der Malleus Maleficarum, besser bekannt als der Hexenhammer, erschienen erstmals 1486, ist zweifellos eines der Standardwerke der Hexenlehre. Ebenso zweifellos nimmt er heute in der öffentlichen Wahrnehmung größere Bedeutung ein, als er während der Hochphase der Hexenverfolgungen im 16. und 17. Jahrhundert tatsächlich hatte. Der Malleus Maleficarum hatte versucht zu zeigen, dass die Schreckensnachrichten von einer Verschwörung von zaubernden Ketzern, die sich im 15. Jahrhundert auszubreiten begannen, ernst genommen werden mussten. Dazu führte er eine erschöpfende Fülle nicht nur von Fallbeispielen, sondern auch von Zitaten angesehener theologischer und juristischer Autoren an, die jeder Skepsis gegenüber der neuen Kombination von Magie und Apostasie die intellektuelle Grundlage entziehen sollte. Mit ermüdenden und in der Forschung sattsam zitierten Tiraden gegen die vermeintlich minderwertige Frau wollte der Malleus Maleficarum - man beachte die weibliche Form - zeigen, dass die Hexen überwiegend weiblichen Geschlechts seien. Obwohl das Buch aus dem Umfeld der Inquisition hervorging, lieferte es handfeste Handlungsanweisungen für weltliche Richter, die es von ihrer Verpflichtung überzeugen wollte, gegen die teuflischen Magier vorzugehen. Freilich war der Malleus Maleficarum angesichts seiner bekannt schlechten Struktur und groben argumentativen Schnitzern nur bedingt in der Lage, seine Ziele zu erreichen. Intelligentere Dämonologien wie die von Jean Bodin, Peter Binsfeld oder Martin Delrio liefen dem unbeholfenen frühen Kompendium bald den Rang ab.
Der Text des Malleus Maleficarum ist leicht verfügbar. Es liegen zwei Faksimile-Editionen vor. [1] VD16 hat inzwischen den lateinischen Wortlaut der Ausgabe von 1511 kostenlos verfügbar gemacht. [2] Zugegeben, diese Textfassungen sind nicht ganz leicht lesbar und können allenfalls Doktorandinnen und Doktoranden zugemutet werden. Im Jahr 2000 haben Behringer, Jerouschek und Tschacher jedoch eine sehr preiswerte deutsche Übersetzung des Malleus Maleficarum vorgelegt. [3] Die alte deutsche Fassung von Schmidt [4] sollte nicht mehr zitiert werden. Die neue Übersetzung fasste zudem in vorbildlicher Weise knapp zusammen, was wir über die Genese, die Wirkung und den Autor des Malleus Maleficarum wissen. Diejenigen, die sowohl mit Latein als auch mit Deutsch Schwierigkeiten haben, sahen sich jedoch auf die kaum brauchbare alte englische Übersetzung des Malleus Maleficarum von Montague Summers verwiesen, ein peinliches Kuriosum der Wissenschaftsgeschichte, das in einem unsäglichen Vorwort den Glauben an Hexen und deren Bekämpfung verteidigt.
Mackays Edition des Hexenhammers schafft hier eine tatsächlich längst überfällige Abhilfe. Er legt in zwei Bänden nicht nur den ungekürzten lateinischen Text des Malleus Maleficarum sondern auch eine vollständige englische Übersetzung vor. Worin könnte die Attraktivität des neuen Malleus Maleficarum außerhalb der angelsächsischen Welt bestehen? Um es vorwegzunehmen: Eine Textgeschichte der Editionen des Malleus Maleficarum wollte Mackay nicht vorlegen. Sein lateinischer Text stützt sich vollständig auf die älteren Faksimiles der Erstausgabe. Das erklärte Ziel des Althistorikers Mackay ist es, diesen lateinischen Text besser lesbar zu machen: durch die Übertragung in moderne Schrift und durch eine grammatikalische und orthografische Überarbeitung des häufig schwer verständlichen bzw. fehlerhaften Originaltextes. Mackay will es dem an Cicero geschulten Leser leicht machen. Die Interpretation des Hexenhammers fängt also schon vor der Übersetzung an. Wer am Malleus als Sprachdenkmal interessiert ist, sollte weiterhin auf die Faksimiles zurückgreifen. Dies gelingt immerhin mit geringem Aufwand, da Mackays Edition auf die jeweils entsprechenden Seitenzahlen in Jerouscheks Ausgabe verweist.
Der Prüfstein für eine anspruchsvolle Auseinandersetzung mit dem Text ist der Nachweis seiner Quellen. Gerade bei einem an sich wenig originellen Kompendium wie dem Hexenhammer wäre dies sehr wichtig. Hier überzeugt Mackay nicht. Zitate anderer Autoren im Text des Malleus Maleficarum werden nicht ausreichend optisch abgesetzt. Es bleibt rätselhaft, wieso Mackay die editorischen Erläuterungen zu den von Institoris zitierten Gesetzestexten im Band mit der englischen Übersetzung liefert, die Erklärungen zu den übrigen Quellen aber im Band mit dem lateinischen Text. Moderne Editionen der zitierten Texte werden - abgesehen von einigen häufig angeführten Werken - vom Herausgeber nicht angegeben. Stattdessen werden die wichtigsten Autoren, auf die Institoris sich stützte, jeweils mit ein paar Zeilen Kurzbiografie in der Einleitung vorgestellt. Das ist ein guter zusätzlicher Service, aber kein Ersatz für einen bibliografischen Nachweis, wie man ihn in einer großen wissenschaftlichen Edition erwarten dürfte.
Der editierte Text wird von einer sehr ausführlichen Einleitung begleitet. In ihr geht Mackay den Umständen der Entstehung des Malleus Maleficarum nach. Er erläutert den Aufbau des Werks und skizziert kurz - allzu kurz - seine Wirkungsgeschichte. In einigen zentralen Fragen der Forschungsdebatte um den Hexenhammer bezieht Mackay Stellung. Er vermutet, dass das Notariatsinstrument und die Apologia dem Werk nicht nachträglich beigefügt worden seien. Hier schließt sich Mackay Schnyder an, dessen Werk er jedoch dichter hätte zitieren müssen. Entsprechend äußert sich Mackay dann auch zur Frage nach dem Autor bzw. den Autoren des Malleus Maleficarum. Behringer und Jerouschek stellten fest, dass der Malleus Maleficarum von dem Dominikanerinquisitor Heinrich Kramer (Institoris) allein verfasst worden sei. Das Werk selbst nannte den Kölner Dominikaner und Leiter der theologischen Fakultät Jakob Sprenger als Koautor. Diese Nennung wurde als Fälschung zurückgewiesen, mit der Kramer, der innerhalb von Dominikanerorden und Inquisition äußerst umstritten war, seinem Buch zu höherem Ansehen verhelfen wollte. Wieder folgt Mackay weitgehend Schnyder. Er akzeptiert, dass Sprenger zu Kramer ein gespanntes Verhältnis hatte. Er räumt auch ein, dass ein Interesse an einer Mitarbeit an einem Werk wie dem Malleus Maleficarum bei dem Kölner Dominikaner überraschen müsste. Gleichwohl versucht Mackay alle Quellenbelege für die Fälschung bzw. den Fälschungsvorwurf zu entkräften. Dass ihm kein einziger der Anhaltspunkte stichhaltig erscheint, mag man hinnehmen. Es gibt jedoch zu denken, dass Mackay seinerseits keinen positiven Beleg dafür finden kann, dass Sprenger wirklich am Hexenhammer mitgeschrieben hat - außer der Behauptung von Institoris selbst und der Beobachtung, dass Institoris als alleiniger Autor ungeheuer schnell hätte arbeiten müssen. Gerade der Herausgeber sollte wissen, dass der Hexenhammer tatsächlich ein hastig, um nicht zu sagen schluderig geschriebenes Buch ist. Der Rezensent zumindest empfiehlt, gemäß der Argumentation von Behringer und Jerouschek den Malleus Maleficarum weiterhin als das Werk von Heinrich Kramer allein anzusehen. Viel Neues erfahren FachhistorikerInnen in der Einleitung nicht. Natürlich ist es akzeptabel, dass der Herausgeber nähere Recherche an Originalquellen zu Kramer nicht als seine Aufgabe ansah. Dennoch hätte man sich gewünscht, dass die Verwicklung Kramers in Ritualmordprozesse beleuchtet wird. Die reichlich kurze Bibliografie zum Malleus Maleficarum verzeichnet wichtige und originelle Beiträge zum Wirken Kramers wie den von Wolpert nicht, dagegen aber Huttons Buch über den modernen Neopaganismus, das hier kaum von Belang ist. [5] Die Lektüre von Mackays Einleitung macht deutlich, dass eine ausführliche biografische oder prosopografische Studie zur schillernden Figur Kramer und seinem Umfeld ein wichtiges Desiderat darstellt.
Die Edition wird von zwei Karten begleitet. Angesichts der Fülle von Orten und Personen, die der Malleus Maleficarum - und Mackays Einleitung - ansprechen, ist das Fehlen eines Registers ärgerlich. Einen so essentiellen Service darf man von einer Edition mit wissenschaftlichem Anspruch einfach erwarten.
Mackay hat inzwischen seine englische Übersetzung des Malleus Maleficarum separat als Taschenbuch veröffentlicht, was ihm englischsprachige Studierende danken werden. Die zweibändige lateinisch-englische Edition scheint mit 155 £ bzw. über 250 $ zu teuer. Angesichts der guten älteren Editionen des Hexenhammers, den Problemen der neuen Edition und der knappen Kassen der Universitätsbibliotheken sollte man sich sehr überlegen, ob keine dringenderen Anschaffungswünsche zu befriedigen sind.
Anmerkungen:
[1] Schnyder, André (Hg.): Malleus Maleficarum. Faksimilie der Ausgabe Straßburg 1486, 2 Bde., Göppingen 1991, 1993; Jerouschek, Günter (Hg.): Der Nürnberger Hexenhammer, Hildesheim 1992.
[2] http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0001/bsb00014933/images/
[3] Behringer, Wolfgang / Jerouschek, Günter (Hgg.): Heinrich Kramer (Institoris). Der Hexenhammer, übers. von Werner Tschacher, München 2000.
[4] Schmidt, J.W.R. (Hg.) Jakob Sprenger / Heinrich Institoris: Der Hexenhammer, Berlin 1906, ND München 1986.
[5] Wolpert, Wolfgang: Fünfhundert Jahre Kreuzweg in Ediger an der Mosel, in: Franz, Gunther / Irsigler, Franz (Hg.): Hexenglaube und Hexenprozesse im Raum Rhein-Mosel-Saar, Trier 1995, 19-34; Hutton, Ronald: The Triumph of the Moon, Oxford 1999.
Johannes Dillinger