Klausen Jytte: The Cartoons That Shook the World, New Haven / London: Yale University Press 2009, 230 S., ISBN 978-0-300-12472-9, USD 35,00
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Jytte Klausen lehrt an der Bostoner Brandeis Universität vergleichende Politik in Europa. Sie war durch ihr Buch "The Challenge of Islam"(Oxford 2005) hervorgetreten, das auch als "Europas muslimische Eliten" (Campus 2006) erschien.[1] Es fiel durch zweierlei auf. Zum einen benutzte die Autorin gern den Begriff "Europa", meinte aber in Wirklichkeit nur Westeuropa (ähnliche Analysen zu etwas anderen Trends in Osteuropa sind nach wie vor ein Desiderat). Zum anderen lehnte sie die These von der Kollision der Zivilisationen ab und sah in der steigenden muslimischen Bevölkerung ein neues Potential an Wählern.
Aber ihr neuer Band war noch nicht gedruckt, da geriet er schon zum Zankapfel. Zur Überraschung der dänischen Autorin verzichtete der Verleger in der Yale Universität plötzlich darauf, das Dutzend der fraglichen (und andere) Bilder des Propheten Muhammad einzubringen. Sonst entstehe das Risiko, wieder zornige Reaktionen durch Muslime auszulösen, die schon seit 2005 zu hunderten Toten führten, meinte der Verleger, und verwies den Leser ins Web, wo die Bilder noch stehen. Die Politologin hingegen zeigte sich enttäuscht; und einsichtig. Sie möchte nicht, dass ihr Buch Anlass zu bösen Auseinandersetzungen gibt.
Dies zeitigte ein zwiespältiges Echo. Indes Muslime zumeist die Absage des Verlegers begrüßten, empörten sich andere wie das "Yale Komitee für Freie Presse". Zwei Dutzend Absolventen der Universität um John Bolton, einst der Washingtoner Botschafter in den Vereinten Nationen, schlossen sich der Union von US-Professoren an, die betonte, der Verlag beuge sich vorauseilend dem Druck von Terroristen. In einer Welt, wo Licht und Wahrheit belagert wären, müsse jede Universität die freie Meinungsäußerung wahren.
Das half nichts, das Buch liegt hier ohne Bilder vor. Höchst sachlich erzählte Klausen die Geschichte, wie es zum interkulturellen Streit kam. Flemming Rose, Kulturredakteur der dänischen JyllandsPosten-, bat 42 Zeichner im Herbst 2005, ein Bild Muhammads zu liefern. Warum Rose darauf verfiel, blieb offen. Ende September druckte er zwölf der Karikaturen ab. Eine Woge des Protestes nahm ihren Lauf. Zuerst verlangten lokale Imame eine Entschuldigung. Dann wies Premier Fogh Rasmussen es ab, die Vertreter der arabischen Länder zu empfangen: er könne keineswegs die freie Presse steuern.
Proteste und Morddrohungen gegen Zeichner und Journalisten folgten. Die Arabische Liga und die Organisation Islamische Konferenz wandten sich an Kopenhagen. Al-Fajr, eine ägyptische Zeitung, druckte sechs der Bilder, wurde aber noch am Kiosk gestoppt. Dann brachten diverse Blätter in Europa, darunter Die Welt, Abbildungen heraus. In den jeweiligen online-Versionen solcher Zeitungen waren sie gar meist vollständig zu sehen.
Als Premier Rasmussen das freie Wort hoch hielt, rief die Organisation Islamische Konferenz ihre 57 Mitgliedsländer Anfang 2006 zum Boykott dänischer Produkte auf. Daraufhin edierten weitere Medien diese Karikaturen. Gruppen und Kleriker, von al-Qa'ida bis Hamas, wandten sich dem zu. Sicher traf Kairos Botschafter in Kopenhagen den Nagel auf den Kopf, als er meinte, es sei zu spät, die Sache entglitt nun der Hand von Regierungen: jetzt fälle die Strasse ihr Urteil. In der Tat, fast 250 Personen, so fand die Autorin heraus, kamen dabei um, oft durch die Polizeigewalt. Rund 800 wurden verletzt.
Andererseits nahm die dänische Polizei öfter mögliche Mörder fest, noch zu Beginn des Jahres 2008. Sie konspirierten ebenso gegen Kurt Westergaard, von dem das Bild mit einer Bombe unter dem Turban stammt. Kurz erschien diese Karikatur auch im Web, als der dänische Politiker Geert Wilders dieses Bild mit in seinen Kurzfilm Fitna aufnahm. Indes Westergard und seine fünfjährige Enkelin in Aarhus am Neujahrsabend 2010 nur knapp dem Attentat durch einen eingebürgerten, axtschwingenden somalischen Muslim entgingen, eröffnet der Staatsanwalt in Amsterdam am 20. Januar 2010 einen Prozess gegen Wilders wegen "Herabsetzung von Muslimen" durch Aussagen wie der Koran sei das "islamische 'Mein Kampf'" und es gebe keinen "moderaten Islam".
Die Autorin hielt sich mit ihrem Urteil bedeckt, zumal diese Cartoon-Krise noch nicht vorbei ist. Sie fragte, ob der interzivilisatorische Zwist zu einer dauerhaften Spannung zwischen Islamländern und dem Westen führte. Sie benutzte nun die Wendung von der "Kollision der Zivilisationen" (169). Obgleich sie allzu oft vom "Westen" sprach, erhellte sie auch, dass dieser durch die Migration und Demographie tief verändert wird. Daher, so mag der Leser folgern, entlädt sich in diesem Ringen gleichwohl viel Frustration um die Integration, um das Mit- und Gegeneinander in Europa. Viele der im Kalten Krieg zuvor zwischen Blöcken ausgetragenen Konflikte zogen sich in Regionen und Länder hinein.
Die Bilder stiegen zum Katalysator der Gefühle von Muslimen auf. Aber sie seien nicht als Angriff gegen diese gedacht gewesen, erklärte die Autorin. Viele Dänen und Europäer hätten die Aktion der Jyllands-Posten kritisiert. Und Muslime hätten dies zuerst noch als unbedeutende Sache eines Lokalblattes abgetan. Doch als dann viele westliche Medien die Bilder abdruckten, ging der Vorwurf einer Feindlichkeit gegen den Islam um. Laut Klausen stiegen die Karikaturen zum Kapitel im unerklärten Krieg gegen den Islam auf.
Dies wie auch die zuweilen sehr zurückhaltende Analyse mag den Leser herausfordern. Klausen zitiert sehr viele Ansichten. So geht sie weniger in die Tiefe. Wer hat wem den Krieg erklärt, ist das wirklich passiert, wenn ja, wie und wann? Geht es echt gegen eine Religion oder Radikale an deren Rändern? Folgt man Klausen, nimmt Europa islamische Werte schon an. Dieser Prozess ist im Gange. Daher darf man Klausen danken, eine neue Nachdenklichkeit zu erzeugen, wohin wohl diese zivilisatorische Fahrt so hinführen mag.
Auf der anderen Seite des Atlantiks wandelte sich auch Amerika. Als Jytte Klausen zur Buchlesung in Yale weilte, eilten ihr Bombensucher voraus. Und Kurt Westergaard aus Aarhus würde sein Bild erneut malen. Darauf beharrte der Zeichner, obzwar er ermordet werden sollte. In Princeton sagte er, der Streit wäre ein Weltbarometer, ein Anzeiger des Standes für demokratische Werte. Tendenz fallend, vom Orient verweht? Wie Klausen zeigte, gibt es wohl noch keine befriedigende Auskunft dafür, warum die Menschen jetzt Streit so viel höher heben als Gemeinsamkeit, die sie doch über Kulturen und Kontinente hinweg vereint. Während sich globale Spannungen häuften, fehlten lokale und regionale Wege ihrer friedlichen Austragung. Dies, wie auch die Freiheit, bleiben die Hauptsache.
Die Bilder wirkten wie ein Blitzableiter, der vielen diente. Medien ging es um Geld und Werte. Andere suchten die Integration von Muslimen. Und allseits wärmen sich Radikale die Hände am Feuer. Die Autorin erhellte die Protestzyklen, Konflikte und Medientrends. Hoffentlich macht die vorauseilende Unterwerfung im akademischen Raum keine Schule.
Anmerkung:
[1] http://www.trafoberlin.de/pdf-Neu/Jytte%20Klausen%20Muslimische%20Eliten.pdf [PDF-Dokument]
Wolfgang G. Schwanitz