Konrad Vössing (Hg.): Das römische Bankett im Spiegel der Altertumswissenschaften. Internationales Kolloquium 5./6. Oktober 2005 Schloß Mickeln, Düsseldorf, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2008, 213 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-515-09235-7, EUR 44,00
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In der Einleitung (9-11) der Publikation des ersten Kolloquiums zum römischen convivium begründet der Herausgeber Konrad Vössing ausführlich die Verteilung der 12 Beiträge auf 6 Gruppen ("Ankündigung des Bankettgeschehen", "Moraldiskurs und Bankettverhalten", "Konviviale Räume", "Kosmos des Tischgesprächs", "Formen und Funktionen der Bankett-Geselligkeit", "Interpretationsprobleme (Stilleben Bilder und comissatio) "). Die abgedruckte Reihenfolge der Beiträge folgt aber vielmehr den Fächern Archäologie, Philologie und Geschichte, die dann wiederum schlicht alphabetisch sortiert sind. Dies mag daran liegen, dass Vössing seine Gruppierung selbst relativiert, da die Einteilung keineswegs so eindeutig sei (11f.).
Dunabin untersucht Mosaike in Speisezimmern. Solche Darstellungen sagen natürlich etwas über die Selbstdarstellung des Auftraggebers aus, und sollten gleichzeitig, da als Mosaik dauerhaft angelegt, wohlüberlegt sein. Stehen dabei Mosaike individuell "for a more intellectually cuturered and more Hellenistic atmosphere" (17) (Menander) bzw. "for something more luxurous and indulgent" (Lyra)? Darstellungen von Tänzern beim Gelage finden sich zwar, aber nicht in Fußbodenmosaiken - abgesehen von einer Ausnahme in einer Kneipe in Ostia. Daraus schließt Dunabin, dass Tanzdarstellungen "might be acceptable in a tavern, but they did not establish themselves as a suitable decoration for the triclinium in an elite house" (23). Das Argument hinkt etwas. Abgesehen von der insgesamt doch geringen Zahl an Mosaiken, ist uns der (allerdings gemalte) Wandschmuck von Speiseräumen meist schlicht nicht erhalten. Ob sich darauf nicht vielleicht doch Tanzszenen befanden?
Die beiden folgenden archäologischen Beiträge verharren etwas im Deskriptiven und bieten kaum Folgerungen aus den geleisteten Interpretationen der Funde. Harald Mielsch hebt hervor, dass es sich bei Stilleben Bildern mit Tieren und Früchten nicht unbedingt um die zu erwartenden Speisen handelt, sondern je nach Kontext um Jahreszeitenallegorien o.ä. In der zeitlichen Entwicklung ist zu erkennen, dass der Trend zur Darstellung von zu verzehrenden Lebensmitteln geht. Eric Morvillez verfolgt die in der hohen Kaiserzeit aufkommende Kombination von stibadium (halbrundes Speisebett) und Brunnenanlage in der Spätantike.
Sehr viel interessanter ist die Deutung des Gebäudekomplexes Murecine bei Pompeii durch Salvatore Ciro Nappo. Günstig gelegen und mit zahlreichen Triklinien ausgestattet handelt es sich wohl um ein 'Hotel' für Handlungsreisende der gehobenen Klasse, vor allem erkennbar an den aufwändigen Wandmalereien. [1]
Ein besonders gelungener Beitrag ist Anja Bettenworths Untersuchung über "Das Gastmahl des Kaisers Maximus im Martinsepos des Paulinus von Périgueux". Anhand von Abweichungen von 'traditionellen' epischen Gastmahlszenen und im Vergleich mit der früheren Darstellung bei Sulpicius kann Bettenworth zeigen, "dass Paulinus die Darstellung des Sulpicius politisiert und aktualisiert hat" (81). So werden Autoritätsunterschiede subtil deutlich gemacht: Zwar werden die anderen Teilnehmer beschrieben, eine Personenbeschreibung des Kaisers lässt Paulinus aus, dafür wird der Luxus der Umgebung detailliert beschrieben: "Während sich Martins Autorität in seinem Gesicht spiegelt, ohne dass es äußerer Attribute bedarf, drückt sich die kaiserliche Amtsgewalt in materiellen Gütern aus, ohne daß eine Personenbeschreibung erforderlich wäre." (78) Auch die Rolle des Personals oder des Umtrunks nach dem Mahl kann Bettenworth überzeugend in diese Richtung deuten.
Äußerer Rahmen der Untersuchung von Egelhaaf-Gaiser ist das convivium in Ovids Metamorphosen als Bild-und Erzählraum. Beispielhaft beschäftigt sich Egelhaaf-Gaiser mit dem diese convivium-Motivlinie einleitenden Hochzeitsbankett des Perseus (Gesprächsthema: Tod und Genese der Medusa).
Der Problematik aequitas-inaequitas widmet sich Elena Meri. Die aus dem griechischen Bereich bekannten Einladungen zum Mahl apo symbolôn bzw. eranos finden sich auch im römischen Bereich. Hierbei geht es darum, die aequitas der Teilnehmer zu symbolisieren. Dies wird dadurch bestätigt, dass uns diese Texte mit Beginn der frühen Kaiserzeit fast nicht mehr begegnen.
Einen ausgezeichneten und üppig belegten Überblick zum Thema Tischgespräch gibt William Slater. 'Richtige' und 'falsche' Gesprächsthemen und -führung werden aus Sicht der antiken Autoren untersucht.
Den abschließenden althistorischen Teil eröffnet Dirk Schurbusch mit Betrachtungen über die Erwartungen, die an ein aristokratisches Bankett in der späten Republik gestellt wurden und an denen sich auch reiche Ritter und Freigelassene orientieren und damit in Konkurrenz zur Nobilität treten konnten. Mit der zeitlichen Einordnung in den Tagesablauf behandelt Elke Stein-Hölkeskamp ein ganz ähnliches Thema. Ausgehend von einem idealtypischen Tagesablauf, der das Mahl zwischen der neunten Stunde und Sonnenuntergang vorsieht, kann sie zunächst zahlreiche Ausnahmen von dieser Regel belegen. Als Kampfmittel der Invektive wurde dem Angegriffenen vorgeworfen, besonders früh zu speisen und/oder bis in die tiefe Nacht hinein. Der Aspekt der Invektive (zu einfaches oder luxuriöses Bankettverhalten) kommt im Beitrag von Schnurbusch leider zu kurz, obwohl man dies schön an den von Schnurbusch ausgewählten Beispielen (Marius, Ciceros Invektive gegen L. Calpurnius Piso Caesoninus) sehen könnte.
Der Beitrag von Werner Tietz behandelt das Thema des 'einsamen' Mahls. Dazu will er vier literarische "Personengruppen, denen das einsame Mahl zum Vorwurf gemacht werden konnte" (158), unterscheiden. Die Formulierung ist etwas unglücklich, da nicht den Mitgliedern der ersten beiden Gruppen ("Mittellose Parasiten" und "Materiell gesicherte oder wohlhabende Parasiten") der Vorwurf des einsamen Mahls gemacht werden kann, sondern denen, die sie nicht einladen: Im ersten Fall muss der nicht Eingeladene hungern, im zweiten Fall wird er in seinem Status erniedrigt. In beiden Fällen verstößt derjenige, der nicht einlädt, gegen den mos maiorum. Neben den 'logischen' zwei weiteren Gruppen, nämlich "Patrone und potentielle Gastgeber" und speziell "Der Kaiser", wird noch kurz der Ausschluss aus der Mahlgemeinschaft als militärische Strafe thematisiert.
Der äußerst gelungene Abschluss des Sammelbandes stammt vom Herausgeber. Konrad Vössing geht der auch aktuell wieder aufgeworfenen Frage nach, ob unter comissatio ein Umzug der Zecher oder ein Umtrunk im Bankettsaal zu verstehen ist. Nach einer kritischen Überprüfung der Belege für kômos/komazein bzw. comissatio/comissari kann er zu recht folgern: "kômos ist im Griechischen nicht zunächst und in erster Linie' der Umzug im Freien [...], sondern kômos ist [...] früh der eigentliche Ausdruck für das gemeinsame Trinken nach dem Essen. [...] Daneben [...] war kômos aber eben auch der Umzug nach dem Symposion. [...] für den Oberschichtsrömer [wäre] der mit dem Umzug verbundene öffentlich demonstrierte Verlust der Selbstkontrolle sozial tödlich gewesen. In Rom war die comissatio also in aller Regel nur noch das eine: das Zechen nach den cena als zweiter Teil des Banketts." (187).
Ein Quellen- und ausführliches Literaturverzeichnis schließen den Sammelband ab, dem ein etwas konkreteres gemeinsames Oberthema vielleicht gut getan hätte.
Anmerkung:
[1] Mario Pagano: L'edificio dell'agro Murecine a Pompei, RAAN 58 (1983), 325-361, dachte noch den Sitz eines Kollegiums.
Stefan Priwitzer-Greiner