Konrad Vössing: Das Königreich der Vandalen. Geiserichs Herrschaft und das Imperium Romanum, Mainz: Philipp von Zabern 2014, 208 S., ISBN 978-3-8053-4761-7, EUR 25,95
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In den letzten zwei Jahrzehnten ist das Forschungsinteresse an den Vandalen deutlich gestiegen. Ziel des vorzustellenden Buches von Konrad Vössing (Einleitung, 7-10) ist es, "die Etablierung und Charakteristik des regnum Vandalorum darzustellen" (8), um einen möglichst vollständigen Überblick zur Ethnogenese dieses Stammes sowie seiner Rezeption zu geben.
Der Autor behandelt im zweiten Kapitel (11-33) die Vorgeschichte des Stammes, also die Zeit vor der Eroberung Afrikas. Dieses Thema ist in vier Teile untergliedert. Zuerst beschäftigt sich Vössing kurz mit der Herkunft der Vandalen und den ersten Kontakten zwischen ihnen und dem römischen Reich. Nachfolgend wird der Zug durch Gallien und Spanien beschrieben: Schwerpunkt ist die vandalische Konfliktbeziehung zu den anderen Germanenstämmen und der römischen Zentralgewalt. Die Ethnogenese wird in den letzten beiden Teilen dieses Kapitels besprochen, in denen Vössing die ursprünglichen Merkmale der Vandalen skizziert und rekonstruiert. Hier fokussiert er insbesondere die Gesellschaft und die Beziehung zum Christentum. [1] Da die erste Phase der vandalischen Geschichte schlecht dokumentiert ist, ist er gezwungen, sich auf der Grundlage von Hypothesen zu bewegen, wie z.B. hinsichtlich des Gallienaufenthaltes und der Christianisierung der Vandalen.
Das dritte Kapitel (34-49) setzt mit einer Frage ein, die im Zentrum der Forschungen über die Vandalen steht: Wurden sie nach Afrika "eingeladen"? Nach einer Diskussion der sogenannten "Verratsthese" [2] anhand der antiken Quellen und des historischen Kontextes kommt Vössing zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass der vandalische Zug nach Afrika auf einer Reihe von "historische[n] Konstellationen" (37) beruht. Der afrikanische Bürgerkrieg, die Unbeständigkeit der Truppen Bonifatius' und die schwache römische Verteidigung Afrikas trieben die Vandalen an, in Mauretanien zu landen. Das Kapitel fährt mit einer ausführlichen Zusammenfassung der Eroberung Afrikas fort, thematisiert den Einfall über die Meerenge von Gibraltar [3], den Marsch nach Osten wie die Einnahme der römischen Hauptstädte Afrikas, Hippo Regius und Karthagos. In Verbindung damit werden die Umstände und die Gründe für den erfolgreichen Eroberungszug exemplarisch diskutiert.
Das folgende Kapitel (50-74) legt das komplizierte Dreiecksverhältnis zwischen den Vandalen, Rom bzw. Ravenna und Konstantinopel dar. Vössings diesbezügliche Analyse konzentriert sich auf die militärischen Auseinandersetzungen und die aus diesen resultierenden Verträge. Damit wird der vandalische Aufstieg im Mittelmeerraum auf innovative Weise behandelt. Besonders interessant ist der fünfte Teil des Kapitels, in dem das sogenannte "vandalische Seereich" unter verschiedenen Aspekten (z.B. militärisch und machtpolitisch) interpretiert wird. Daraus lässt sich ableiten, dass "die vandalische Kontrolle über die Inseln des westlichen Mittelmeers [...] nicht gleichbedeutend mit einer Seeherrschaft" (65) war. [4] Der vandalische Seeerfolg profitierte von der herrschenden Anarchie im westlichen Mittelmeer, in dem Sinne, dass es keinen Feind gab, der eine konkrete Gefahr für die Vandalen bedeutet hätte. Eine Bestätigung dafür ist, dass sie selten nach Osten segelten, da Byzanz sehr wohl über eine kapitale Flotte verfügte.
Das fünfte Kapitel (75-110) bildet den Hauptteil des Bandes. Hier wertet Vössing sowohl die Struktur des Vandalenreiches als auch seine Politik-, Wirtschafts- und Religionsverwaltung aus. Er richtet seine Aufmerksamkeit auf die Beziehung zwischen Vandalen und Römern (96-108), um daran den Romanisierungsgrad der vandalischen Gesellschaft zu bestimmen. Er bezieht seine Untersuchungen vor allem auf die Zeit Geiserichs, dessen historische Figur er im folgenden Kapitel kurz präsentiert. Unter Geiserich erreichte das Vandalenreich den Höhepunkt der Macht und bildet eine Grundstruktur aus, daher konzentriert Vössings Analyse sich größtenteils darauf.
Im siebten Kapitel (118-139) geht es um die Geschichte der Vandalen nach dem Tod Geiserichs bis zum Ende ihrer Herrschaft in Afrika. Vössings Ziel ist nicht nur die reine Wiedergabe der Reichsentwicklung, sondern anhand des politischen Vorbildes Geiserich will er die Gründe für seinen schnellen Untergang zu hinterfragen bzw. untersuchen, wie sich das Vandalenreich unter Geiserichs Nachfolgern geändert hat. Das Kapitel endet mit einem detaillierten Teil über den verlorenen Krieg gegen Byzanz.
Damit ist das Thema des achten Kapitels (140-144) verbunden. Der Verfasser stellt die Frage, was genau der Sieg Byzanz' für die Geschichte der Vandalen bedeutet hat: die Befreiung Afrikas oder das brutale Ende der vandalischen Herrschaft? Mithilfe der Quellen macht er wahrscheinlich, dass man von einer Befreiung sprechen kann. Er ignoriert aber nicht, dass eine Minderheit sich nicht wirklich "befreit" fühlte. Das Thema einer längerfristigen Perspektive einer vandalischen Herrschaft in Afrika liegt im Bereich der Hypothesen. Seiner Meinung nach wäre für eine nachhaltige Vandalenregentschaft auf römischem Boden eine "Afrikanisierung" der Gesellschaft notwendig gewesen, d.h. dass eine Integration der "spezifischen Realitäten" des spätantiken Afrika in die Vandalenherrschaft im Sinne einer Teilhabe sowohl der Romanen als auch der kooperationswilligen Maurenstämmme an der Herrschaft unabdingbar gewesen wäre (143).
Mit dem Schlusskapitel (145-150) geht der Autor auf die Problematik der Rezeption der Vandalen ein und begründet, woher die negative Wertung der Vandalen rührt. In diesem Kontext diskutiert er auch die Frage, ob sie ihren schlechten Ruf überhaupt verdient hätten. Die Vandalen unterschieden sich nicht so sehr von anderen germanischen Plünderern, aber im Gegensatz zu den Goten, nach denen ein Baustil benannt wurde, war ihr Ethnonym immer nur mit negativen Kontexten verbunden, sodass er langsam zu einem Synonym für Zerstörung wurde. Anmerkungen (151-186) zu jedem Kapitel, eine Liste der Quellen und Literatur (187-201), ein Index der Namen und Orten (202-205) und eine Zeittafel (206-207) runden den Band ab.
Vössings Buch ist ein sehr gutes Überblickswerk zum Vandalenreich, das sowohl ein allgemeines Publikum als auch fortgeschrittene Leser ansprechen dürfte. Wertvoll für die Lektüre ist der Wechsel zwischen der Darstellung der chronologischen Ereignisfolge und der Thematisierung von Forschungsfragen. Der gewissenhafte Umgang mit dem spärlichen Quellenmaterial verleitet den Autor nicht zur Spekulation, obwohl gerade das Thema der Vandalen viel Raum für Hypothesen offen lässt. Das Quellenmaterial wird ausführlich in den Anmerkungen kommentiert. Auch gibt Vössing hier zu jeder Quelle weiterführende Angaben zur Forschungsliteratur. Diese Publikation ist ein wertvoller Betrag zur Geschichte der Vandalen.
Anmerkungen:
[1] Eine Vorgeschichte der Vandalen bieten G.M. Berndt / R. Steinacher (Hgg.): Das Reich der Vandalen und seine (Vor-)Geschichte, Wien 2008, 17-42; 43-58; 79-86; 87-96; 97-104.
[2] Die "Verratsthese" geht davon aus, dass die Vandalen von dem Militärchef Afrikas - Bonifatius - gerufen wurden, um ihm bei seiner Kontroverse mit Rom zu helfen. Für eine Liste der Vertreter dieser These siehe: G.M. Berndt / R. Steinacher (Hgg.): Das Reich der Vandalen und seine (Vor-)Geschichte, Wien 2008, 158.
[3] Zur Überfahrt und Landung der Vandalen in Nordafrika siehe: H. Castritius: Die Vandalen. Etappen einer Spurensuche, Stuttgart 2007, 79-85.
[4] Vgl. A. Merrills / R. Miles: The Vandals, Chichester 2010, 129-140.
Rocco Selvaggi