Rezension über:

Lorenz Korn / Eva Orthmann / Florian Schwarz u.a. (Hgg.): Die Grenzen der Welt. Arabica et Iranica ad honorem Heinz Gaube, Wiesbaden: Reichert Verlag 2008, 319 S., ISBN 978-3-89500-675-3, EUR 68,00
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Rezension von:
Jens Scheiner
Courant Forschungszentrum EDRIS, Georg-August-Universität, Göttingen
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Conermann
Empfohlene Zitierweise:
Jens Scheiner: Rezension von: Lorenz Korn / Eva Orthmann / Florian Schwarz u.a. (Hgg.): Die Grenzen der Welt. Arabica et Iranica ad honorem Heinz Gaube, Wiesbaden: Reichert Verlag 2008, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 11 [15.11.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/11/17971.html


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Forum:
Diese Rezension ist Teil des Forums "Islamische Welten" in Ausgabe 10 (2010), Nr. 11

Lorenz Korn / Eva Orthmann / Florian Schwarz u.a. (Hgg.): Die Grenzen der Welt

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Hat ein Professor besonders tiefe Spuren bei seinen Kollegen, Schülern oder Freunden hinterlassen, dann widmen diese ihm meist eine Festschrift. Ein solcher Professor war Heinz Gaube, der wie die Herausgeber formulieren "mit seiner Energie und Überzeugungskraft und mit der so offenkundigen Freude an dem, was er tut, viele Kollegen und mehrere Generationen von Schülern angespornt" hat (9). Dieser Beschreibung kann ich, der Heinz Gaube aus der Perspektive eines Studenten kennengelernt habe, voll zustimmen. Umso mehr freut es mich, dass die drei Herausgeber, Lorenz Korn, Eva Orthmann und Florian Schwarz, den hier zu besprechende Sammelband zu seinen Ehren zusammengestellt haben!

Die hier zu besprechende Festschrift ist mit einem bunten Strauß Blumen vergleichbar, der auf dem Nährboden von Heinz Gaubes Forschung gediehen ist und der ihm in seiner ganzen Pracht und Farbenvielfalt dargebracht wurde.

Nach einer Einleitung zu Heinz Gaubes Leben (L. Korn, E. Orthmann, F. Schwarz) und dem üblichen Schriftenverzeichnis folgt eine packende Nachdichtung - der Gattung der Maskenblume gleich - über die Quelle des ewigen Lebens aus dem persischen Alexanderbuch (C. Lange).

Wie mehrere Becher - und Glockenblumen als Teil des gesamten Blumenstraußes folgen einige Aufsätze zu Städten und Landschaften. K. Toueir hinterfragt in einem sehr guten Aufsatz die Funktion der Mauern in den Städten des Nahen Ostens. Er kommt zu dem Schluss, dass die Mauern meist keine militärische Funktion hatten, sondern vermutlich den sakralen Innenbereich einer Stadt von dem profanen Außenbereich abtrennen sollten (25-37). Ebenfalls über Stadtmauern, bei umayyadischen bzw. abbasidischen Stadtgründungen, schreibt A. Northedge. Er weist darauf hin, dass islamische Stadtgründungen, wenn sie nicht im Grenzgebiet lagen, nicht ummauert waren (39, 47). T. Allen vergleicht die Städte Lashkarī Bāzār und Samarra, während L. Richter-Bernburg Nāṣer-e Ḫosrous Schilderung von Jerusalem untersucht. Dabei weist er auf "Textstörungen" in Nāṣers Reisebericht hin und betont dessen "handwerklich-konstruktiven" und "malerischen" Blick auf die Gebäude (84, 97). L. Korn untersucht den Austausch in der Wissenschaft, Architektur und Kunst zwischen Syrien und Iran unter seldschukischer Herrschaft. Für diesen Austausch im 11. Jahrhundert gibt es ausreichend Belege (111), für eine Adaption der Kuppel der Umayyadenmosche in der Freitagsmoschee von Isfahan gibt es allerdings keine stichhaltigen Argumente, wie Korn überzeugend darlegt. J. Gonnella, D. Bodenmüller, et.al., beschäftigen sich ebenfalls mit Mauern, und zwar mit der Befestigungsmauer der Aleppiner Zitadelle, die auf einen zengidischen oder frühayyubidischen Vorgängerbau hinweisen (127). Während W. Röllig die heute verschwundene Brücke von 'Arbān wieder "aufleben" lässt, beschreibt B. Finster die jemenitische, würfelförmige Moschee des Ayyūb, die einen spannenden architektonischen Kontext für die Würfelmoschee in Mekka, die Ka'ba, darstellt (147-166).

Der Blumenstrauß enthält auch mehrere Scheiben- und Schalenblumen, da sich eine Reihe von Beiträgen mit Numismatik, Epigraphik und Dokumenten befassen. L. Ilisch zeigt beispielsweise in seinem sehr erhellenden Aufsatz auf, dass es nach der Münzreform durch 'Abd al-Malik vor allem im Osten der islamischen Welt noch über 100 Jahre lang Regionalwährungen gab, die neben der "Reichswährung" parallel existierten. Diese Regionalwährungen waren meist Silbermünzen, die auf vorislamische Vorläufer zurückgehen (174). A. Al-Salimi untersucht omanische Münzen der Buyidenzeit, während F. Schwarz eine Waqf-Urkunde für ein Sufikonvent (ḫānaqa) in Samarkand analysiert. Dieses Beispiel zeigt, dass das islamische "Stiftungswesen" im 16. Jahrhundert noch so funktionierte wie in der klassischen Zeit des Islam. C. Ott befasst sich mit einem Gedicht, das als Inschrift eines damaszener Innenraumes im frühen 19. Jahrhundert gedient hat, während I. Schneider anhand von Petitionen an den Qāǧārenšāh die städtische/ländliche Perspektive der Herrschaft des Gouverneurs 'Izz ad-Daula beleuchten will. An diesem Beispiel kann sie aufzeigen, dass die qāǧārischen Eliten das Petitionswesen zum eigenen Nutzen instrumentalisiert haben (233). Der letzte Beitrag dieser Gruppe stammt von M. Hoffmann-Ruf, die drei Ehedokumente aus dem Oman des frühen 19. Jahrhunderts auswertet.

So wie die Revolverblumen mehrere Zugänge zum Nektar bieten, befasst sich die letzte Gruppe der Aufsätze mit Kulturkontakten zwischen der persischen und arabischen Welt. F. Pakzad und U. Schapka kommentieren die Pflanzennamen in Kapitel 16 des Bundahišn, während H. Hosravi die Geschichte des Namens "Persischer Golf" aufzeigt. Er macht deutlich, dass das Meer zwischen Iran und der arabischen Halbinsel seit der Antike den Namen "Persisches Meer" bzw. "Persischer Golf" trägt und dass moderne Beispiele es "Arabisches Meer" zu nennen, politisch motiviert und ahistorisch sind (273-285). L. Berger stellt die Darstellung des Zarathustra im siebten Buch des Dēnkart dem der arabischen Chronisten (aṭ-Ṭabarī, Ibn al-Aṯīrs und anderer) gegenüber. Er kommt zu dem Schluss, dass sich die islamischen Quellen für die Frage interessieren, ob Zarathustra ein Prophet war (meist wird das verneint), und dass Zarathustras Pendeln zwischen Gott und Teufel in der islamischen Darstellung keine Rolle spielt. Die Aufsätze von E. Orthmann über den "Teppich der Freude", dessen Beschreibung sich im Qānūn-i Humāyūn befindet und den der Mogulherrscher Humāyūn als Herrschaftssymbol benutzt hat, und von R. Badry über sunnitische, mut'a-ähnliche Eheformen schließen diesen dritten Teil der Festschrift ab.

Entstanden ist somit eine Festschrift, deren zwanzig Beiträge einen reichen Strauß ergeben und deren Lektüre sehr schön die Breite und Vielfalt iran- und islamwissenschaftlicher Beschäftigung widerspiegelt. In diesem Sinne: Lasst weitere Blumen blühen!

Jens Scheiner