Eberhard Kolb: Deutschland 1918-1933. Eine Geschichte der Weimarer Republik, München: Oldenbourg 2010, IX + 251 S., ISBN 978-3-486-59760-8, EUR 19,80
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Wer sich als Fachhistoriker in Forschung oder Lehre mit der Weimarer Republik befasst, wird zunächst höchst gespannt sein, wenn verlagsseitig eine neue Veröffentlichung des Altmeisters dieser Epoche deutscher Geschichte angekündigt und schließlich ausgeliefert wird. Doch schon das Anlesen führt zu einer milden Enttäuschung: Diesen Text kennt man sehr gut und man entdeckt schnell, dass es sich dabei um den ersten, also den Darstellungsteil des erstmals 1984 veröffentlichten und inzwischen in zahlreichen Überarbeitungsstufen (und recht selten für deutsche Handbücher: in mehreren Auflagen sogar in englischer Übersetzung) meistaufgelegten Bandes aus der Reihe Oldenbourg Grundriss der Geschichte handelt.
Das Verlagsinteresse mag opportun sein, ein erfolgreiches Buch unter anderem Etikett erneut zu (teil-)veröffentlichen und damit vielleicht Leserkreise anzusprechen, die auf die beiden übrigen Teile der Grundriss-Bände keinen allzu großen Wert legen: auf den für die wissenschaftliche Arbeit besonders wichtigen Forschungsüberblick und den vor allem bei Studierenden beliebten bibliographischen Teil. Für die wissenschaftliche Beschäftigung in Studium oder Forschung wird jedoch der nur wenig teurere Grundriss-Band das Maß der Dinge bleiben.
Bei der Lektüre wiederholt sich dann die Erfahrung, dass diese gut 200 Seiten (plus eine Zeitleiste, eine tabellarische Übersicht der Reichstagswahlergebnisse, ein paar ausgewählte Hinweise zur Literatur, aber keine zu den Quellen, und ein Personenregister im Anhang) den "konzentrierten Überblick" bieten, der im Vorwort versprochen wird, und nach wie vor wohl mit zum Souveränsten gehören, was an darstellender Geschichtsschreibung über die 14 Jahre der Weimarer Republik veröffentlicht wurde. Das liegt zum einen natürlich an der Fachkompetenz des Autors, zum anderen aber auch an dessen Fähigkeit, komplexe und komplizierte Sachverhalte in einer unprätentiösen und prägnanten Sprache selbst für Leser ohne Vorkenntnisse und ohne Gefallen an neueren oder neuesten Theorieangeboten äußerst verständlich zu beschreiben. Nicht zuletzt konnte man diese Fähigkeit in den vergangenen Jahren auch in drei Büchlein Kolbs über den Versailler Vertrag, über Stresemann und über Bismarck bewundern, die unter den knapperen Darstellungen zu diesen Themen nur schwerlich zu übertreffen sein dürften.
Wie bei diesen Schriften bietet Kolb auch in seinem Abriss zur Weimarer Republik - trotz aller aufgeführten Fakten - keine Faktenhuberei, sondern weiß die Ereignisse stets in eine Erzählung einzubetten, die den Ereignissen erst ihren Sinn verleiht und die Geschichte dieser Republik zu einer Gesamtgeschichte macht. Wenn er dabei neben Innen- und Außenpolitik die zuletzt intensiv erforschte Kultur der zwanziger Jahre einbezieht und - nicht nur vor diesem Hintergrund - die grundsätzliche Offenheit der Geschichte betont, also Weimar nicht mehr nur vor dem Hintergrund seines Scheiterns betrachtet, entspricht er einer Anforderung, die heutzutage selbstverständlich sein dürfte: Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie kann nicht mehr nur als Misserfolgsgeschichte gelesen werden, wie es - leicht erklärbar - in der Nachkriegszeit üblich war; sie hat Glanz und Elend, Staatsmänner und Dilettanten zu bieten. Man muss kein Neo-Rankeaner sein, um auch dieser Epoche zuzugestehen, dass sie aus sich selbst heraus betrachtet werden will. Und darüber darf man auch nicht vergessen, dass sie nach wie vor einiges an Lehren für uns und unsere heutige Perspektive zu bieten hat.
Wolfgang Elz