Dominik Trutkowski: Der geteilte Ostblock. Die Grenzen der SBZ/DDR zu Polen und der Tschechoslowakei (= Zeithistorische Studien; Bd. 49), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2011, 205 S., ISBN 978-3-412-20673-4, EUR 29,90
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Nicht nur Europa sei im Ost-West-Konflikt geteilt gewesen, sondern auch das östliche Bündnis. Zu diesem Ergebnis kommt Dominik Trutkowski in seiner Studie über die Grenzen zwischen der DDR und Polen sowie der Tschechoslowakei. Von dem in der Propaganda stets gepriesenen "sozialistischen Internationalismus" könne keine Rede sein. Im Gegenteil: Es entstehe das Bild von einem "Ostblock, der politisch, ideologisch und transnational tiefer gespalten war, als bisher angenommen wurde" (179). Somit zählt Trutkowski zu den Autoren, die im Beziehungsgeflecht zwischen den Staaten des östlichen Bündnisses vor allem eine Konfliktgemeinschaft sehen.
Trutkowski gelangt zu seinen Schlussfolgerungen, indem er die über vierzig Jahre währende Geschichte der Grenzregime zwischen der DDR und den beiden Partnerstaaten chronologisch Revue passieren lässt. Zunächst beschreibt er die deutsch-polnischen Grenzverschiebungen als Folge des Zweiten Weltkriegs und die Vertreibung und Zwangsaussiedlung der Deutschen sowohl aus Polen als auch aus der Tschechoslowakei. In einem zweiten Schritt analysiert er die kaum durchlässigen Grenzen zwischen der DDR und den beiden Staaten in der Zeit von der Gründung der DDR 1949 bis zum Mauerbau 1961. Die nächsten drei Kapitel sind weiteren Zeiträumen gewidmet, in denen die Grenzregime jeweils unterschiedlich geprägt waren: 1961 bis 1972 mit der allmählichen Öffnung unter anderem für den Tourismus, 1972 bis 1980 mit der Pass- und Visafreiheit zwischen den drei Staaten und schließlich die durch die polnische Gewerkschaftbewegung Solidarność und die Reformen in der Sowjetunion geprägte Phase 1980 bis 1989, in der die DDR den pass- und visafreien Reiseverkehr mit Polen wieder abschaffte.
Überzeugend zeigt Trutkowski, wie politische Ereignisse und Prozesse die Entscheidung zu Durchlässigkeit oder Abschottung beeinflussten. So hatte der 17. Juni 1953 auch eine stärkere Bewachung der Grenzen zwischen der DDR zu Polen und der Tschechoslowakei zur Folge. Nach dem Mauerbau 1961 strebte die DDR eine stärkere Öffnung der Binnengrenzen an, während sie im Zuge der Niederschlagung des "Prager Frühlings" 1968 die Reisemöglichkeiten in die Tschechoslowakei einschränkte. Die Entspannung im Ost-West-Konflikt bewirkte in den 1970er Jahren wiederum ein leichteres Reisen - unter anderem deswegen, weil die DDR nun eine enge Verankerung im östlichen Bündnis betonen wollte. Eine erneute Isolierung aus Angst vor politisch unerwünschten Einflüssen erfolgte dann in den 1980er Jahren gegenüber Polen und am Ende des Jahrzehnts zum Schutz vor der Fluchtbewegung eigener Bürger über die verbündeten Staaten in den Westen. Deutlich wird also, wie dominierend die DDR in diesem Zusammenhang war: Sie stand wegen ihrer Westgrenze zur Bundesrepublik permanent unter Druck, sowohl was die Abwehr von Republikflüchtlingen als auch was die von der Bevölkerung geforderte Ausweitung des Tourismus betraf. Der Zusammenhang zwischen Außen- und Binnengrenzen im östlichen Bündnis ist somit offensichtlich.
Die Studie basiert auf der Auswertung vor allem deutschsprachiger Sekundärliteratur sowie Quellenmaterial zu den drei Staaten, die in erster Linie die Grenzsicherung betreffen. Hier wird zum Beispiel deutlich, wie die DDR den Großteil der Überwachung der Grenzen zu den Verbündeten seit den 1960er Jahren von den Grenztruppen auf die Staatssicherheit verlagerte. Detailliert sind auch unterschiedliche Praktiken der Grenzsicherung beschrieben. Allerdings ist gerade die Auswahl der Quellenbestände möglicherweise der Grund dafür, warum der Autor das Trennende stark betont und die Beziehungen zwischen den Staaten als Konfliktgeschichte beschreibt. Denn in Archivbeständen anderer, weniger sicherheitsrelevanter Institutionen oder Organisationen lassen sich eben auch viele Kontakte und grenzüberschreitende Kooperationen dokumentieren. Daher werden in Trutkowskis Studie einige mit dem Thema zusammenhängende Aspekte ausgeblendet oder recht oberflächlich behandelt: Formalisierte Kontakte zwischen Bürgern wie Reisen im Rahmen von Jugendaustausch und Gewerkschaftsurlauben, auswärtiger Kulturpolitik und den Wirtschaftsbeziehungen. Diese waren zwar meist reglementiert, aber letztlich trafen auch bei diesen Gelegenheiten Menschen zusammen.
Daher ist der Behauptung zu widersprechen, dass nur "wenige Perioden des pass- und visafreien Reiseverkehrs" (180) Begegnung und Austausch zwischen den Bevölkerungen dieser drei Staaten ermöglicht hätten - zumal der pass- und visafreie Reiseverkehr zwischen der DDR und Polen lediglich von 1972 bis 1980, aber zwischen der DDR und der Tschechoslowakei von Januar 1972 bis Oktober 1989 und damit fast 18 Jahre lang existierte. Für die Mehrheit der DDR-Bürger waren in den 1970er und 1980er Jahren, zum Teil schon in den 1960er Jahren, Reisen in die ČSSR und nach Polen oder nach Ungarn und Bulgarien immer problemloser möglich, was auch in dieser Studie erkennbar ist. Im Gegensatz zu Republikflüchtlingen und Oppositionellen spielen im Buch aber Touristen, Dienstreisende sowie andere Besucher eine untergeordnete Rolle. Die Studie enthält somit aufschlussreiche Ergebnisse zu den Praktiken der Grenzsicherung und zur diesbezüglichen Rolle der Staatssicherheitsapparate. Uneingeschränkt zuzustimmen ist auch der Feststellung, dass "die Einheit des Ostblocks [...] ihre Grenzen hatte" (Klappentext). Die zugespitzte Formulierung vom "geteilten Ostblock" ist aber trotz aller zweifellos vorhandenen politischen Konflikte und Einschränkungen im Reiseverkehr zu relativieren.
Volker Zimmermann