Edward Corp: The Stuarts in Italy, 1719-1766. A Royal Court in Permanent Exile, Cambridge: Cambridge University Press 2011, XII + 416 S., 30s/w-Abb., ISBN 978-0-521-51327-2, GBP 60,00
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"Time is the great enemy of dethroned royalty. If no restoration can be achieved within a certain number of years, perhaps about fifty, then a dynasty which has been deposed and exiled must lose its appeal and even its interest within the country which it formerly ruled." - Exilaufenthalte werden in der Forschung oft herangezogen, um zu überprüfen, inwiefern allgemeine Thesen auch in der Extremsituation eines Exils Bestand haben. Edward Corp, Professor für Britische Geschichte an der Universität Toulouse, rückt hingegen die Exilaufenthalte selbst ins Zentrum seiner Arbeit. In den vergangenen Jahren legte er bereits zwei Studien vor, die Exil-Höfe der Frühen Neuzeit zum Thema hatten: 2004 erschien A Court in Exile: The Stuarts in France (1689-1718) und 2009 The Jacobites at Urbino.
Mit der zur Besprechung vorliegenden Studie The Stuarts in Italy (1719-1766) hat Corp also nun einen Folgeband vorgelegt, der sich in zwei Teilen den Stuarts in Rom (1719-1766) und der Teilung des Hofes in den Jahren 1726-1729 mit einem Teilhofstaat in Bologna widmet. Die Gliederung weist es zwar nicht eigens aus, Corp thematisiert aber auch einen längeren Aufenthalt James' III. in Frouard am Zusammenfluss von Mosel und Meurthe in Lothringen und in Avignon, der mit dem Versuch verbunden war, nach Frankreich zurück zu kehren (193ff.). Der Untersuchungszeitraum orientiert sich zum einen an der Ankunft der Hofgesellschaft des "Old Pretender" 1719 in Rom, zum anderen an dessen Tod am 1. Januar 1766 in Rom. James Francis Edward Stuart (1688-1766) - genannt the Old Pretender - wurde als Sohn James' II. von England und dessen zweiter Frau, Maria von Modena (1658-1718), von seinen Anhängern als König James III. von England bezeichnet. Diese Bezeichnung greift Corp konsequent auf und macht sich damit die Perspektive der Jakobiten zu eigen, die in ihm als James III. den Thronprätendenten für den englischen und als James IV. den des schottischen Throns sahen.
Die Gliederung ist weitgehend chronologisch angelegt. Im ersten Teil werden die Anfangsjahre des Exils in Rom von 1719 bis 1729 dargestellt, der dritte Teil schließt mit den Jahren 1729 bis 1766 an. Der zweite Teil der Studie fungiert als Scharnier zwischen diesen beiden Kapiteln und als "turning point" der Studie. Denn im zweiten Kapitel geht es um die Trennung von König James III. und seiner Frau Maria Clementina Sobieska (1702-1735), die von 1726 bis 1729 zur Einrichtung eines eigenen weiblichen Hofstaates und den Wechsel von einem Teil des Hofstaates mit James III. nach Bologna führte. In diesen Zeitraum fällt auch die Reise nach Frankreich, mit dem vergeblichen Bemühen des Königs, sich in Avignon einzurichten und seine Frau und die Kinder nachfolgen zu lassen.
Anders als die bisherige Forschung geht Corp der Zusammenstellung des Hofstaates der Königin im Detail nach und zeigt, wie schmal und ihrer adeligen Stellung unangemessen die Zusammenstellung ihres Frauenzimmers in Rom war, zu der weder eine "Lady of Bedchamber" noch eine "Bedchamber Woman" zählten. Und seit ihrer Hochzeit im Jahr 1719 wies James III. Clementinas Wunsch nach einem eigenen unabhängigen Hofstaat entschieden zurück. Corp argumentiert anhand der Überlieferung im Fondo Borgia der Biblioteca Apostolica Vaticana, wenn er etwa Bischof (Jean-)François Foucquet in einem Brief an Ramsay zitiert, in dem es heißt: "she [Clementina] wants to be treated as a Queen, to have a household and to be in command of it." Weil sich im Palazzo del Re in Rom auch nach der Geburt des zweiten Sohnes Henry nichts im Sinne von Clementina zu ändern schien, übersiedelte sie 1725 schließlich in ein römisches Kloster und provozierte damit die Trennung des Hofstaates.
Es gelingt Corp durchgehend traditionelle Sichtweisen/Deutungen früherer Studien zu korrigieren: So entschied sich James III. nicht erst nach der Niederlage der Jakobiten bei Culloden 1746 und dem darauffolgenden Frieden von Aix-la-Chapelle im Jahr 1748 für seinen zweitgeborenen Sohn die kirchliche Laufbahn vorzusehen, sondern bereitet eine entsprechende Ausrichtung bereits 1742 vor. Seit Mitte der 1740er Jahre war James III. jedoch bewusst, dass er den Rest seines Lebens im Exil als Gast des jeweiligen Papstes im Kirchenstaat verbringen werden müsste; er erlebte sechs Päpste von Innozenz XI. bis Innozenz XIII.
Die Stuarts mussten in Rom kein zurückgezogenes Leben führen. Als Mäzen setzte sich James III. insbesondere für das italienische Musikleben und für zeitgenössische Maler ein. Nach der Rückkehr nach Rom 1729 war es vor allem die Oper, die den Stuarts zu einem angemessen repräsentativen Lebensstil verhalf: Die zahlreichen Opern in Rom boten den adeligen Familien Gelegenheit zum Sehen und Gesehen werden. Für die Stuarts waren sie zugleich die Gelegenheit von britischen und irischen Reisenden auf ihrem Grand Tour wahrgenommen zu werden, Einladungen zum Dinner in der Loge aussprechen zu können und das königliche Recht in Anspruch zu nehmen, einzelne Arien wiederholen zu lassen. Letzteres Privileg war nicht zu verachten, wenn es darum ging, sich bei den übrigen Zuschauern nach einer gelungenen Darbietung durch deren Wiederholung beliebt zu machen. Anhand des Jahres 1732 präsentiert Corp im Detail das Opernpensum, das James III. (nicht so seine Frau) absolvierte: fast allabendlich war er im d'Aliberti, Capranica, Argentina oder in der Kirche Santi Apostoli neben seinem Palazzo anzutreffen.
Aber auch im Palazzo del Re selbst wurden Konzerte organisiert, bei denen der älteste Sohn, Prince Charles, sein Können am Cello zum Besten gab. Als sein Lehrer und als Kapellmeister der Stuarts fungierte Giovanni Costanzi, den der römische Karikaturist Pier Leone Ghezzi als "Giovannino del Violoncello, famoso sonatore di detto istromento" charakterisierte. Costanzi wird ebenfalls als "connecting link" zu anderen Musikmäzenen Roms beschrieben, denn er arbeitete nicht nur für den französischen und spanischen Botschafter, sondern war formell angestellt bei Kardinal Ottoboni, dem letzten Kardinalnepoten und einem der einflussreichsten Mäzene in der römischen Gesellschaft.
Corp zeichnet das gesellschaftliche und politische Leben der Stuarts zwischen päpstlichem Hof und stadtrömischer Gesellschaft, zwischen dem Wunsch James' III. sich wenigstens wieder in Frankreich einrichten zu können und der endgültigen Einsicht, nie wieder auf den Thron zurückzukehren, voller Details nach. Sein Blick richtet sich dabei ganz auf Rom und Italien, was in einigen Kapiteln zu einer verkürzenden Darstellung führt. Diese Einschränkung mindert die gehaltvolle Studie jedoch in keiner Weise. Bis zum 7. Januar 1766, dem Tag des Staatsbegräbnisses für James Francis Edward Stuart, den verhinderten König, breitet Corp vor seinen Lesern eine Fülle an neuen Erkenntnissen aus. Zahlreiche Originalzitate gewähren hierbei Einblick in Sprache, Geist und Kenntnisstand der Zeit. Ein umfassendes Register schließt den Band und macht ihn für jeden Historiker wertvoll, der sich mit einer kulturhistorischen Perspektive auf das Rom des 18. Jahrhunderts einlassen will. Dass man am viel zu oft vernachlässigten Exil-Hof der Stuarts in Rom jetzt kaum mehr vorbeikommt, ist Corps Verdienst. Es bleibt abzuwarten, ob an der Gedenktafel am Palazzo Muti in Rom nicht vielleicht doch noch ergänzt wird, dass dort 44 Jahre lang James III. lebte. Im Augenblick wird dort nur an einen Erzpriester von St. Peter und Kardinalbischof von Frascati und Ostia-Velletri erinnert: Henry Benedict Maria Clement Cardinal Stuart of York, letzter Spross der Stuarts.
Britta Kägler